Second-Life-Gründer Rosedale:"Wir werden alles aufsaugen"

Was kommt nach dem Hype? Second-Life-Gründer Rosedale über Sprachbarrieren, das Netz der Zukunft und warum man auch in virtuellen Welten immer allein ist.

H. Martin-Jung

Das Time Magazine zählte ihn 2007 zu den 100 einflussreichsten Menschen der Welt: Philip Rosedale, 39, gründete 1999 die Firma Linden Lab, Betreiberin der virtuellen Welt Second Life. Um das Projekt ist es mittlerweile ruhiger geworden, aber Rosedale sieht in seiner Erfindung das Potential, eine Art Betriebssystem des Internets zu werden.

Second-Life-Gründer Rosedale: Second-Life-Gründer Philip Rosedale

Second-Life-Gründer Philip Rosedale

(Foto: Foto: oH)

SZ: Herr Rosedale, schön Sie zu sprechen - wenn auch nur am Telefon ...

Philip Rosedale: ... wir hätten uns natürlich auch in Second Life treffen können.

SZ: Davon hört man ja kaum noch etwas. Was ist los?

Rosedale: Nun ja, die Medien berichten kaum noch, aber die Zahl der regelmäßigen Nutzer steigt. Am Wochenende waren zum ersten Mal 71000 Leute gleichzeitig bei uns online, mehr als je zuvor.

SZ: Und was machen die dort die ganze Zeit?

Rosedale: Die Nutzer entdecken immer neue Wege, wie man die Plattform nutzen kann. Manche organisieren reale Geschäfts-Meetings, und weil sie merken, dass das gut funktioniert, nimmt das momentan stark zu.

SZ: Wäre es nicht besser, sich zum Beispiel auf diesen einen Bereich zu fokussieren anstatt irgendwie alles zuzulassen?

Rosedale: Wir könnten uns schon auf einen Aspekt konzentrieren, zum Beispiel auf Live-Musik, auch das ist ein Wachstumssektor. Aber wir würden dann auch riskieren, dass wir falsch liegen. Und die Leute begeistern sich doch vor allem für Second Life, weil es eine offene Plattform ist.

SZ: In welche Richtung glauben Sie, wird sich das alles entwickeln?

Rosedale: Ich rechne damit, dass virtuelle Welten in zehn Jahren für den größten Teil des Datenaufkommens im Internet verantwortlich sein werden..

SZ: ...inklusive des massiven Tauschbörsen-Verkehrs und riesiger Videos?

Rosedale: Wir werden dahin kommen, alle Medien der Welt aufzusaugen.

SZ: Wie bitte?

Rosedale: Noch stecken wir ganz am Anfang mit dieser Technik. Aber sobald wir eine gewisse Größe erreicht haben, wird sich zeigen, dass virtuelle Welten einfacher zu benutzen sind als das normale Internet, zum Beispiel, weil sie Sprachbarrieren überwinden.

SZ: Mit Zeichensprache? Oder wie hat man sich das vorzustellen?

Rosedale: Die Menschen sprechen zwar unterschiedliche Sprachen, verhalten sich aber gar nicht so unterschiedlich. Im normalen Web aber kommen viele dieser Leute gar nicht zusammen. Wir erfahren doch im Internet deshalb nichts über China, weil die meisten Seiten dort auf chinesisch geschrieben sind. Unsere virtuelle Welt ähnelt der physischen, und da kann man sich orientieren.

SZ: Oder sich Hilfe holen?

"Wir werden alles aufsaugen"

Rosedale: Im Web sind Sie immer allein, in einer virtuellen Welt nur selten - die Chance, Hilfe zu bekommen, ist also groß. Wenn die Technik es schafft, die Internetgemeinde zu vereinen, wird sie die Nummer eins sein. Sie wird das, was wir heute als World Wide Web kennen.

SZ: Aber wie unterhält man sich denn mit einem Chinesen, der keine Fremdsprache spricht?

Rosedale: Mittlerweile gibt es ganz gute Übersetzungshilfen für geschriebenen Text. Und irgendwann einmal wird es vielleicht auch Programme geben, die gesprochene Sprache simultan übersetzen.

SZ: Das könnten dann auch Terroristen unterschiedlicher Herkunft nutzen. Beim FBI gibt es bereits die Sorge, dass Verbrecher sich in virtuellen Welten treffen, um ihre Aktivitäten zu planen.

Rosedale: Die Idee ist zwar verwegen, aber sehr unrealistisch. In virtuellen Welten hinterlässt man mehr Spuren als in der wirklichen. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass schwere Verbrechen in Second Life geplant werden, weil es sehr wahrscheinlich ist, dass man gefasst wird.

SZ: Immer wieder hört man aber von Nutzern, die mit Schadprogrammen um ihren Besitz gebracht wurden.

Rosedale: Virtuelle Welten sind auch nicht anfälliger für Betrugsversuche als das Internet. Es gab einige Fälle, bei denen Betrüger Programme eingesetzt haben, aber das haben wir unterbunden. Was es gibt, sind Tricks, wie wir sie auch aus dem normalen Netz kennen, wo Leute mit betrügerischen E-Mails versuchen, an Passwörter zu kommen.

SZ: Über Second-Life-Zugänge wurden auch Kinderpornos getauscht.

Rosedale: Das war einer der Fälle, der schnell aufgeklärt wurde - andere Nutzer haben es gemeldet, und unsere Toleranz als "Regierung" von Second Life ist da gleich null. Wir geben die Daten solcher Nutzer an die Behörden weiter.

SZ: In Second Life kann sich jedes Kind anmelden.

Rosedale: Die Altersverifikation ist schwieriger als wir dachten. In jedem Land, in den USA sogar in jedem Bundesstaat, gelten andere Gesetze. Das ist weniger eine technische Herausforderung. Man muss sich aber auf globaler Ebene über eine Gesetzgebung verständigen und auch darüber, welche Daten die Menschen bereit sind, dafür preiszugeben.

SZ: Zahlen sollen sie ja auch noch. Was ist ihre Haupteinnahmequelle?

Rosedale: Wir verdienen immer noch das meiste Geld mit dem Vermieten von virtuellem Land. Künftig wollen wir den Leuten gegen Gebühr ermöglichen, mehrere virtuelle Welten zu nutzen, ihr Geld, ihre Sachen und ihren virtuellen Körper können sie dabei mitnehmen. Auch die Suche innerhalb von Second Life könnte durch Anzeigen ein Geschäft werden.

SZ: Warnen Sie Nutzer, bei denen Sie Muster von Onlinesucht erkennen?

Rosedale: Second Life ist ja kein Online-Spiel, also hat es nicht so den Suchteffekt. Viele Nutzer betreiben ihren Zugang geschäftlich - das können wir ja schlecht verbieten, oder? Wir würden uns auch nicht wohl dabei fühlen, die Nutzer so genau zu überwachen.

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