Soziale Werbung:Google will mit Nutzer-Fotos werben

Google plant, die eigenen Nutzer zum Star von Online-Werbungen zu machen. Der Schritt soll das Marketing per Mundpropaganda weiter in die Online-Welt holen, wird jedoch mit Sicherheit für Besorgnis bei Datenschützern sorgen.

Von Rolfe Winkler, Geoffrey A. Fowler und Evelyn M. Rusli, Wall Street Journal Deutschland

Google informierte die Nutzer in den USA am Freitag in einer hellblauen Warnung auf der Startseite der eigenen Website, dass der Webkonzern ab dem 11. November damit beginnen wird, Namen, Profilfotos, Bewertungen und Produktkritiken in einem Werbeformat zu verwenden, das Google "Shared Endorsements" nennt - "Gemeinschaftliche Empfehlungen".

Nutzer im Alter von mindestens 18 Jahren könnten bald beispielsweise sehen, wie sie für ihr Lieblings-Smartphone oder ein italienisches Restaurant auf einer von Googles Websites werben - darunter auch der Websuche. Google gab keine Auskunft darüber, ob die Nutzerinformationen auch in Google-Werbungen auf den Websites von Dritten angezeigt werden.

Nützlicher und weniger nervig?

Viele der erfolgreichsten Unternehmen des Silicon Valleys argumentieren, dass derartige Werbungen im sozialen Kontext nützlicher und vielleicht sogar weniger nervig sind, als traditionelle Werbeformate. Datenschützer stehen allerdings angesichts des Formats die Haare zu Berge - und Werber sind auch noch nicht restlos von der Effektivität des Formats überzeugt.

Schon vor Googles jüngster Änderung der Datenschutzbestimmungen konnten Nutzerempfehlungen in Werbeformaten auftauchen, wenn ein Nutzer den "+1"-Button geklickt hatte. Nun weitet Google die Art von Inhalten aus, die in Anzeigen auftauchen können -zum Beispiel auf die Bewertungen von Liedern bei Google Play und Restaurantkritiken auf Googles Sozialem Netzwerk Google+.

Außerdem könnten die Aktivitäten von Nutzern, die ein Google-Konto verwenden, um sich bei Applikationen von Dritten anzumelden, ebenfalls in Google-Anzeigen auftauchen. Google machte keine Angaben dazu, um welche Apps und Aktivitäten es sich genau handelt oder wo solche Anzeigen erscheinen könnten.

"Wir glauben, dass das ein Problem ist", sagt Marc Rotenberg, Geschäftsführer des Electronic Privacy Information Center. "Es handelt sich um eine kommerzielle Empfehlung ohne Zustimmung und das ist in den meisten US-Bundesstaaten nicht erlaubt."

Google reagierte mit einer Stellungnahme: "Die Privatsphäre und die Sicherheit unserer Nutzer gehört zu unseren höchsten Prioritäten. Wir glauben, dass die Veränderungen unserer Nutzungsbestimmungen ein positiver Schritt nach vorne sind, um wichtige Privatsphäre- und Sicherheitsbestimmungen klarzustellen." Die neuen Bestimmungen seien außerdem in Übereinstimmung mit den gesetzlichen Vorgaben.

Standardmäßig können nach den veränderten Nutzungsbestimmungen Nutzerinformationen, Bewertungen und Kritiken in sozialen Anzeigen verwendet werden. Google gibt den Nutzern allerdings die Möglichkeit, der Nutzung der Daten zu widersprechen und ihre Bewertungen sowie Kritiken jederzeit zu ändern. In Deutschland müssen die Nutzer der Verwendung ihrer Daten explizit zustimmen.

Die Online-Form der Mundpropaganda

Soziale Werbung hat das Potential im Internet das zu spiegeln, was Marketingexperten schon lange als effektives Instrument aus der echten Welt kennen: Mundpropaganda unter Freunden. In einem Blog-Artikel gab Google das Beispiel, wie ein Nutzer des eigenen Kartendienstes positiver auf die Empfehlung eines Restaurants in der Nähe durch einen Freund reagieren könnte, als auf eine klassische Werbung.

Die meisten Betreiber von Social-Media-Websites haben auf die eine oder andere Art versucht, Informationen von Freunden und Abonnenten in Werbung einfließen zu lassen - mit unterschiedlichem Erfolg.

Twitter integriert den Namen von Twitter-Konten (die auch ein Pseudonym sein könnten) in Werbung, die den Followern angezeigt wird. Die Werbung zeigt an, dass der beworbene Twitter-Account auch von einem Freund abonniert wurde.

Facebook setzt schon lange auf soziale Werbung

Facebook ist ein Pionier der Idee sozialer Werbung. Das soziale Netzwerk führte 2007 Werbeformate ein, die an Aktivitäten von Freunden wie der Besuch eines Restaurants oder die Empfehlung eines Geschäfts gebunden waren. Über die Jahre hat Facebook dieses Werbeformat mit der Einführung weiterer Funktionen wie dem "Gefällt mir"-Button weiter verfeinert.

Wenn heute beispielsweise ein Facebook-Mitglied die Fanpage eines Unternehmens mit "Gefällt mir" markiert, kann der Name des Nutzers in Werbeanzeigen auftauchen, die Freunden angezeigt werden.

Facebook kämpft damit, die richtige Balance zwischen der Attraktivität für Werbetreibende und dem Schutz der Privatsphäre der Nutzer zu finden. 2009 musste das Unternehmen nach einer Sammelklage in den USA beispielsweise das Werbesystem Beacon wider abstellen. Beacon hatte automatisiert Aktivitäten wie den Kauf eines Produktes auf anderen Websites auf Facebook veröffentlicht.

Kürzlich erklärte sich Facebook bereit, 20 Millionen US-Dollar zu zahlen, um eine andere Sammelklage beizulegen, in der Nutzer sich darüber beschwerten, dass Facebook ihre Aktivitäten in Werbeanzeigen ohne Bezahlung und Möglichkeit zum Widerspruch nutzte. Inzwischen können Facebook-Nutzer der Nutzung von Aktivitäten in Anzeigen widersprechen.

Neben der Debatte über den Datenschutz gibt es noch eine andere Frage: Funktionieren Online-Anzeigen, die soziale Beziehungen nutzen, überhaupt?

Soziale Werbung steht im Zentrum des Geschäftsmodells von Facebook - doch das Soziale Netzwerk hat inzwischen auch damit begonnen traditionellere Werbeformate einzusetzen. Einige Werber stellen noch immer den Wert sozialer Signale wie "Gefällt mir"-Markierungen in Frage und untersuchen weiterhin den Zusammenhang zwischen sozialen Werbeformaten und Kaufverhalten. Ein Facebook-Sprecher wollte sich dazu nicht äußern.

Facebook hat noch nicht deutlich gemacht, ob der eigene Foto-Dienst Instagram ebenfalls derartige soziale Werbung nutzen wird, auf dem im kommenden Monaterstmals Anzeigen angezeigt werden sollen.

"In einer Welt, in der wir von Marketingsprüchen und Werbung belagert werden, ist eine Möglichkeit, um sich im Wirrwarr zurechtzufinden, jemanden zu haben, dessen ehrliche Meinung man schätzt", sagt David Cohen, von der Werbeagentur UM.

Das gelte auch online - auch wenn es Werber hier auch übertreiben könnten. "Stellen Sie sich vor, jede Werbung würde eine Form der Empfehlung enthalten", sagt Cohen. "Sie würde ihre Wirkung verlieren und erdrückend werden."

Google steht noch am Anfang

Google könnte einige Arbeit vor sich haben, bis sich Nutzer daran gewöhnt haben, Empfehlungen für Dienste zu geben, sagt Bryan Wiener, CEO der Digitalagentur 360i. "Langfristig kommt es auf die Reaktion der Verbraucher an", sagt er. Trotz Googles Bemühungen für das eigene Soziale Netzwerk zu werben, ist es laut Wiener bei Nutzern noch nicht verbreitet, "+1" zu klicken - ganz anders als Facebooks Like-Buttons "Gefällt mir", der deutlich häufiger genutzt wird.

Ein Risiko für soziale Werbung: Websites könnten Dinge zu einer Empfehlung umdeuten, die so gar nicht gemeint waren, sagt Ed Keller, Chef der Marktforschungsfirma Keller Fay Group. "Wenn sie die rote Linie überschreiten und die Leute das Gefühl bekommen, dass sie die Anzeigen nicht authentisch sind, könnten sie zum Bumerang werden", sagt er. "Es gibt da eine rote Linie, die nicht überschritten werden darf."

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