Soziale App:Facebook kauft App für anonyme Komplimente

Soziale App: Das Logo der Facebook-App.

Das Logo der Facebook-App.

(Foto: AP)
  • Facebook übernimmt die App TBH - für wohl weniger als 100 Millionen US-Dollar.
  • Die App, in der sich Nutzer anonym Komplimente machen können, stürmte seit ihrem Start in August die App-Charts in den USA.
  • TBH will verhindern, dass die App für Mobbing missbraucht wird, so wie es bei ähnlichen Apps passiert ist.

Von Caspar von Au und Marvin Strathmann

Wer hat das schönste Lächeln? Wer plant die besten Partys? Wer sagt immer genau das Richtige und zum richtigen Zeitpunkt? In der App TBH können Nutzer sagen, auf welchen ihrer Freunde das am besten zutrifft. Nach dem Multiple-Choice-Format werden vier zufällige Freunde vorgeschlagen. Die Abkürzung TBH steht für to be honest, frei übersetzt "ehrlich gesagt". Zielgruppe der App sind Teenager.

Offenbar ein Erfolgsrezept: In den neun Wochen, seit es die App gibt, wurde sie rund fünf Millionen Mal runtergeladen, 2,5 Millionen Menschen nutzen die App täglich, eine Milliarde Fragen haben sie beantwortet. TBH funktioniert derzeit nur auf Apple-Geräten und nur in Teilen der USA. Trotzdem überholte die kostenlose App Ende September Konkurrenten wie Instagram, Youtube und Whatsapp bei den Downloads, jetzt steht sie auf Rang zehn.

Nun hat Facebook angekündigt, die App zu übernehmen - nach Informationen des Tech-Portals Techcrunch für weniger als 100 Millionen Dollar. Das scheint eine sehr lukrative Investition für das Unternehmen zu sein. Auch wenn sich nach Aussagen der Entwickler für die TBH-Nutzung nichts ändern soll, die App funktioniert weiterhin unabhängig von Facebook, hat das Unternehmen so einen wichtigen Schritt in Richtung Zielgruppe der Teenager gemacht. Bislang hatte Facebook Probleme, erfolgreiche Apps für jüngere Nutzer auf den Markt zu bringen. Apps wie Lifestage und Slingshot haben sich nie durchgesetzt. Einer Studie des Marktforschungsunternehmens E-Markete zufolge werden in den USA 2017 erstmals weniger 12- bis 17-Jährige Facebook nutzen als im Vorjahr.

Ähnliche Apps haben mit Cybermobbing zu kämpfen

Die App TBH folgt einem Trend. In den vergangenen Monaten stürmten mehrere Apps die Stores von Apple und Google, die einfaches, anonymes Feedback versprechen. In englischsprachigen Ländern und im Nahen Osten hat sich Sarahah durchgesetzt. Über die App aus Saudi-Arabien haben die Nutzer gut 300 Millionen anonyme Nachrichten verschickt. In Deutschland ist Tellonym erfolgreich. Nach Angaben der Entwickler hat die App sechs Millionen aktive Nutzer im Monat, jeden Tag verschicken etwa 300 000 bis 500 000 Menschen anonyme Nachrichten.

Das Prinzip der anonymen Messenger und Bewertungsapps für Menschen ist umstritten: Schüler und Studenten haben sich in der App Yik Yak wüst beschimpft, und die App Peeple zog schon vor dem Start Kritik auf sich, weil Nutzer andere Menschen mit Sternen bewerten sollten - wie ein Restaurant. Als Peeple kam, verschwand das Feature und die App in die Bedeutungslosigkeit.

Auch die deutsche App Tellonym hat mit Mobbing zu kämpfen: "Das ist tatsächlich ein Problem, da kommt man nicht drum herum", sagt Tellonym-Chef Maximilian Rellin. Die App ist - wie TBH - vor allem in der Schule beliebt, die meisten tauschen Nachrichten aus. Der Großteil der Nutzer sind Mädchen zwischen 13 und 19 Jahren, knapp jeder dritte Nutzer ist männlich. Zwar bestehen viele Nachrichten aus dem, was Jugendliche halt so schreiben: "Dein Outfit jeden Tag perfekt" oder "i hob di lieeeb" garniert mit Herzchen-Emojis.

Das Ziel: die Gesundheit von Millionen Teenagern verbessern

Es gibt aber auch Nachrichten wie: "Voll die dreckige hvre". Manche Wörter werden von Tellonym durch Sternchen ersetzt, daher müssen die Absender die Rechtschreibung verbiegen, um andere zu beleidigen. Tellonym-Nutzer können die erhaltenen Nachrichten löschen oder melden. Pro Tag schauen sich die Entwickler nach eigenen Angaben 500 gemeldete Nachrichten an. Darunter seien zwei bis drei Mobbingfälle. Etwa 60 Prozent der 500 Nachrichten würden gelöscht. Die Entwickler überlegen, Schulen zu besuchen und über das Problem zu reden.

In TBH soll nur positive Interaktion möglich sein. Dazu schränkt die App die Möglichkeiten der Nutzer ein: Sie können nur die vorgegebenen, positiv formulierten Fragen beantworten - maximal zwölf pro Stunde. Wird man selbst als "derjenige mit dem schönsten Lächeln" oder "bester Party-Planer" ausgewählt, wird der Nutzer benachrichtigt. Die App verrät Geschlecht und Jahrgangsstufe des Komplimentgebers, der Rest bleibt anonym. Der Nutzer kann ihn aber kontaktieren und der Komplimentgeber sich zu erkennen geben - freiwillig. Das Ziel der TBH-Entwickler ist ambitioniert: "Wenn wir es schaffen, die geistige Gesundheit von Millionen von Teenagern zu verbessern, ist das ein Erfolg für uns", sagte Mitgründerin Nikita Bier im Interview zu Techcrunch.

Facebook soll, so die Entwickler, diese Vision weiterentwickeln und sie noch mehr Menschen zur Verfügung stellen. Das vierköpfige Gründerteam arbeitet nun für das Unternehmen. Für Facebook bietet sich die Chance, nach Facebook, Whatsapp und Instagram ein weiteres Milliardennetzwerk zu spinnen.

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