Smartphones:Immer das neueste iPhone? Muss nicht sein

Samsung Introduces New Galaxy Note 8

Samsung stellt das Galaxy Note 8 vor. Die Hardware-Events der Tech-Konzerne gleichen Gottesdiensten.

(Foto: Drew Angerer/AFP)
  • Der technische Fortschritt bei Smartphones hat sich verlangsamt, echte Innovationen sind selten geworden.
  • Moderne Luxus-Smartphones kosten mittlerweile mehr als 1000 Euro.
  • Objektiv betrachtet ist das keine sinnvolle Investition. Geräte der Vorgängergenerationen sind immer noch leistungsfähig.

Von Helmut Martin-Jung

Die Superlative können gar nicht hoch genug gegriffen sein, die Materialien edel und natürlich die Preise dementsprechend hoch - wenn die Hersteller nun in der beginnenden Vorweihnachtszeit neue Smartphones auf den Markt werfen, müssen sie ja einen Grund bieten, die Vorgängermodelle zugunsten eines neuen aufzugeben. Denn technisch gesehen tut sich längst nicht mehr so viel wie in der Anfangszeit der Smartphones.

Der Aufwand, noch die letzten Zehntelmillimeter herauszuholen, wird immer größer und führt auch dazu, dass die Handys reparaturunfreundlicher werden. Eigentlich wäre es an der Zeit, die schmucken Geräte so auszulegen, dass man zum Beispiel ihre größte Schwachstelle, den Akku, leichter tauschen könnte als bei den verklebten Glas-Metall-Kunstwerken von heute. Doch die Hersteller wollen ja verkaufen, also wird der Trend wohl weitergehen, so lange, bis der Fortschritt wirklich nicht mehr zu erkennen ist.

Fortschritt gibt es natürlich, am sichtbarsten bei den Kameras. Das Einzige, das Kompaktkameras ihren miniaturisierten Brüdern in den Smartphones noch voraushaben, ist die oft vorhandene Möglichkeit zum optischen Zoom. Bei Smartphones ist das höchste der Gefühle derzeit ein optischer Zweifach-Zoom. Wer mehr will, muss beim elektronischen Zoomen einen Verlust an Auflösung hinnehmen, einen Aufsatz verwenden oder eben eine richtige Digitalkamera.

Der größte Akkufresser ist das Display

Durch Fortschritte bei der Fertigungstechnik und beim Design werden auch die Rechnerherzen der Smartphones immer schneller. Heutige Spitzenmodelle sind so schnell wie es ein ausgewachsener Laptop vor einigen Jahren. Und dabei um Größenordnungen sparsamer. Weil gleichzeitig aber die Bildschirme immer größer werden und eine höhere Auflösung bieten, müssen die meisten Schlautelefone abends doch ans Ladegerät, je nachdem, wie intensiv man es verwendet.

Größter Energieverbraucher ist in aller Regel der Bildschirm. Immerhin bieten die meisten Modelle zweierlei Abhilfe: Sie lassen sich mit den mitgelieferten Ladegeräten in kurzer Zeit nahezu voll wieder aufladen. Und viele - inzwischen sogar Apple - unterstützen drahtloses Laden. Das funktioniert zwar ziemlich langsam, doch reicht es, das Handy auf eine der Matten zu legen, und der Ladevorgang startet automatisch. Bequemer geht es nicht.

Wichtigster Designtrend derzeit sind Bildschirme fast ohne Rand. So können zwar mehr Inhalte auf dem Schirm dargestellt werden. Doch weil es noch keinem Unternehmen bisher gelungen ist, einen Fingerabdrucksensor zu entwickeln, der als Bestandteil des Bildschirms funktioniert, wurde diese bequeme und auch relativ sichere Entsperr-Methode von den meisten auf die Rückseite des Telefons verbannt, wo sie nicht ganz so bequem erreichbar ist. Apple hat sie daher bei seinem iPhone X gleich ganz abgeschafft und durch eine aufwendige Gesichtserkennung ersetzt.

Wer Geld sparen will, kann getrost ein Vorgängermodell kaufen

Bei Betriebssystemen gibt es quasi bloß noch Apple (iOS) und Google (Android). Leider doktern viele Hersteller am Original-Android herum. Das verbessert es oft nicht besonders, verzögert aber Updates. Einige der hochwertigen Smartphones zeigen sehr hohe Bildschirmauflösungen an. Das macht sich zwar gut auf dem Datenblatt, ist aber in der Praxis nur dann relevant, wenn man das Smartphone in eine VR-Brille stecken will. Da macht sich die höhere Auflösung dann deutlich bemerkbar. Im normalen Einsatz aber steigert sie eigentlich nur den Energieverbrauch. In den Einstellungen lässt sich die Auflösung aber geringer einstellen und so Akkuleistung sparen.

Auf dem Smartphone, für viele ohnehin schon die Fernbedienung des Lebens, spielen auch digitale Assistenten eine immer größere Rolle. Vorausgesetzt, man gibt den Unternehmen sehr viele persönliche Daten preis, versuchen die einem in nahezu allen Lebenslagen zur Seite zu stehen. Das reicht von Übersetzungsdiensten über Informationen zur Verkehrslage auf dem Weg von und zur Arbeit bis hin zu Tipps für Gesundheit und Fitness. Angesichts der Vielzahl an Daten, die dabei aber abgefragt werden, muss jeder für sich abwägen, wie gläsern er sein will.

Objektiv betrachtet ist keines der Neuen ein Muss, wenn man ein Gerät der Vorgängergeneration - oder je nach Bedürfnissen auch ein älteres - besitzt. Deshalb kann man auch in diesem Jahr raten: Wer viel Geld sparen will und keines der in vielen Bereichen doch ziemlich abgespeckten Mittelklasse- oder Einsteiger-Geräte haben will, wartet entweder einige Monate oder aber er kauft ein Modell der Vorgänger-Generation.

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