R.I.P.:Erneut scheitert Buch-Projekt mit Wikipedia

Als Online-Enzyklopädie erfreut sich Wikipedia großer Beliebtheit. Doch alle Versuche, das digitale Lexikon im Print-Format zu vermarkten, sind bisher gescheitert. Nachdem im Frühjahr das Vorhaben auf Eis gelegt wurde, Wikipedia als 100-bändiges Lexikon zu veröffentlichen, hat der Berliner Verlag Zenodot jetzt auch die Buchreihe Wikipress beerdigt. Die Taschenbuchreihe erwies sich als unwirtschaftlich.

Hans-Christian Dirscherl

Wikipedia entwickelt sich immer mehr zum Schrecken von Verlegern, Geschäftsführern und Controllern. Denn so erfolgreich Wikipedia als kostenlose Online-Enzyklopädie auch ist, die kommerzielle Vermarktung als Printprodukt scheint zum Scheitern verdammt zu sein. Das beweist erneut die Wikipress-Reihe.

Unter dem Label Wikipress wollte der Zenodot-Verlag thematisch eng gefasste Taschenbücher veröffentlichen, deren Inhalt von Wikipedia.de geliefert wurde. Für jeden Band gab es einen verantwortlichen Bearbeiter, den so genannten Wikipeditor, der die in Frage kommenden Artikel zusammen mit dem Wikipressteam sichtete, auswählte und für den Druck aufbereitete. Die Wikipedia-Artikel wurden also nicht 1:1 übernommen, sondern durchaus für die Printausgabe optimiert.

Allerdings stellte sich diese "Optimierung" der Wikipedia-Artikel für die Wikipress-Bände als erheblich schwieriger heraus, als zunächst gedacht. "Am Bildschirm liest man viel unkritischer als in einem Buch. Die meisten Artikel strotzen vor typographischen Fehlern, sind in einem Mischmasch aus alter und neuer Rechtschreibung geschrieben und enthalten unglückliche, naiv-komische oder gar falsche Formulierungen", klagte ein Mitarbeiter.

Und weiter: "Das interne und externe Korrektorat dauert bedeutend länger als geplant." Trotzdem zogen die Macher das Projekt einige Bände lang weiter durch. Bis Zenodot die Notbremse zog und das Projekt beendete.

sueddeutsche.de fragte Gertraud Götz, Pressesprecherin von Directmedia, einem Schwesterunternehmen von Zenodot, nach den Gründen für das Aus.

Götz zufolge habe sich Wikipress als zu unwirtschaftlich erwiesen. Der Verlag Zenodot verfüge aufgrund seiner bisherigen Produktpalette eher über eine Vertriebsstruktur für digitale Medien, sei aber mit dem Vertrieb von Taschenbüchern wenig bis nicht erfahren. Doch gerade der Taschenbuchbereich sei sehr komplex, ein kleiner Verlag wie Zenodot müsse dort mit Giganten wie dtv um den knappen Platz in den Regalen der Buchhändler kämpfen. Und diesen Kampf verlor Zenodot, die Wikipress-Bücher kamen einfach nicht in die Regale, so Götz. Zudem habe der Verlag die Produktionskosten unterschätzt, diese entpuppten sich als höher als zunächst angenommen.

Vielleicht gab es aber auch keine ausreichend große Käuferschaft für die Bücher. Wer Wikipedia.de kennt und nutzt, schätzt nun einmal die Vorteile des Internets (wie die Aktualität) und hat an dem Buchformat für Wikipedia-Inhalte prinzipiell vielleicht kein Interesse. Außerdem stehen die Inhalte auf Wikipedia.de nun einmal kostenlos zur Verfügung, für die Wikipress-Bücher muss man aber bis zu knapp zehn Euro bezahlen.

Die bisher erschienenen Bänden werden weiterhin abverkauft. Sobald ein Band vergriffen ist, wird er aus dem Programm genommen, ein Neudruck ist nicht geplant.

Zenodot hat kein Glück mit Wikipedia. Denn das Scheitern von Wikipress ist bereits der zweite Fehlschlag, den der Berliner Verlag mit Wikipedia erleidet. Im Frühjahr trug Zenodot bereits die auf 100 Bände ausgelegte gedruckte Ausgabe von Wikipedia.de zu Grabe.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: