Prozess gegen mutmaßlichen kino.to-Programmierer:Runterladen, vorgeladen

Einer der beiden mutmaßlichen Drahtzieher hinter der Plattform kino.to steht von heute an in Leipzig vor Gericht. Doch egal wie der Prozess ausgeht: Längst haben Klon-Portale die Lücke geschlossen, die kino.to hinterlassen hat.

Sophie Crocoll und Christoph Giesen

Fünf Verhandlungstage hat das Leipziger Landgericht angesetzt. Fünf Tage, in denen geklärt werden muss, ob der Programmierer Bastian P. gegen das Urheberrecht verstoßen hat.

Prozess gegen Chef-Programmierer des Filmportals Kino.to

Angeklagter mutmaßlicher kino.to-Programmierer (2.v.r) mit seinem Anwalt beim Prozess in Leipzig: Urheberrechtsverstöße in 1.110.543 Fällen.

(Foto: dpa)

Der Fall ist einer spektakulärsten Prozesse in Deutschland. Die Staatsanwaltschaft wirft dem 29-Jährigen vor, mehr als eine Million mal gegen geltendes Recht verstoßen zu haben. In 1.110.543 Fällen soll er urheberrechtlich geschützte Werke unerlaubt verwendet haben.

Laut Anklageschrift soll Bastian P. zu einer 13-köpfigen Gruppe gehört haben, die die Internetseite kino.to betrieben hat. Über die Web-Seite ließen sich bis zum vergangenen Juni Filme und Serien anschauen. Bastian P. gilt als zweiter Mann hinter dem mutmaßlichen Chef der Gruppe, der noch im Frühjahr angeklagt werden soll.

Die Staatsanwaltschaft wirft P. vor, maßgeblich für die Programmierung von kino.to verantwortlich gewesen zu sein. Kino.to startete im Frühjahr 2008 und finanzierte sich größtenteils über Werbeanzeigen. Außerdem konnten Nutzer für einen monatlichen Mitgliedsbeitrag zu Premiumkunden werden. Bis zu vier Millionen Menschen schauten sich über die Plattform täglich Filme an.

Gut sortierter Stream-Katalog

Die meisten Streifen lagerten offenbar nicht auf den Servern von kino.to. Vielmehr war die Web-Seite eine Art gut sortierter Katalog, durch den man relativ einfach zu dem gewünschten Film gelangen konnte.

Den Großteil des benötigten Speicherplatzes stellten andere Anbieter zur Verfügung. Zum Beispiel der übergewichtige Internet-Millionär Kim Schmitz mit seiner Firma Megaupload. Ende Januar wurde er in Neuseeland verhaftet. Schmitz, der sich gerne mit schnellen Autos und schönen Frauen ablichten ließ, war der Gründer von Megaupload. Auf seine Server in Hongkong luden Tausende ihre Filme hoch.

Laut Anklageschrift der neuseeländischen Justizbehörden verdiente Mega-Upload in den fünf Jahren, in denen der Dienst bestand, 175 Millionen Dollar. Teils durch Werbeeinnahmen, teils durch Leute, die eine monatliche Gebühr zahlten, um keine Werbung sehen zu müssen und schneller Filme laden zu können. Wer bei Megaupload populäre Inhalte wie Filme und Serien hochlud, konnte daran verdienen: Schmitz zahlte einen Dollar, sobald eine Datei von anderen tausend Mal heruntergeladen wurde. In der Anklageschrift ist von Millionen von Dollar die Rede, die Megaupload gezahlt haben soll.

Packte ein kino.to-Insider aus?

Das Portal kino.to flog im Juni 2011 auf. Die von der Film- und Softwareindustrie finanzierte Gesellschaft zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen (GVU) hatte drei Strafanzeigen gegen kino.to gestellt. Die ersten beiden Anzeigen des Verbands waren erfolglos, weil die Web-Seite nicht in Deutschland registriert ist und es für die deutschen Justizbehörden nahezu unmöglich war, die Betreiber ausfindig zu machen.

Mit der dritten Anzeige gelang es der GVU die 13-köpfige Gruppe zu ermitteln. Mehrere ehemalige Mitarbeiter von kino.to meldeten sich bei der GVU. Danach ging es schnell. Im Juni durchsuchten die Ermittler Wohnungen und Geschäftsräume in Deutschland, Spanien, Frankreich und Holland und nahmen 13 Verdächtige fest. Auf dem Konto des mutmaßlichen Chefs Dirk B. stellten die Ermittler 2,5 Millionen Euro sicher. "Die Betreiber sind nur aufgeflogen, weil es Insider gab, die ausgepackt haben", sagt Otto Freiherr Grote, Anwalt für Urheberrecht in Frankfurt. Ansonsten seien die Möglichkeiten der Behörden eingeschränkt.

Wie aussichtslos der Kampf ist, zeigt der Fall kino.to eindrucksvoll. Trotz des Ermittlungserfolgs mussten die Behörden wenige Tage, nachdem sie kino.to aus dem Netz genommen hatten, einen herben Schlag hinnehmen. Unter der Adresse kinox.to tauchte ein Angebot auf, das dem Vorgänger zum Verwechseln ähnlich sieht. Es basiert offenbar auf einer älteren Arbeitsversion von kino.to, die entweder kopiert oder gekauft wurde. Die GVU vermutet deutschsprachige IT-Spezialisten hinter der Seite. Sie hat die Betreiber angezeigt. Ohne einen erneuten Tippgeber dürfte es jedoch schwierig werden, sie zu stellen.

Die Unterhaltungslobby macht Druck

Besonders in den USA versuchen die Filmleute ihr geistiges Eigentum vor illegalen Downloads zu schützen. In den vergangen Monaten machte sich Filmlobby deshalb für eine Verschärfung des Urheberrechts stark. In Zukunft, forderten sie, sollen Links im Internet, die zu illegal kopierten Inhalte führen, gelöscht und die Web-Seiten der Betreiber blockiert werden.

Große Internetfirmen werteten das jedoch als Eingriff, Wikipedia schaltete aus Protest im Januar einen Tag ihren englischsprachigen Dienst ab. Und Google veränderte sein Logo auf der Startseite. Die amerikanische Regierung hat ihr Gesetzesvorhaben vorerst auf Eis gelegt. Branchenbeobachter bezweifeln, dass die Filmbranche das Rennen noch gewinnen kann.

Nicht das erste Urteil

Im Fall kino.to hat es bislang vier Verfahren gegeben. Ende vergangenen Jahres wurde ein Angeklagter zu drei Jahren und fünf Monaten Haft verurteilt. Er hatte zugegeben, Server für kino.to angemietet, Filme auf das Portal geladen und freigeschaltet zu haben. Außerdem soll er einen sogenannten Stream-Hoster betrieben haben, auf dem Raubkopien lagen.

Drei weitere Angeklagte wurden zu einem Jahr und neun Monaten auf Bewährung beziehungsweise zu Freiheitsstrafen von zweieinhalb und drei Jahren verurteilt. Zwei Verdächtige sitzen noch in Untersuchungshaft, sie gelten als die Hauptschuldigen.

Einer davon ist Bastian P., der nun in Leipzig vor Gericht steht. "Sollte der Angeklagte tatsächlich einer der mutmaßlichen Drahtzieher gewesen sein, dürfte auch ihm eine Freiheitsstrafe drohen", sagt Anwalt Grote.

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