Skandale um fehlenden Datenschutz:"Arbeitgeber ducken sich weg"

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Lidl, Telekom, die Bahn und jetzt die Drogeriekette Müller: Datenschützer Thilo Weichert erklärt, wie Mitarbeiter endlich vor Bespitzelung geschützt werden müssen.

Mirjam Hauck

sueddeutsche.de: Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar hat heute seinen Jahresbericht vorgestellt. Lidl, Telekom, Deutsche Bahn und jetzt die Drogeriekette Müller: Die Zahl der Skandale, bei denen Firmen ihre Mitarbeiter unzulässig bespitzeln und ausspionieren, nimmt immer weiter zu. Lernen die Unternehmen nichts dazu?

Thilo Weichert ist Leiter des Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz Schleswig-Holstein. (Foto: Foto: ULD)

Thilo Weichert: Offensichtlich fehlt vielen Firmenchefs die Einsicht, dass Datenschutz ein relevantes und zu schützendes Gut ist. Geraten die illegalen Machenschaften an die Öffentlichkeit ducken sich Unternehmenslenker wie beispielsweise Hartmut Mehdorn erst mal und diejenigen, die den Vorgang öffentlich machen, werden als Nestbeschmutzer beschimpfen.

sueddeutsche.de: Große Firmen haben meist eigene Datenschutzbeauftragte. Taugen die nichts?

Weichert: Nach außen versuchen die Firmen sich so darzustellen, als hätten sie datenschutzkonforme Strukturen. Aber intern werden die Beauftragten ausgebremst. Ich stehe zwar mit ihnen in Kontakt, aber sie haben meist überhaupt nichts zu sagen.

sueddeutsche.de: Im Dezember hat das Kabinett einen Gesetzentwurf beschlossen, der einen besseren Datenschutz sicherstellen soll.

Weichert: Ja, aber das Parlament hat ihn noch nicht verabschiedet. Und ich befürchte sogar, dass von dem ursprünglichen Entwurf nichts mehr übrig bleibt. Wirtschaftsverbände und Auskunfteien betreiben derzeit bei den Abgeordneten der großen Koalition eine massive Lobbyarbeit gegen das geplante Gesetz. Im Dezember wollte man noch das Listenprivileg abschaffen, das Unternehmen die Weitergabe von Daten erlaubt. Auch das Opt-in-Verfahren, also dass Verbraucher der Datenweitergabe zustimmen müssen, stand zur Debatte. Jetzt soll es aber immer mehr Ausnahmeregelungen geben.

sueddeutsche.de: Das Gesetz soll vor allem Verbraucher vor Missbrauch schützen. Ein eigenes Arbeitnehmerschutzgesetz gibt es derzeit nicht. Ist das ein Fehler?

Weichert: Auf jeden Fall. Nach der Bundestagswahl wird das aber sicher kommen. Innen- und Arbeitsministerium müssen da zu einer Regelung finden.

sueddeutsche.de: Im Moment kann der einzelne Arbeitnehmer sich kaum gegen die Spionage am Arbeitsplatz wehren. Hier gibt es ein großes Machtgefälle zwischen ihm und seinem Chef. Was muss sich ändern?

Weichert: Der Einsatz von Überwachungstechnologien über Internet, Mobilfunk und Festnetz muss endlich in einem Gesetz geregelt werden, genauso wie medizinische Screeningverfahren. Da Arbeitsverhältnisse auch immer Abhängigkeitsverhältnisse sind, in denen Druck ausgeübt wird, muss auch sichergestellt werden, dass nicht jede freiwillige Zustimmung des Arbeitnehmers statthaft ist. Es muss klar geregelte Verbote geben. Eine umfassende Bespitzelung der Arbeitnehmer bis hinein in den privaten Bereich darf nicht möglich sein.

Bislang muss sich ein betroffener Mitarbeiter ausschließlich an die Arbeitsgerichte wenden und sie entscheiden immer nur Einzelfälle. Viele Arbeitgeber überwachen zudem eben solange oder geben Daten einfach weiter, bis sich ein Mitarbeiter traut, gegen diese Machenschaften zu klagen.

sueddeutsche.de: Angesichts der vielen Skandale fordern Politiker wie der SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz eine eigene Datenschutzpolizei. Ist das sinnvoll?

Weichert: Ja, es muss mehr staatliche Stellen geben, die sich mit Datenschutzthemen befassen und sich auch rechtlich damit auch auskennen. Uns fehlen oft die kompetenten Gesprächspartner.

Thilo Weichert ist Leiter des Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz Schleswig-Holstein.

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