Galaxy Note 7:Wenn Samsungs Smartphones brennen, zittert ganz Südkorea

Weil auch Ersatzgeräte in Flammen aufgehen, gibt Samsung das Galaxy Note 7 auf. Droht Südkoreas wichtigstem Konzern das Schicksal von Nokia?

Von Christoph Neidhart, Tokio

Samsung steht wie kein anderer Konzern für den Aufstieg Südkoreas. Das Land wurde innerhalb weniger Jahrzehnte vom Empfänger zum Geber von Entwicklungshilfe. Nun steckt sein bekanntestes Unternehmen allerdings tief in der Krise. Ausgerechnet das Vorzeigeprodukt, das Galaxy Note 7, fängt Feuer. Samsung hat das Gerät, ein Smartphone mit sehr großem Bildschirm, bereits überarbeitet. Doch nachdem sich Berichte mehrten, dass auch die ausgetauschten Geräte brennen können, stellte der Konzern die Produktion des Modells am Dienstag komplett ein.

Damit hat Samsung sein neuestes und teuerstes Produkt nach wenigen Wochen aufgegeben. Das zuvor begonnene Austauschprogramm, mit dem Kunden neue Note 7 für ihre alten bekommen konnten, ist gescheitert. Das stellt die Erfolgsgeschichte des Konzerns infrage - und damit das Geschäftsmodell der südkoreanischen Volkswirtschaft.

Samsung trägt ein Fünftel zur Wirtschaftsleistung bei

Samsungs Nicht-Kommunikation ist typisch. In Südkorea heißen die Großkonzerne "Chaebol", neben Samsung gehören auch Hyundai oder LG dazu. Sie werden in der Regel noch von den Gründerfamilien kontrolliert, heute meist in der dritten Generation - und sie sind gegenüber der Presse notorisch verschlossen. Selbst Südkoreas Fachjournalisten wissen kaum, was wirklich vorgeht.

Im Fall Samsung ist bekannt, dass vorige Woche in den USA einzelne Austausch-Geräte des Note 7 Feuer fingen. Ein Brand ereignete sich vor dem Start in einer Boeing 737 von Southwest Airlines. Das Flugzeug musste evakuiert werden. Damit das Note 7 den ganzen Tag durchhält, hat Samsung seinen Lithium-Akku verdichtet. Der lädt sich auch schneller auf. Die Brände dürften mit diesem versuchten Qualitätssprung zusammenhängen. Bald nach Beginn seiner Auslieferung Mitte August fingen erste Geräte spontan Feuer. Am 2. September rief Samsung deshalb weltweit alle 2,5 Millionen bereits verkauften Note 7 zurück, um sie auszutauschen. Der Neuverkauf wurde vorübergehend gestoppt. Nun ist die Produktion endgültig eingestellt.

Samsung identifizierte die Ursache in der Batterie-Produktion der eigenen Tochterfirma SDI und verbaute fortan nur noch Akkus von Amperex, einer Tochter des japanischen TDK-Konzerns. Im Heimatmarkt Südkorea hat Samsung inzwischen 85 Prozent der 456 000 verkauften Note 7 zurückgenommen. Jeder 20. Kunde verlangte sein Geld zurück, um auf ein anderes Gerät umzusteigen. Alle andern bezogen ein neues Note 7. Wegen der Berichte über die jüngsten Brände stoppten am Wochenende die vier großen Mobilfunk-Anbieter in den USA den Verkauf des Note 7.

Das Wettrennen mit Apple erhöht den Druck auf die Mitarbeiter

Dabei waren die Ziele von Samsung so ehrgeizig. Der Konzern befindet sich seit Jahren in einem Kopf-an-Kopf-Rennen mit dem Erzrivalen Apple aus Kalifornien. Ehrgeiz gilt als typisch koreanisch. Die Chaebol stecken sich ihre Ziele hoch, besonders Samsung. Der Druck auf die Mitarbeiter sei enorm, heißt es. In südkoreanischen Firmen gilt ein striktes Senioritätsprinzip, auch bei den Airlines. In den vergangenen Jahren kam es zu Unfällen, weil Untergebene es nicht wagten, Vorgesetzte zu korrigieren. Allerdings hat Samsung jüngst begonnen, seine Hierarchien zu verflachen und das Senioritätsprinzip aufzuweichen.

Probleme nach Qualitätssprüngen in der Entwicklung von Lithium-Akkus gab es schon früher. Vor zehn Jahren musste Sony acht Millionen Laptop-Batterien zurückrufen, weil sie sich entzündeten. Im Winter 2013 fingen die neuartigen Lithium-Batterien der Boeing 787 Feuer, ein Flugzeug musste im japanischen Takamatsu notlanden.

Rückruf und Produktionsausfall des Note 7 dürften Samsung mindestens eine Milliarde Euro kosten. Das kann das Unternehmen aber verkraften, es sitzt auf mehr als 21 Milliarden Euro Cash. Vorige Woche meldete es einen Quartals-Profit von 6,2 Milliarden Euro, 5,5 Prozent mehr als im Vergleichsquartal 2015. Von den gegenwärtigen Problemen ist nur das Note 7 betroffen. Selbst wenn manche Kunden vom Note 7 auf alle Samsung-Geräte schließen, dürfte sich der Schaden in Grenzen halten.

Gleichwohl reagieren die Südkoreaner auf jede Samsung-Krise beunruhigt. Der größte Chaebol des Landes erzeugt ein Fünftel der Wirtschaftsleistung des Landes. Geriete Samsung in ernsthafte Schwierigkeiten, würde das Südkoreas Wirtschaft in eine Krise stürzen, zumal auch andere Chaebol Probleme haben. Die Reederei Hanjin, die zur gleichen Gruppe gehört wie Korean Air, ist pleite. Der Autokonzern Hyundai wird bestreikt, auch Südkoreas Lkw-Fahrer streiken.

Die Android-Konkurrenz ist stark geworden

Wenn Samsungs Handysparte eine Krise droht, taucht Nokia als Schreckgespenst auf. Kann auch den Südkoreanern passieren, was dem finnischen Marktführer der Mobiltelefonie geschah, der die Smartphone-Entwicklung verschlief und dann mit Microsoft-Software aufs falsche Pferd setzte? Und wäre Lee Jae-yeong, der älteste Sohn des kranken Konzernchefs Lee Kun-hee, fähig, einen Einbruch à la Nokia abzuwenden? Ja, beruhigen Vertreter von Samsung. Überdies sei der Chaebol als Mischkonzern breit abgestützt, ein Zusammenbruch wie jener Nokias nicht denkbar.

Dabei kann Samsung die Note-7-Krise noch selbst bewältigen. Bedrohlicher für seine Branchenführerschaft ist die Markt-Entwicklung. Bisher gehören seine Galaxy-Smartphones zur technologischen Vorhut. Samsung erwirtschaftet höhere Profite als jeder andere Android-Anbieter. Diese Führungsrolle wird nicht nur von der Krise um das Note 7 bedroht, sondern von der Konkurrenz - von chinesischen Herstellern und von Google, dem Software-Partner, der das Betriebssystem Android zur Verfügung stellt. Google hat neue Pixel-Smartphones vorgestellt, die auch Samsungs Galaxy-Linie attackieren - inklusive des Problem-Flaggschiffs Note 7.

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