Roaming-Gebühren:Dann eben Whatsapp

Die EU will die Gebühren für das Telefonieren im Ausland nun doch nicht abschaffen. Sie fügt sich damit den Argumenten der Mobilfunk-Unternehmen. Doch am Ende werden die Kunden das Roaming-System vermutlich selbst beerdigen.

Kommentar von Lutz Knappmann

Selten hat die EU-Kommission so leicht die Sympathien der Bürger gewinnen können wie mit dem Plan, die Roaming-Gebühren abzuschaffen. Bei jeder Reise ärgern sich Urlauber und Geschäftsleute aufs Neue über die Zusatzkosten fürs mobile Telefonieren und Internetsurfen im Ausland. Es ist ein Anachronismus in einem vereinten Europa.

Entsprechend deutlich waren stets die Bekenntnisse vieler EU-Politiker: "Roaming passt nicht mehr in die Zeit", sagte Neelie Kroes 2014, damals EU-Kommissarin für die digitale Agenda. Es sei "schlicht dumm" diesen Vorteil eines einheitlichen Marktes nicht zu nutzen. Ihr Nachfolger, Günther Oettinger, beklagt, die Preise für Telefonie seien mit den tatsächlichen Kosten nicht zu rechtfertigen. Tatsächlich sind die Preise für die Handynutzung im Ausland in den vergangenen Jahren immer weiter gesunken. Spätestens seit einem entsprechenden Beschluss des Europaparlaments konnten die Kunden davon ausgehen, dass die Roaming-Gebühren Ende 2015 ganz abgeschafft werden.

Daraus wird nun nichts. Die Politik beugt sich den Argumenten der Telekom-Konzerne, die vehement um ihre Umsätze kämpfen. So haben die Letten, die zurzeit den EU-Ratspräsidenten stellen, einen Minimalvorschlag gemacht: einheitliche Gebühren, ja, aber nur für winzige Kontingente. Die Rede ist von 50 Minuten Telefonie, 50 SMS und 100 Megabyte Daten - und das pro Jahr. Jeder Smartphone-Nutzer weiß, dass er damit nicht weit kommt. Die Argumentation der Mobilfunk-Unternehmen ist einfach: Die Gebühren-Milliarden sollen den Ausbau der Netze finanzieren. Ohne Roaming, so die Warnung, müssten sie die Kosten auf die Inlandstarife aufschlagen.

Diese Argumente lassen sich nicht leichtfertig vom Tisch wischen. Natürlich muss die EU die Frage beantworten, wie der schleppende Ausbau der digitalen Infrastruktur in Europa bezahlt werden soll. Doch dafür gibt es klügere Ansätze als Gebühren, deren Sinn in einer vernetzten Welt kaum mehr zu verstehen ist. Langfristig werden die Roaming-Gebühren kaum mehr zu halten sein.

Genug Möglichkeiten, die Extrakosten zu umgehen

Schon jetzt nutzen die genervten Kunden jede Möglichkeit, die Extrakosten zu umgehen: Mit Apps wie Whatsapp, Facetime oder Skype können sie nicht nur kostenlose Textnachrichten versenden, sondern auch miteinander telefonieren. Klar, auch dafür brauchen sie einen Internetzugang. Doch die Zahl kostenloser Wlan-Zugänge nimmt rasant zu, nicht nur in Cafés, Hotels und Einkaufszentren. In mehr und mehr Städten entstehen öffentliche Netze - von den privaten Initiativen sogenannter Freifunker einmal ganz abgesehen. Zudem mischen mächtige Konkurrenten den Markt auf: In den USA startet der Internetkonzern Google sein eigenes Mobilfunk-Angebot "Project Fi", das bestehende Handynetze und Wlan-Zugänge kombiniert - zu niedrigen Tarifen und ohne Zusatzkosten in vielen Ländern.

Es ist höchste Zeit für Mobilfunk-Modelle, die sich an den tatsächlichen Bedürfnissen orientieren. Anders als oft behauptet, sind die Kunden ja durchaus bereit, für Dienstleistungen zu bezahlen. Sie abonnieren auch kostenpflichtige Musik- und Video-Streamingdienste wie Spotify oder Netflix. Aber sie müssen den Nutzen verstehen, den sie davon haben.

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