Smartphones als Geldbörse:Zukunft des Zahlens

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Apple-Chef Tim Cook spricht über den neuen Bezahldienst während der iPhone-Präsentation Anfang September. (Foto: Stephen Lam/Reuters)

Apples iPhone 6 besitzt einen NFC-Funkchip - und könnte damit das alte Portemonnaie überflüssig machen. Bargeld, EC-, Kreditkarte, Smartphone: Der Kampf um den Kunden ist in vollem Gang.

Von Harald Freiberger, Frankfurt

Es war ein kleiner Schritt für Apple, aber möglicherweise ein großer für die einkaufende Menschheit: Als der amerikanische Wunderkonzern sein iPhone 6 vorstellte, war klar, dass es auch einen kleinen NFC-Funkchip in seinem Innern trägt - und damit das Bezahlen entscheidend verändern könnte. Wer im Laden einkauft, so die Vision, hält künftig einfach sein Smartphone in die Nähe eines Lesegeräts, dann wird der Betrag automatisch vom Konto abgebucht. Der Sicherheitscheck läuft per Fingerabdruck auf dem Display. Wer einkauft, braucht also kein Bargeld mehr und auch keine Karte.

Einige Beobachter werten Apples Vorstoß als Durchbruch. "Ich bin überzeugt, dass das kontaktlose Bezahlen Münzen und Scheine in 15 bis 20 Jahren weitgehend abgelöst haben wird", sagt Ulrich Dietz, Chef des IT-Dienstleisters GFT. Sein Unternehmen entwickelt mit 3000 Mitarbeitern in elf Ländern unter anderem Bezahl-Software für Banken. Gerade in Europa werde es zwar weiter Traditionalisten geben, die sich dem Trend verweigern, so wie die Liebhaber der Vinyl-Schallplatte. "Das ist dann aber nur noch eine kleine Minderheit", ist Dietz überzeugt.

"Apple hat mit seinem Zahlungssystem keine große Innovation vorgestellt", sagt Oliver Hommel, Zahlungsverkehrsexperte beim Beratungsunternehmen Accenture. Der Konzern kooperiert mit den Kreditkartenkonzernen Mastercard, Visa und American Express und nutzt deren Infrastruktur. Auch den NFC-Chip, der die Zahlungsdaten über sehr kurze Distanzen hinweg überträgt, gibt es schon länger. Unternehmen wie Google, Mastercard oder Visa verwenden ihn für ihre elektronischen Geldbörsen. Und auch Banken und Sparkassen in Deutschland haben einen Feldversuch mit dem Chip gemacht, der sich "girogo" nannte.

Zudem wird das Bezahlen mit dem iPhone erst einmal nur in den USA möglich sein. Dort ist der Markt fest in der Hand der Kreditkartenunternehmen und deshalb leichter zu durchdringen. Europa dagegen ist zerklüftet, es gibt in jedem Land andere Systeme. In Deutschland etwa wird immer noch überwiegend bar bezahlt, bei den Karten dominieren die Banken mit ihrem Girocard-System, vielen immer noch als EC bekannt. Kreditkarten spielen nur eine marginale Rolle. Solche Besonderheiten werden es Apple erschweren, sein System schnell durchzusetzen. Trotzdem: "Weil das Unternehmen bereits mit dem iPhone, dem iPad oder Diensten wie iTunes bei den Kunden voll ins Schwarze getroffen hat, ist ihm zuzutrauen, dass es auch Mobile Payment in Deutschland aus der Nische herausführt", sagt IT-Dienstleister Dietz.

Biometrische Erkennung soll die Sicherheit beim Bezahlen garantieren

Die Einführung des NFC-Chips lief in Deutschland bisher eher zäh. "girogo" wird nur von den Sparkassen weiterverfolgt, die anderen Institute wollen etwas Eigenes entwickeln. Von den 800 000 Karten-Terminals im Handel sind nur 50 000 NFC-fähig. Doch die Entwicklung geht zügig: Mastercard will, dass bis 2018 alle Terminals im Handel NFC-fähig sind. Apples Entscheidung für NFC dürfte nun dazu führen, dass sich die Technik als Standard durchsetzt. "Es wird schwierig sein, auch in Deutschland etwas komplett anderes zu machen", sagt Berater Hommel.

Damit wird das Smartphone über kurz oder lang zum virtuellen Portemonnaie: "Die heute üblichen Plastikkarten werden verschwinden und in mobile Endgeräte integriert sein", sagt Dietz. Das hohe Innovationstempo könne aber auch dazu führen, dass Uhren oder Brillen als Zahlungsträger dienen. Sicher ist sich Dietz zudem, dass die Zeiten von Geheimnummer, Pin und Tan zu Ende gehen. Die Zukunft gehöre biometrischen Sicherheitsverfahren, wie es Apple mit dem Fingerabdruck vormacht. Weitere Möglichkeiten sind Sprach- und Iris-Erkennung.

Die Zukunft des Zahlens spielt sich aber nicht nur an der Ladenkasse ab. Immer wichtiger wird das direkte Bezahlen zwischen Händler und Kunde im Internet. Anbieter wie Paypal machen traditionellen Dienstleistern wie Banken und Kreditkartenfirmen mit unkomplizierten Lösungen das Leben schwer. Bei Paypal registriert sich der Kunde einmalig, danach kann er einfach über E-Mail-Adresse und Passwort Geld überweisen. Die deutschen Banken entwickeln gerade ein Online-Bezahlsystem, um dieser Konkurrenz zu begegnen. Es wird auf bestehenden Sicherheitssystemen im Onlinebanking aufsetzen, zum Beispiel mTan, iTan oder Tan-Generator. "Die Herausforderung wird sein, dabei Sicherheit und Kundenfreundlichkeit zu verbinden" sagt Experte Hommel. Paypal sei sehr unsicher, da ein gehacktes Passwort eine Serie betrügerischer Überweisungen möglich mache. Im Onlinebanking geht es langsamer, man braucht für jeden Bezahlvorgang eine Transaktionsnummer. Das ist viel sicherer, aber unpraktisch. "Biometrie könnte ein Weg sein, um beides zu verbinden", sagt Hommel.

Auf Schnelligkeit kommt es in einem Bereich an, der in der Beziehung zwischen Handel und Kunden immer wichtiger wird: dem Micropayment, also begleichen kleiner Rechnungen. Es ist ein großer Trend in der Wirtschaft, dass Produkte und Dienstleistungen immer kleinteiliger und ausdifferenzierter werden.

Das war schon in der Musikindustrie zu beobachten, wo Kunden nicht mehr ganze Platten oder CDs kaufen, sondern einzelne Titel. Apple hat davon mit seinen Angebot iTunes profitiert. Auch bei anderen Medien geht die Entwicklung in diese Richtung: Filme, Spiele und Zeitungsartikel werden zunehmend einzeln bezahlt. Selbst bei Versicherungen geht der Trend weg vom Jahresvertrag. Es gibt bereits Unfallversicherungen zum Minipreis für einen Tag, die Kunden abschließen können, wenn sie zum Beispiel Skifahren gehen.

All dies stellt die Zahlungsdienstleister vor Herausforderungen. "Ein großes Thema ist, wie kleine Beträge effizient verrechnet werden können", sagt Hommel. Es werde darauf hinauslaufen, sie zu sammeln und zu bündeln. Sonst übersteigen die Kosten schnell die Einnahmen. Denn egal wie hoch der Betrag ist, im Hintergrund läuft bei jedem Bezahlvorgang immer eine gewaltige Maschinerie mit vielen Beteiligten ab, die alle ein Stück vom Kuchen abhaben wollen: Kreditkartenunternehmen, Service-Anbieter, Händlerbank, Kundenbank - und künftig auch noch Apple. Die Bezahlfunktion im iPhone lässt sich auch online und damit für Micropayment einsetzen.

Es wird darum gehen, innovative Lösungen anzubieten und die Daten sinnvoll aufzubereiten. "Schließlich wollen Kunden nicht jede einzelne Semmel auf dem Kontoauszug verbucht sehen", sagt Hommel. Es reiche, wenn die Details im Hintergrund vorhanden sind und bei Bedarf abgefragt werden können.

Ob Bezahlen an der Kasse oder im Internet, ob große oder kleine Beträge: Apple, Google, Paypal und Co. heizen den Wettbewerb mit ihrer Marktmacht auch in Deutschland gewaltig an. Banken und Sparkassen sind unter Druck. "Sie müssen sich als Einheit positionieren, um die Richtung des Zuges mitbestimmen zu können", sagt Dietz. Experte Hommel ist überzeugt, dass die Institute stärker in die Digitalisierung des Zahlungsverkehrs investieren und innovativer sein müssen als in der Vergangenheit: "Die deutsche Kreditwirtschaft wäre gut beraten, gemeinsam eine Kooperation mit Apple einzugehen."

© SZ vom 29.09.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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