Soziale Netzwerke:Die Galerie der Facebook-Typen

Facebook ist ein Klischee: Ob Online-Witzbold, Chef oder die gutvernetzte Klette - die Selbstdarsteller im Netz lassen sich recht einfach kategorisieren. Eine Nutzer-Typologie

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Quelle: Grafik: Katharina Bitzl

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Der Angeber

Daran erkennt man ihn

Meistens ist der Angeber ein Bekannter, den man seit Ewigkeiten aus den Augen verloren hat. Komischerweise hat das, was er auf Facebook mittlerweile präsentiert, ziemlich wenig mit dem harmlosen Durchschnittstypen zu tun, als den man ihn in Erinnerung hat. Gut, offenbar scheint sich seitdem einiges für ihn aufgetan zu haben. Die Damenwelt zum Beispiel - oder auch der Zugang zur Lufthansa Business Class.

Vor allem aus dieser Destination postet der Angeber mit Vorliebe eine Menge Fotos zu ausgesucht exotischen Uhrzeiten. Manchmal ist er aber sehr in Zeitnot und extrem beschäftigt, dann vermeldet er nur akribisch die aktuellen Aufenthaltsorte - und wo er heute Abend erwartet wird. Versehen übrigens mit ein paar abfälligen Bemerkungen zum neuen Fünfer von BMW und sorgfältig gestreuten Einblicken in sein offenbar sehr aufregendes Privatleben.

Typische Statuszeile

Brauche eure Hilfe: Drei Vernissage-Einladungen an einem Abend!!!! Auf welche geht man da? Vor allem, wenn man morgen am Nachmittag schon wieder in Boston sein muss ... grins.

Im Fotoalbum

Eine Auswahl gut bearbeiteter Fotos, die ihn stets mit Sonnenbrille in unterschiedlichen Vegetationszonen zeigen und bei denen er einen ausgesucht-desinteressierten Gesichtsausdruck macht. Gerne auch mit Gleitschirmausrüstung oder am Steuerrad einer Yacht. Dann noch zwei Alibi-Bilder in GQ-Optik, auf denen er als Mittelpunkt einer großen Männerumarmung posiert. Das soll deutlich machen, dass er mit den "Jungs" auch mal so richtig einen draufmachen und locker sein kann.

Wer sind die Freunde?

Andere Alphamännchen mit gebräunten Glatzen und Frauen, die auf ihrem Profilbild einen Cocktail in die Kamera halten.

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Quelle: Grafik: Katharina Bitzl

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Die gut vernetzte Klette

Daran erkennt man sie

Sie leidet seit jeher daran, dass sie mit ihren beiden Armen immer nur so einen begrenzten Teil der Welt umarmen kann. Ein Glück, dass nun via Facebook jede ihrer Liebesbekundungen, Müdigkeitsnotizen oder Glücksgefühle an den ganzen großen Kreis ihrer Kollegen, Freunde und an alle jene geht, die sie irgendwann irgendwo mal getroffen hat.

Mit ihrer sozialen Überfunktion sorgt sie für das Facebook-Grundrauschen. Die Vernetzte ist natürlich selbstständig im kreativen Sektor oder macht was mit Medien. Sie hat eine enorme Sozialkompetenz und postet deswegen unentwegt inspirierende Musikvideos, inspirierende Mineralwasserflaschenetiketten und Bilder von sich in selbstgenähten Umhängen. Manchmal zeigt sie auch ihre Füße in der Badewanne und überliefert Kalendersprüche, die allen anderen Schwung für den Tag geben sollen. Ständig muss sie verkünden, dass sie irgendwohin unterwegs ist und dieses Irgendwohin ist immer eine Variation von "lecker Pizza machen bei Isa und ihrer armenischen Mitbewohnerin".

Typische Statuszeile

Olá allerseits! Hier wirklich SuuuperSoonneee! Und ich sitze mit Binchen und ihrem Kirschkuchen auf dem Balkon!

Im Fotoalbum

Sie lädt der Einfachheit halber ihren gesamten Kameraspeicher auf Facebook. Deshalb findet man Dutzende Ordner, die "Andalusien 2009", "Costa del Sol with Family" oder "Jungesellinnenabschied Martina" heißen. Die Ordner sind nicht frei von unscharfen beziehungsweise leider doch sehr unansehnlichen Aufnahmen.

Wer sind die Freunde?

Eine Bevölkerungsschicht, die früher "Junge Szene" genannt worden wäre, plus natürlich abstruse Erasmus/Globetrotter-Bekanntschaften, die regelmäßig artig nachfragen, wann es die Klette mal wieder nach Christchurch, Neuseeland, verschlägt.

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Quelle: Grafik: Katharina Bitzl

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Der lockere Chef

Daran erkennt man ihn

Er hat im Überschwang und um Verständnis für das moderne Lebensgefühl zu signalisieren, einen Facebook-Account eingerichtet, ist aber dann wegen diverser Terminstaus nicht weiter in die Tiefen der Profilfragebögen eingestiegen und hat auch kein Foto. Trotz dieser maximalen Darstellungs-Langeweile hat er nach zwei Tagen 72 Freunde, ohne einen einzigen Freundschaftsantrag verschickt zu haben. Denn die Belegschaft steht vor seiner virtuellen Tür natürlich Schlange und bemüht sich mit Hilfe aufmerksamer Pinnwandeinträge darum, geistreich zu erscheinen.

Wenn der Chef einmal im Monat unter großem Aufwand eine Statusmeldung verfasst, wird diese reflexhaft und sofort von allen für gut befunden. Besonders Karrierewillige lassen sich dabei sogar zu dem Kommentar "Haha, sehr treffend ausgedrückt" hinreißen. Was natürlich zu Klassenkeile im Großraumbüro führt.

Typische Statuszeile

Lese gerade die FTD und überlege: Wer hat noch mal schwarz-gelb gewählt?

Im Fotoalbum

Nichts. Oder aber ein verstörendes Bild, das ihn jenseits aller Anzüge und Frisuren beim Skiurlaub zeigt.

Wer sind die Freunde?

Alle, die in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis zu ihm stehen - und auch ein paar hohe Tiere von der Konkurrenz plus zweieinhalb Promis.

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Quelle: Grafik: Katharina Bitzl

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Der Witzbold

Daran erkennt man ihn

Mangels nennenswerter eigener Erlebnisse oder gar Gedanken hat er es sich zur Aufgabe gemacht, in der Community großräumig für Unterhaltung und Heiterkeit zu sorgen. Schließlich läuft das Facebook-Publikum nicht weg - wie auch? - und lässt ihm vor allem genug Zeit. Die braucht er auch, denn im wahren Leben ist er das genaue Gegenteil von schlagfertig.

Jetzt aber postet er mit großem Eifer von ihm entdeckte extrem witzige Werbeschilder, YouTube-Videos mit lustig stolpernden Giraffen und seine höchsteigenen und immer sehr gut abgehangenen Pointen und Wortspiele. Sein Finderlohn sind die gedrückten "Gefällt mir"-Buttons der anderen. Schließlich besagt eine alte Facebook-Regel: Irgendeinem Dummschädel gefällt's immer. Im Zweifelsfall der gut vernetzen Klette - siehe oben.

Typische Statuszeile

Ganz Deutschland ist empört: Die Banker-Boni steigen nur um fünf Euro!

Im Fotoalbum

Ein ironisches Passfoto von sich, gerne auch ein Kinderbild, ein Look-a-like-Promi und natürlich jede Menge falsch übersetzter Speisekarten von seinem letzten Italienurlaub.

Wer sind die Freunde?

Mehrheitlich Menschen, neben denen er in der Grundschule saß.

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Quelle: Grafik: Katharina Bitzl

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Die ewige Spielerin

Daran erkennt man sie

Das einzige Lebenszeichen ihrer Facebook-Existenz kommt gar nicht von ihr, sondern von der Spielsoftware, der sie aktuell verfallen ist. Sie hat bei Farmville Gutshäuser errichtet und verwaltet virtuelle Landstriche von der Größe Perus. Für normale Statutsmeldungen hat sie keine Zeit und auch keinen Bedarf, schließlich sitzt sie ja nun mal nur am Computer.

Wie gut, dass die Spiele ihre dortigen Erfolge automatisch vermelden und alle Freunde über ihre Fortschritte beim Stallbau oder einen geknackten Highscore informiert werden. Wenn die Spielerin sich von Farmville und Co. ausruht, probiert sie jeden der herumschwirrenden Nonsens-Psychotests aus und verstreut die dort entstandenen Ergebnisse sehr uneitel auf die Startseiten ihrer Freunde. Auch wenn das Ergebnis lautet, dass sie etwa den Sexappeal einer Umfahrungsstraße besitzt.

Typische Statuszeile

Oh no...a lonely black sheep...

Im Fotoalbum

Nichtssagende unscharfe Handy-Anorak-Fotos.

Wer sind die Freunde?

Highscore-Anwärter aus allen anderen Erdteilen. Leute, die Rat in Sachen Highscore suchen. Und Leute, die Rat in Sachen Highscore geben.

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Quelle: Grafik: Katharina Bitzl

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Die fast stumme Karteileiche

Daran erkennt man sie

Karteileichen stellen den Großteil der Facebook-Bevölkerung dar. Dahinter verbergen sich einst hoffnungsvoll gestartete Facebook-Existenzen, die nach ein paar Wochen oder Monaten feststellen mussten:

Der Druck, täglich über nicht vorhandene Ereignisse Rechenschaft ablegen zu müssen, gefährdet die eigene Seelenruhe doch enorm. Es wird einfach alles zuviel. In den Profilen der Karteileichen finden sich säuberlich datiert die letzten Einträge von vor vier Monaten und dann noch zwei verirrte Geburtstagsglückwünsche, auf die erkennbar nicht reagiert wurde.

Nur sporadisch loggt sich die Karteileiche noch ein, um sogleich wieder unter der in der Zwischenzeit produzierten Masse an Statutszeilen ihrer falschen Freunde zusammenzubrechen. Nicht ausgeschlossen ist allerdings, dass sie eines Tages bei einem dieser Rückfälle zu einem der anderen Facebook-Typen mutiert.

Typische Statuszeile

Suche bezahlbare 2-Zimmer-Wohnung in Haidhausen/Schwabing/Westend. Am liebsten mit Balkon und Fenster im Bad. Vielleicht hat ja hier irgendjemand irgendwas gehört?

In ihrem Fotoalbum

Bilder vom letzten WM-Finale in irgendeiner Kneipe.

Wer sind die Freunde?

Menschen wie du und ich.

Lesen Sie hierzu Berichte in der Süddeutschen Zeitung.

© SZ vom 02.10.2010/joku
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