Risikofaktor Mobiltelefon?:14 Fragen über Handys

Lesezeit: 6 min

Wie wirken Handystrahlen auf den Körper? Macht Telefonieren unfruchtbar? Darf man überhaupt noch ein Handy benutzen? Antworten auf vierzehn drängende Fragen von Redakteuren des "Wissen"-Magazins der Süddeutschen Zeitung.

Christopher Schrader und Patrick Illinger

1) Was sind Handystrahlen?

(Foto: Foto: dpa)

Das sind elektromagnetische Wellen, im Grunde nichts anders als Radiowellen, nur mit höherer Frequenz, also mehr Schwingungen pro Sekunde. Liegt die Frequenz noch höher, ist es Licht. Noch weiter oben auf der Frequenz-Skala stehen schließlich Röntgenstrahlen und am Ende radioaktive Strahlen. Letztere können die Moleküle in einem Organismus spalten und Krebs auslösen. Das können Handystrahlen nicht unmittelbar. Sollten Funkwellen gefährlich sein, muss es einen anderen Mechanismus geben.

2) Warum sind die Studien so widersprüchlich?

Das liegt offenbar daran, dass die mögliche Gesundheitsgefahr durch Handys, wenn sie existiert, eher gering ist. Die Forscher wissen nicht so genau, wonach sie suchen sollen. Sie bräuchten eine allgemein anerkannte Theorie, wie die Strahlung den Körper schädigt, eindeutige Tierversuche und aussagekräftige Studien an Patienten, die sie mit gesunden Kontrollpersonen vergleichen.

Wenn es um Krebs geht, vergehen oft viele Jahre, bis er diagnostiziert wird, auch Raucher entwickeln ihr Lungenkarzinom oft erst, nachdem sie schon Jahrzehnte Tabak konsumieren. Speziell Patienten mit Hirntumoren sind selten und viele von Ihnen sterben schnell, so dass es schwierig ist, sie in Vergleichsstudien einzubeziehen.

Bei der Suche nach Vergleichspersonen machen vielleicht eher die Wohlhabenden mit, was die Ergebnisse verzerren kann. Wie viel Strahlung die Menschen ausgesetzt waren, lässt sich nur aus ihrer eigenen Erinnerung rekonstruieren, die durch eine traumatische Diagnose womöglich getrübt oder beeinflusst ist. Ein anderer Ansatz, in einem ganzen Land alle Handybenutzer zu untersuchen, scheitert oft an den verfügbaren Daten. Forscher in Dänemark haben das vor kurzem versucht: Sie haben bei 420.000 Besitzer von Mobiltelefonen festgestellt, dass sie jedenfalls nicht mehr Krebsfälle aufwiesen, als man nach Erfahrungswerten erwartet hätte.

Danach schlossen sie eine Krebsgefahr zwar aus (siehe SZ vom 7.12.2006). Andere Wissenschaftler haben aber inzwischen kritisiert, dass die ausgewählte Gruppe von Handynutzern nicht repräsentativ war. Eine Verbindung zwischen dem Gebrauch eines Mobiltelefons und Hirntumoren könne die dänische Studie darum nicht ausschließen.

3) Ist es nun bewiesen: Dauertelefonierer leben gefährlich?

Nein, bewiesen ist noch gar nichts. Zunächst geht es nur um ein Krankheitsbild, für das es neue Daten gibt: Gliome. Das ist eine seltene Form von Hirntumoren. Bei etwa sechs von 100.000 Menschen wird pro Jahr ein solcher Krebs diagnostiziert.

Über andere mögliche Folgen des Telefonierens mit dem Handy gibt es keine belastbaren Daten. Zwei neue Studien über Gliome haben aber einen wichtigen statistischen Test bestanden: Erst wenn die Wahrscheinlichkeit unter fünf Prozent fällt, dass das Ergebnis einer solchen Studie auch rein zufällig entstanden sein könnte, nehmen Mediziner solche Resultate ernst und nennen sie "signifikant".

"Da zeigt sich ein Trend, der in diese Richtung deuten könnte", sagt Harald zur Hausen, ehemals Direktor des Deutschen Krebsforschungszentrums und jetzt Chefredakteur des Fachblatts International Journal of Cancer, in dem die umstrittene Studie der Finnin Anna Lahkola erschienen ist. "Aber das ist keinesfalls ein Beweis." Diese signifikanten Ergebnisse müssen aber noch in weiteren, längeren oder anders angelegten Studien bestätigt werden.

4) Schwankt die Strahlung bei den verschiedenen Handys?

Ja, sehr stark. Das Bundesamt für Strahlenschutz hat auf einer Webseite eine Liste der sogenannte SAR-Werte, das ist die spezifische Absorptionsrate der Handys. Sie besagt, wie viel der Sendeleistung der Körper aufnimmt, wenn man das Handy ans Ohr hält. Die Werte reichen bei den Modelle auf dem Markt von 0,1 bis 1,6 Watt pro Kilogramm Körpergewebe.

Den niedrigsten Wert erreicht das Samsung SGH-Z560, den höchsten das Blackberry Pearl 8100. Das BfS empfiehlt wie international üblich einen Grenzwert von 2,0 Watt pro Kilogramm. Generell sind Klapphandys etwas strahlungsärmer, weil die Antenne weiter vom Kopf entfernt ist. Aber der Spitzenreiter in der Liste, das nicht mehr produzierte LG-Handy G512 mit 1,94 Watt pro Kilogramm, war auch ein Klapphandy.

Das BfS bietet den Herstellern seit Jahren an, Geräte mit einer SAR unter 0,6 Watt pro Kilogramm mit dem Umweltsiegel "Blauer Engel" auszuzeichnen; das wäre für 31 Prozent der aktuellen Modell möglich. Die Hersteller lehnen das geschlossen ab, weil sie die Strahlungswerte offenbar nicht in der Werbung benutzen wollen. Offiziell argumentieren sie, die tatsächliche Strahlenbelastung eines Handynutzers hänge so stark von der Situation und den Gewohnheiten ab, dass der SAR-Wert bedeutungslos sei. (Siehe auch Frage 7).

5) Sind Headsets zu empfehlen?

Sie haben zumindest keinen Nachteil, außer dass Menschen, die in der Öffentlichkeit mit Headset telefonieren, seltsam wirken. Insofern kann man die tragbaren Freisprechmikrofone als Vorsorgeprinzip empfehlen. Womöglich hilft ja auch das Gefühl, das Handy nicht so nah am Kopf zu haben.

6) Wenn beim Telefonieren mein Ohr heiß wird - ist das ein schlimmes Zeichen?

Nein, das kann schließlich auch passieren, wenn man die nackte Faust ans Ohr presst. Beim Handy kommt hinzu, dass die Akkus wärmer werden, wenn sie von den Hand umschlossen sind. Eine Studie hat festgestellt, dass ein ausgeschaltetes Handy das Ohr um 1,5 Grad erwärmt, ein aktives Handy bringt es auf 2,3 Grad.

7) Ist die Strahlung im Auto und in geschlossenen Räumen höher?

Moderne Handys sind so gebaut, dass sie versuchen, möglichst wenig Strahlung auszusenden. Wenn sie aber bei schlechtem Empfang benutzt werden, regeln sie ihre Leistung hoch auf maximal zwei Watt im D-Netz (T-Mobile, Vodafone) und ein Watt im E-Netz (E-plus und O2). Das passiert schneller bei Gesprächen aus der Tiefgarage, dem Flur oder aus dem Auto.

Besser ist es dann, ans Fenster oder ins Freie zu gehen, oder das Handy im Auto an eine Freisprechanlage mit Außenantenne anzuschließen. Ein weiterer Tipp: Wenn das eigene Handy ständig Hintergrundgeräusche etwa aus der Bahnhofshalle übertragen muss, sendet es auch mehr. An einem stillen Ort funkt es nicht, wenn man gerade zuhört.

8) Was ist von Anti-Handy-Tapeten und Schutztaschen in Anzügen zu halten? Zunächst gilt: Wenn man in einem abgeschirmten Raum telefonieren möchte, versucht das Handy die Verbindung durch eine erhöhte Leistung aufrecht zu erhalten. Schutztapeten steigern also die Strahlenbelastung, wenn man in dem Raum telefoniert. Wer sein Zimmer frei von Handystrahlen halten will, kann das Gerät ausschalten.

Aber vielen geht es um die Strahlung der Antennen und Sendemasten. Darüber weiß die Wissenschaft noch nicht viel, die reine Physik aber besagt schon, dass das Handy am Ohr viel gefährlicher ist als die Antenne auf dem Nachbardach -auch wenn diese ständig sendet. Die Schutztasche im Anzug ist kompletter Blödsinn. Ein Handy, das auch Empfang wartet, strahlt sowieso kaum.

9) Sind schnurlose Festnetztelefone noch gefährlicher?

Schnurlose Telefone nach DECT-Standard senden mit höchstens 250 Milliwatt, ein Viertel beziehungsweise Achtel der Handyleistung. Aber sie passen ihre Leistung normalerweise nicht an die Situation an. Sie senden auch, wenn das Telefon zum Aufladen auf der Station liegt und mit voller Leistung auch dann wenn man bei einem Gespräch direkt daneben sitzt. Ihre mittlere SAR (siehe Antwort 4) beträgt nur 0,1 Watt pro Kilogramm, jedoch schicken sie regelmäßig kurze Pulse, in denen die Leistung das 25-fache des Durchschnittswerts beträgt.

Die Leistung an den Bedarf anzupassen ist technisch möglich, aber die großen Hersteller bieten solche Geräte mangels Nachfrage nicht an. Einige Studien ergeben für DECT-Telefone auch erhöhte Hirntumorrisiken an. Die Datenlage ist aber dünner als bei Handys.

10) Haben Wireless-Lan-Verbindungen und Funkmäuse am Laptop die gleichen Strahlungswerte wie Handys? Wireless-Lan-Geräte dürfen in Deutschland überhaupt nur betrieben werden, wenn sie mit 100 Milliwatt oder weniger Leistung senden (im meist benutzten 2,4-Gigahertz-Band). Außerdem hält man weder die Antenne, noch den Empfänger am Laptop ans Ohr. SAR-Werte über 0,1 Watt pro Kilogramm treten daher kaum auf.

Funkmäuse arbeiten meist mit dem Bluetooth-Funk, der ebenfalls auf maximal 100 Milliwatt begrenzt ist. Hat das Gerät jedoch eine Kennzeichnung "Klasse 2" sendet es höchstens 2,5 Milliwatt, bei "Klasse 3" nur ein Milliwatt.

11) Wird es irgendwann strahlungslose Handys geben?

Nein. Strahlung ist kein lästiger Nebeneffekt, sondern das Transportmittel für die Telefongespräche.

12) Ist man auch ohne Handy der Strahlung ausgesetzt?

Unser ganzer Alltag ist von elektromagnetischen Wellen erfüllt. Dazu zählen Licht genauso wie Radio- und Fernsehsignale, Röntgenstrahlung und die 50-Hertz-Frequenz im Stromnetz. Für viele Teile dieses Spektrum gibt es Grenzwerte. UKW-Sender, die mit bis zu 100 Kilowatt strahlen, halten diese Grenzwerte nur mit 250 Meter Abstand ein, Röntgenstrahlen hingegen dürfen überhaupt nicht aus dem Untersuchungszimmer herausdringen.

Die Sendemasten von Handys dürfen nicht mehr als 40 bis 60 Watt abstrahlen. Der Grenzwert für Menschen wird wieder in Watt absorbierte Leistung pro Kilogramm Körpergewebe angegeben, er darf 4,8 (D-Netz), 9,6 (E-Netz) und 10 Watt pro Kilogramm nicht überschreiten. Diese Grenzwerte werden nach Angaben des Bundesamtes für Strahlenschutz bei wenigen Metern Abstand von der Antenne eingehalten.

Was von Beschwerden mancher Bürger zu halten ist, Sendemasten in der Nachbarschaft lösten bei ihnen Kopfschmerzen und Schlafstörungen aus, untersucht die Wissenschaft noch.

13) Wie absorbiert der Körper die Strahlung?

Funkwellen eines Handys haben nicht genügend Kraft, um Moleküle zu zerstören. Darum wird das Gewebe allenfalls leicht erwärmt, weil Funkwellen die Atome des Körpers in Bewegung bringen. Theoretisch möglich ist auch, dass organische Moleküle zwar nicht zerstört, aber in ihrer geometrischen Struktur verändert werden. Das braucht weniger Energie. Bewiesen ist das jedoch nicht.

14) Werden Hosentaschen-Handyträger impotent, unfruchtbar oder bekommen Hodenkrebs?

Nein, darauf gibt es keinen Hinweis, weder in Tierstudien noch in Untersuchungen an Menschen.

© SZ vom 2. Februar 2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: