Smartphones:Microsoft öffnet Windows für Android- und iPhone-Apps

Satya Nadella Microsoft Windows 10 Continuum

Microsoft-Chef Satya Nadella auf der "Build"-Entwicklerkonferenz.

(Foto: Jeff Chiu/AP)
  • Microsoft will Windows 10 für Android- und iOS-Apps öffnen.
  • Der Schritt gilt als weiterer Baustein für die neue "Plattform"-Strategie.
  • Der US-Konzern präsentiert zudem seinen neuen Browser und weitere Funktionen von Windows 10.

Von Johannes Kuhn, San Francisco

Die Hölle friert zu; das Oktoberfest wird alkoholfrei; Günther Oettinger steht für eine moderne Internet-Politik. Noch vor kurzem hätten all diese Szenarien wahrscheinlicher geklungen als das, was Microsoft nun angekündigt hat: Android- und iOS-Apps sollen künftig auf Windows funktionieren.

Genauer gesagt auf dem bereits angekündigten Betriebssystem Windows 10, wie Microsoft-Chef Satya Nadella auf der hauseigenen Entwicklerkonferenz in San Francisco erklärte. Seine Botschaft im gängigen Tech-Marketingsprech: "Windows 10 ist nicht nur ein neue Version, sondern eine neue Generation von Windows."

Schon vor einigen Monaten hatte Microsoft erklärt, in Windows 10 seine bislang getrennten Betriebssysteme für Smartphones und Desktop-Computer zu vereinigen. Nun versucht das Unternehmen, die entscheidende Schwäche seines bisherigen Mobil-Systems Windows Phone zu beheben: Der App-Store ist so leer wie die Münchner Leopoldstraße, wenn der FC Bayern an einem Sonntagabend ohne eigenes Zutun Meister wird.

Brücke zwischen Windows und der Außenwelt

Ein leerer App-Store signalisiert Kunden, dass sie keine Auswahl haben; ausbleibende Kunden signalisieren Entwicklern, ihre Software besser für gängige Betriebssysteme zu entwickeln - Android und iOS. In einer Welt der mobilen Endgeräte sahen deshalb viele Analysten Microsoft bereits auf dem Weg, zum Hamburger SV unter den Internet-Riesen zu werden. Der teure Kauf von Nokias chronisch defizitärer Handy-Sparte entspricht dabei dem Transfer des alternden Mittelfeldstrategen Rafael van der Vaart nach Hamburg.

Doch zurück zur Gegenwart: Microsoft will nun eine "Brücke" zwischen Windows und den dominierenden Mobil-Systemen bauen. Die Entwickler sollen einen großen Teil der Code-Basis einfach übernehmen können und somit ohne größeren Aufwand die Apps in Windows quasi "übersetzen".

Wer künftig ein Windows-Smartphone oder -Tablet kauft, kann also nicht einfach den iTunes-Store aufrufen, sondern findet - im Idealfall - einfach eine größere Auswahl an Apps unter Windows. Den mobilen Software-Produzenten wiederum winkt die Aussicht, mit geräteübergreifenden Anwendungen in Windows 10 plötzlich auch für Desktop-Nutzer interessant zu werden.

App-Übersetzung - nichts Neues?

Bereits heute ist es üblich, Apps auf verschiedene mobile Betriebssysteme zu übersetzen ("portieren"). Vor allem Entwickler mit geringem Budget ziehen dies der aufwändigen Neuprogrammierung vor, allerdings gelten solche Anpassungen häufig als unsauber, da sich die Betriebssysteme gerade bei Kleinigkeiten stark unterscheiden. Microsoft verspricht, die Detail-Anpassung so zu vereinfachen, dass dafür nur wenige Zeilen Code notwendig sind und der Rest einfach übernommen oder (bei Android) in einem Subsystem ausgeführt werden kann.

Plattform statt Universum

Nadellas Strategie unterscheidet sich damit immer deutlicher von der seines Vorgängers Steve Ballmer, der verzweifelt versuchte, das abgeschlossene Windows-Universum in seiner alten Form zu bewahren. Nadella sieht Microsoft dagegen als durchlässigeren "Plattform"-Konzern: Windows steht zwar immer noch im Zentrum, aber ebenso wichtig sind inzwischen Cloud-Angebote wie Azure oder Office 365, die Microsoft im Abo verkauft und die über unterschiedliche Betriebssysteme hinweg reibungslos funktionieren müssen, um attraktiv zu sein.

Passend dazu veröffentlicht das Unternehmen mit "Visual Studio Code" einen Programmier-Editor für Internet-Anwendungen, der neben Windows auch Mac und Linux unterstützt; auch die Software-Umgebung ".Net" wird nun auf den beiden Fremd-Plattformen laufen.

Noch ist schwer abzusehen, ob sich die neue Strategie auszahlt, zumal die Einnahmen aus dem ehemals florierenden Desktop-Geschäft kontinuierlich sinken. Am Ende gibt das Interesse von Software-Entwicklern und Kunden - vor allem aus dem Firmen-Segment - den Ausschlag: Zwei Zielgruppen, die derzeit zwischen sehr vielen Angeboten wählen können.

Zumindest schreckt das "neue" Microsoft nicht vor großen Ambitionen zurück. Windows-Chef Terry Myerson kündigte an, Windows 10 innerhalb von drei Jahren auf eine Milliarde Geräte bringen zu wollen.

Was Microsoft noch vorstellte

A man gestures while wearing a device featuring Windows Holographic technology at Microsoft Build in San Francisco

Microsofts Datenbrille HoloLens funktioniert ohne Anbindung an ein anderes Gerät.

(Foto: REUTERS)
  • Edge: Der Nachfolger des Internet Explorer heißt "Edge", Microsoft stellte das bekannt anmutende Logo (siehe Tweet) und einige Funktionen vor, zum Beispiel die Integration des digitalen Assistenten Cortana oder die Möglichkeit, Notizen auf Webseiten anzufertigen. Entwickler sollen Erweiterungen für Firefox und Chrome einfach anpassen und übernehmen können.
  • Continuum: Smartphones und Tablets können sich unter Windows 10 drahtlos mit Maus, Tastatur und Monitor verbinden. Diese Funktion macht die Mobilgeräte faktisch zu PCs, was gerade Geschäftskunden ansprechen soll, die unterwegs eine ordentliche Arbeitsumgebung benötigen.
  • HoloLens: Neue Demos zur Augmented-Reality-Brille zeigen Anwendungen für Architekten und Medizinstudenten, die die menschliche Anatomie nun an einem Hologramm studieren können sollen. Zudem setzt Microsoft auf Heimanwendungen, in denen sich virtuelle Bildschirme entlang der Wohnzimmerwand gruppieren lassen.
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