Sehnsucht nach iPad, iPhone, iPod:Mein Apfel, mein Schatz

Nicht Sucht, sondern tiefe Zuneigung: Die enge Bindung zum iPhone ist nach einer Studie mit wahrer Liebe vergleichbar. Was Coca-Cola früher war, ist Apple im 21. Jahrhundert: ein Produkt mit globaler Symbolwirkung. Vor allem stehen Apple-Produkte mit ihrer Aura der Kreativität für ein Lebensgefühl. Oder zumindest für die Sehnsucht danach.

Andrian Kreye

Normal ist das ja nicht, wie euphorisiert die Welt auf fast jede Produktvorstellung des Elektronikkonzerns Apple wartet, selbst wenn es dann doch nur das alte Gerät mit ein paar Verbesserungen ist. Der Markenexperte Martin Lindstrom hat eine neurologische Untersuchung zu diesem Phänomen angestellt. Er wollte dabei dem Kalauer nachgehen, dass iPhone-Nutzer klassisches Suchtverhalten zeigen. Das Ergebnis war erstaunlich. Es sei keine Sucht. Die enge Bindung zum Gerät sei mit wahrer Liebe vergleichbar. Das zeigten zumindest die Kernspinaufnahmen. Die Reaktion auf das Vibrieren eines iPhones war fast identisch mit den Hirnströmen angesichts eines geliebten Menschen.

Nun gibt es unzählige Firmen, die Smartphones, Tablets oder Computer herstellen. Doch der Erfolg von Apple ist eher eine kulturgeschichtliche denn eine wirtschaftliche Entwicklung. Das steuerte Firmengründer Steve Jobs schon früh. Er dachte immer erst an den Nutzer, dann ans Gerät. So bekam Apple für das 21. Jahrhundert eine Bedeutung wie Coca-Cola für das 20. Jahrhundert.

Die weltweite Verbreitung der Cola galt als Analogie für den Siegeszug der freien Marktwirtschaft und Demokratie. Das rotweiße Markenzeichen stand für Freiheit. Nur in der negativen Interpretation war es Sinnbild für die Dominanz der westlichen Konsumkultur.

Nischenprodukte der digitalen Avantgarde

Die Symbolwirkung von Apple ist inzwischen ähnlich. Das funktioniert deshalb so gut, weil Apple-Computer lange Zeit Nischenprodukte der digitalen Avantgarde waren. Dieses Vorreiter-Image wurde raffiniert gepflegt. Das begann mit dem legendären Werbespot von 1984, in dem "Blade Runner"-Regisseur Ridley Scott die ersten Apple-Computer als Mittel für den Befreiungsschlag gegen eine graue Welt der Repression und Gleichförmigkeit inszenierte, die an Orwells Roman "1984" erinnerte.

1997 lancierte Steve Jobs die "Think Different"-Kampagne, für die er nicht nur die Symbole der kulturellen Rebellion vereinnahmte, sondern auch ihre Helden. Der Werbespot zeigte Albert Einstein, Bob Dylan, Picasso und Maria Callas. Das legte den Grundstein für die Aura der Kreativität, mit der sich die Firma von nun an schmückte.

Nun sind Apple-Geräte heute längst Massenware. Für junge und jung denkende Menschen des 21. Jahrhunderts hat der angebissene Apfel des Firmenlogos jedoch eine ähnliche Bedeutung wie das Coca-Cola-Signet für die Demokraten des 20. Jahrhunderts und das Peace-Zeichen für die Generation der Hippie-Jahre. Er steht weniger für ein Produkt als für ein Lebensgefühl, oder zumindest die Sehnsucht danach.

Rebellischer Gestus

Wer Apple-Geräte benutzt, der zählt sich zu einer Elite, die aus dem Strukturwandel des 21. Jahrhunderts als Sieger hervorgeht. Es sind die Kreativen, die Innovatoren, all jene also, die sich in einer Welt der Niedriglohnjobs auf die immer schmalere Seite der Gutverdienenden schlagen. Der rebellische Gestus hat dabei längst keinen politischen oder kulturellen Kern mehr. Es geht um die Eroberung einer aufregenden neuen Welt, die mit neuen Technologien das Leben der Menschen verändern wird.

Nun war Steve Jobs kein Ideologe, sondern Geschäftsmann. Aura und Lebensgefühl sind für Apple wie für jede Marke nur Vehikel, um sich von der Konkurrenz zu unterscheiden und Kunden zu binden. Für den Digital-Kosmos ist das immer wichtiger. Nur so konnte Apple eine Produktwelt schaffen, aus der es kaum noch ein Entkommen gibt. Wer Apple-Geräte benutzt, wird bald einen Großteil seines Alltages darüber abwickeln, egal ob er kommuniziert, Musik hört oder einkauft. Mit jeder Gerätegeneration schließt sich diese Welt ein wenig mehr. Das mag die negative Interpretation eines im Ansatz freundlichen Lebensgefühls sein. Es funktioniert aber gerade deswegen so nachhaltig, weil so viele Apple-Nutzer ihre Geräte regelrecht lieben.

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