"Smart Home":Intelligente Kühlschränke sind nur der Anfang

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Ein Smart Home soll Energie sparen - und wie hilft ein intelligenter Kühlschrank dabei? (Foto: chesky - Fotolia)

Energie sparen, Sicherheit für Alte - oder einfach Bequemlichkeit. Damit wollen Unternehmen wie Telekom und RWE intelligente Haustechnik verkaufen. Doch wer ein Heim baut, legt noch immer mehr Wert auf gute Fliesen als auf ein "Smart Home".

Von Mirjam Hauck

Der Kühlschrank. Immer wieder der Kühlschrank, der merken soll, wenn keine Milch mehr da ist, kein Käse und auch kein Bier mehr. Und dann ins Internet geht und alles fehlende zügig nachbestellt. Das soll "Smart Home" sein, also intelligente und vernetzte Haustechnologie.

Doch das Bild vom schlauen Kühlschrank ist Quatsch, sagt Joachim Quantz, der für die Innovationsinitiative Connected Living forscht. "Diesen Kühlschrank will niemand haben." So eine Idee entstehe, wenn bei einem Forschungsprojekt das Augenmerk vor allem darauf liege, was technisch möglich sei. Tatsächlich sind die Zahlen zu Smart Home ernüchternd. Nur drei Prozent aller Deutschen nutzen nach eine Studie des Beratungsunternehmens Accenture derzeit intelligente Haustechnik.

In fünf Jahren sollen es 35 Prozent sein. Dieses Wachstum soll zum einen von vernetzten Geräten kommen, die den Haushalt energieeffizienter und komfortabler machen wie beispielsweise eine intelligente Heizungs- oder Lichtsteuerung. Daneben wird es das größte Wachstum im Pflegebereich bei technischen Assistenzsystemen geben, ist sich Quantz sicher: "Die Alterung der Gesellschaft ist der größte Wachstumsmotor für Smart Home". Zu diesem Bereich gehören ebenso Duschen, die merken, dass jemand gestürzt ist und einen Notdienst verständigen, wie auch Sensoren in Armbändern, über die der Träger selbst einen Notruf absetzen kann.

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Umsatz soll sich in zehn Jahren verzehnfachen

Zahlen von Beratungsunternehmen stützen die These von Quantz. So prognostiziert Deloitte, dass es bis 2020 in Deutschland eine Million Smart Homes geben soll - drei Mal mehr als derzeit. Zudem sollen demnach in den kommenden zehn Jahren in jedem deutschen Haushalt 500 smarte Objekte einsetzbar sein: von der fernsteuerbaren Waschmaschine bis zum intelligenten Thermostat. Damit soll auch der Branchenumsatz steigen, auf 19 Milliarden Euro im Jahr 2025. Derzeit bewegt er sich laut Zahlen aus dem Bundeswirtschaftsministerium bei gerade mal zwei Milliarden Euro.

Die Zahl wirkt umso mehr nach, wenn man bedenkt, dass Google die Firma Nest Anfang des Jahres für 2,3 Milliarden Euro gekauft hat. Nest stellt intelligente Thermostate und Rauchmelder her. Gegründet hat die Firma der ehemalige Apple-Entwickler Tony Fadell. Seine Thermostate passen sich an die Gewohnheiten der Bewohner an. Sie senken die Temperatur, wenn keiner Zuhause ist und lassen sich vom Smartphone aus steuern. Und sie sehen fast aus wie Apple-Produkte. 40 000 Stück davon verkauft das Unternehmen monatlich.

Dieser Kauf hat die Branche elektrisiert, aber von den Erfolgszahlen von Nest sind deutsche Anbieter noch weit entfernt. Zwar arbeiten in Deutschland vor allem Branchengrößen wie die Telekom oder RWE am Thema Smart Home. So gibt es die Plattform Qivicon der Telekom, auf der Energieversorger, IT-Unternehmen und Haushaltsgerätehersteller gemeinsam Lösungen anbieten. Aber der große Durchbruch ist ihnen noch nicht gelungen. Der Markt kommt nur langsam voran.

Für Hans-Jürgen Schliepkorte, Leiter Gebäudesysteme am Fraunhofer-Institut für Mikroelektronische Schaltungen und Systeme IMS in Duisburg, liegt das vor allem daran, dass Themen wie Energieeffizienz und Pflegeassistenzsysteme potenzielle Kunden weder emotional ansprechen noch besonders sexy seien.

Ein weiteres Hindernis sind zudem die Kosten. Was technisch machbar ist, lohnt sich eben nicht immer. Erst wenn beispielsweise die alte Heizungsanlage kaputt ist, investieren Hausbesitzer in eine neue smarte und energieeffiziente Anlage, die die Heizkosten senkt. Auch bei einem Neubau spielen die Kosten eine Rolle. So liegen die Preise für ein "Smart Home" zwischen 10 000 und 30 000 Euro. Das ist laut Schliepkorte nur für die Häuslebauer interessant, deren Neubau sich im oberen Preissegment bewegt. "Wer ein Reihenhaus für 200 000 Euro baut, legt eher Wert auf gute Fliesen als auf vernetzte Haustechnik."

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Haushaltsgeräte per App steuern

Günstiger ist es, Licht und Heizung erst einmal über die Plattformen RWE Smart Home und Qivicon zu steuern. So kostet das Starterpaket von RWE derzeit 320 Euro, ähnlich liegen die Preise bei dem Telekomangebot für die verschiedenen regionalen Stromanbieter wie EnBW und Vattenfall. Per Smartphone lassen sich jeweils über eine zentrale Steuerungseinheit Heizung, Lichtschalter, Rauchmelder und Steckdosen kontrollieren.

Diese Pakete können ein Einstieg in die Smart Home Welt sein, genauso wie einzelne Geräte, die sich per Wlan oder Bluetooth steuern lassen. So gibt es LED-Glühbirnen, die nicht nur Licht machen, sondern auch als Lautsprecher fungieren können oder Kaffee-Automaten, Spülmaschinen und Zahnbürsten, die sich per App steuern lassen und jeweils Tipps für die richtige Nutzung geben.

Da ist für den Vernetzungsforscher Quantz nicht die "Killer-Applikation" darunter, die der Technologie endgültig zum Durchbruch verhelfen wird. Aber sie können eine "Einstiegsdroge" für die Nutzer sein. Denn Bequemlichkeit und Komfort sind nicht die schlechtesten Argumente.

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