Sammelklage gegen Apple:iPhone-6-Seuche verärgert Tausende Kunden

Apple Inc. Reveals Bigger-Screen iPhones Alongside Wearables

2014 stellte Apple iPhone 6 und 6 Plus vor. Dann kam der Bendgate-Skandal, jetzt sollen Tausende Geräte an "Touch Disease" leiden. Doch Apple ignoriert das Problem.

(Foto: Bloomberg)
  • Seit Ende August berichten Nutzer über einen Touchscreen-Defekt des iPhone 6 und 6 Plus.
  • Betroffene Kunden sollen mehr als 300 US-Dollar für ein Ersatzgerät bezahlen. Eine Kanzlei in Kalifornien bereitet eine Sammelklage vor, der sich mittlerweile fast 10 000 Käufer angeschlossen haben.
  • Experten vermuten, dass die sogenannte Touch Disease eine Spätfolge von Bendgate ist, bei dem iPhone-6-Nutzer vor zwei Jahren berichtet hatten, dass sich die Handys in der Hosentasche verbögen.

Von Caspar von Au

Apple hat die Seuche. Sie beginnt mit einem grauen Flackern am oberen Bildschirmrand. Später einsetzende Symptome: Der Touchscreen funktioniert nur noch eingeschränkt, bis hin zur vollständigen Unbrauchbarkeit des ganzen Displays. Der Defekt betrifft offenbar Tausende iPhones der sechsten Generation. Die größere Variante, das iPhone 6 Plus, leidet besonders häufig an der Touch Disease, wie die Reparaturexperten des Portals iFixit den Defekt getauft haben. Das graue Flackern betitelte das Portal als "gray bar of death" - der graue Balken des Todes.

Das Problem tauchte gehäuft erstmals Ende August auf. Nun steigt in den USA der Druck auf Apple. Schon eine Woche nach Bekanntwerden des Problems hatten die ersten Nutzer beim Bundesbezirksgericht für den Norden Kaliforniens Klage eingereicht. Wie die Tech-Plattform Motherboard berichtet, verklagen inzwischen fast 10 000 Kunden in einer Sammelklage das Unternehmen auf Schadenersatz. Apple aber schweigt bislang - und antwortete bis zur Veröffentlichung dieses Artikels auch nicht auf SZ-Anfragen.

Ist Touch Disease eine Spätfolge von Bendgate?

Die Kanzlei McCuneWright, welche die Kläger in Kalifornien vertritt, verklagt Apple in 21 Punkten: Dabei geht es hauptsächlich um Käuferschutz, Verstöße gegen Garantie-Bestimmungen, Betrug und ungerechtfertigte Bereicherung. In der Anklageschrift fordern die Anwälte Apple auf, für alle Schäden aufzukommen, die mit der Touch Disease zu tun haben. Die beschädigten iPhones solle der Konzern reparieren oder zurückrufen. Außerdem solle das Unternehmen die Garantie auf die Geräte verlängern. Im Bundesstaat Utah und in Kanada laufen weitere Sammelklagen, die aber möglicherweise zu einer großen Sammelklage zusammengelegt werden.

Motherboard bezeichnet den Defekt als größten iPhone-Fabrikationsfehler aller Zeiten. Das Unternehmen verweigere nicht nur jeden Kommentar, sondern auch die Reparatur der iPhones, hat das Portal recherchiert. Stattdessen müssten die Apple-Kunden 329 US-Dollar bezahlen, um ein generalüberholtes Ersatzgerät zu erhalten. Manche dieser Geräte erkrankten aber in einigen Fällen nach wenigen Tagen oder Wochen selbst an der Touch Disease.

Die Ursache des Defekts befindet sich wohl auf der Hauptplatine und hängt möglicherweise mit dem sogenannten Bendgate-Skandal zusammen - das legen zumindest Vermutungen von iFix nahe. 2014 hatten einige Nutzer gemeldet, dass sich das iPhone 6 und 6 Plus in der Hosentasche verbiege. Auch wenn Apple nachgebessert habe, blieben die iPhones der sechsten Generation biegsam, heißt es in dem iFix-Bericht. Obwohl die Verbiegung in den allermeisten Fällen so minimal sei, dass sie mit bloßem Auge nicht zu erkennen ist, könne langfristig das Innere des iPhones Schaden davontragen.

Im Gegensatz zu den Vorgängermodellen wird die Hauptplatine beim iPhone 6 und 6 Plus nämlich nicht mehr durch eine dünne Metallplatte geschützt. Dadurch wurden offensichtlich in vielen Fällen die beiden Chips beschädigt, die für die Bedienung des Touchscreens zuständig sind. Daher helfe es auch nichts, das Display auszutauschen, stattdessen müsse die Hauptplatine ausgetauscht werden, schreibt iFix und beruft sich dabei auf Erfahrungen mehrerer Betreiber von Smartphone-Werkstätten.

iPhone-6-Nutzer weltweit könnten von der Klage profitieren

Motherboard beruft sich in seiner Recherche auf mehrere sogenannte Apple Geniuses - Mitarbeiter, die sich in Apple-Stores um Hardwareprobleme kümmern. Die Mitarbeiter sollen demnach auch bestätigt haben, dass sich das Unternehmen sehr wohl des weitverbreiteten Defekts bewusst ist.

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Das ist auch der Grund, warum jetzt so viele Nutzer gegen Touch Disease klagen. Sie wollen zum einen Schadenersatz, zum anderen könnte Apple bei erfolgreicher Klage gezwungen sein, den Konstruktionsfehler als solchen anzuerkennen. Dann würden betroffene iPhone-6-Nutzer weltweit profitieren und könnten zum Beispiel Geräte künftig kostenlos umtauschen, hoffen zumindest Nutzer im Forum des Fachmagazins 9to5 Mac.

Zunächst aber muss der Fall vor dem US-Gericht zugelassen werden. Abzuwarten bleibt, ob die Kläger recht bekommen, und ob Apple anschließend ein weltweites Reparatur- oder Austauschprogramm für von der Touch Disease betroffene Geräte startet. Versucht der Konzern aber, das Problem auszusitzen - mittlerweile ist ja schon das iPhone 7 erhältlich -, könnte der mögliche Fabrikationsfehler sich auch zu einem größeren PR-Problem für Apple auswachsen.

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