Social Games:Das Leben ist ein Bauernhof

Das Internet wird von leidenschaftlichen Hobbybauern bevölkert. Seit Jahren sind Social Games, die das Bauerntum glorifizieren, populär. Letztendlich sind diese Spiele nichts anderes als moderne Gesellschaftsspiele.

Pascal Paukner

My Little Farmies von Upjers

Glorifizierung des Bauerntums: Das Social Game My Little Farmies des Bamberger Unternehmens Upjers.

(Foto: Upjers)

Es gehört zu den selten diskutierten, aber folgenreichen Wahrheiten, dass das Internet von Millionen leidenschaftlichen Hobbybauern bevölkert wird. Weizen, Erdbeeren, Rhabarber - es existiert kaum eine Nutzpflanze, deren Fortbestand im Netz nicht viele Freizeitlandwirte in akribischer Kleinarbeit sichern. Sie pflügen den Boden, bringen die Saat aus, begutachten das Wachstum, fahren die Ernte ein und machen bei all dieser Arbeit nicht mehr als den Zeigefinger krumm. Computerspiele, die das Bauerntum glorifizieren, sind seit Jahren der Renner im Netz.

16 Millionen Stunden verbringen Menschen weltweit angeblich täglich mit Farmville, dem noch immer populärsten der digitalen Landwirtschaftsspiele. 70 Millionen aktive Nutzer hatte Farmville in Spitzenzeiten. Mittlerweile sind es weniger. Denn das Spiel hat eine Fortsetzung bekommen, Konkurrenten haben als Reaktion auf den riesigen Erfolg zudem ähnliche Onlinespiele ins Angebot genommen. Der Markt ist unübersichtlicher geworden, das Phänomen bleibt - auch deshalb, weil Spiele wie Farmville stellvertretend für einen ganz neuen Spieletypus stehen.

Vorbei sind die Zeiten, in denen Computerspieler sich allein zu Hause durch Fantasiewelten bewegten. Vorbei sind auch die Zeiten, in denen Jugendliche kiloschwere Rechner und Röhrenmonitore durch die Gegend schleppen mussten, um sich für wenige Stunden auf Lan-Partys mit ihren Freunden messen zu können. Das Internet hat die Welt so vernetzt, dass theoretisch jeder gegen jeden am Computer spielen kann. Ungeachtet räumlicher Barrieren. Diesen Umstand nutzen die digitalen Bauernhof-Imitatoren und erfinden Spiele, die grundsätzlich auf Interaktion mit Freunden und Bekannten angelegt sind: Social Games.

Social Games sind Gesellschaftsspiele

Farmville oder einen seiner Klone spielen, das heißt in den meisten Fällen gegen Freunde und Bekannte spielen. Aufgaben lassen sich oftmals nur dann effizient erledigen, wenn Freunde mit von der Partie sind. Letztlich ist es eine Form des Gesellschaftsspiels, wenngleich die Gesellschaft nicht in einer örtlichen und auch nicht zwangsläufig in einer zeitlichen Nähe besteht, sondern in einer sozialen.

Damit unter diesen Vorzeichen die Wahrscheinlichkeit steigt, einen geeigneten Spielpartner im eigenen Bekanntenkreis zu finden, setzen viele Unternehmen auf bestehende soziale Netzwerke. Facebook - und eingeschränkt auch Google Plus - bieten Spieleentwicklern die Möglichkeit, ihre Produkte Millionen Menschen zur Verfügung zu stellen. Ohne dass dafür Ausgaben für Marketing notwendig wären. Mehr als die Hälfte der eine Milliarde Facebook-Nutzer spielt laut eigenen Angaben Social Games. Spiele werden so schneller populär und können durch Netzwerkeffekte ein Millionenpublikum erreichen. Gleichzeitig begeben sich die Spieleproduzenten aber auch in eine besondere Abhängigkeit von Firmenchefs wie Mark Zuckerberg.

Zynga - Farmville 2

16 Millionen Stunden verbringen Menschen weltweit angeblich täglich mit Farmville, dem noch immer populärsten der digitalen Landwirtschaftsspiele. Inzwischen hat Zynga eine Fortsetzung des Spiels programmieren lassen: Farmville 2.

(Foto: dpa)

Es sind Abhängigkeiten, wie man sie in Franken nicht mag. Das in Bamberg ansässige Entwicklerstudio Upjers verbreitet seine Social Games daher auf zwei Plattformen: Auf Facebook und auch auf einer eigenen Community-Plattform. Das Konzept scheint aufzugehen: Das vor sechs Jahren gegründete Unternehmen beschäftigt heute fast 100 Personen, hat laut eigenen Angaben weltweit 28 Social Games im Live-Betrieb und verzeichnet 45 Millionen registrierte Benutzer. Wie viele davon tatsächlich aktiv sind, verschweigt die Firma und verweist auf stark schwankende Zahlen. Man habe aber eine aktive eigene Community, wird versichert. Die Unabhängigkeit von Facebook wisse man zu schätzen.

Finanziert wurde der Boom über Werbung und Premium-Angebote

Upjers ist mit seinem Erfolg kein Einzelfall. In den vergangenen Jahren sind Unternehmen wie Zynga, Wooga, King.com, Supercell oder Nordeus rasant gewachsen, im Eiltempo haben die Anbieter der Social Games Millionen Nutzer generiert. Wie nachhaltig eine solche Wachstumsexplosion sein kann, wird sich zeigen. Bislang waren die meisten Social Games Billigproduktionen. Eben so schnell wie Spieler da waren, waren sie oftmals auch wieder weg. Finanziert wurde der Boom entweder über Werbeeinblendungen oder über den Zukauf virtueller Güter im Spiel.

Fast drei Milliarden Euro haben Nutzer 2011 weltweit für virtuelle Güter in Social Games ausgegeben. Ein wachsender Markt, auf dem sowohl große Computerspiel-Publisher wie Electronic Arts (EA) aktiv sind, etwa mit der Umsetzung von Spieleklassikern wie Monopoly, aber auch klassische Spielehersteller wie Ravensburger. Mit der verstärkten Konkurrenz könnte, so die Hoffnung vieler Spieler, die Qualität der Produkte wieder steigen.

Upjers indes plant vorerst keine Qualitätsoffensive. Eine Bauernhof-Simulation hat das oberfränkische Unternehmen bereits im Produktportfolio. Zwei weitere befinden sich in der Testphase. Die Zahl der Freizeit-Landwirte dürfte weiter steigen.

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