Privatsphäre:Woher Facebooks gruselige Freundschafts-Vorschläge kommen

Privatsphäre: Haben Sie schon einmal einen merkwürdigen Freundesvorschlag auf Facebook erhalten? Da sind Sie nicht alleine.

Haben Sie schon einmal einen merkwürdigen Freundesvorschlag auf Facebook erhalten? Da sind Sie nicht alleine.

(Foto: Justin Tallis/AFP)

Mit "Personen, die du vielleicht kennst" versucht Facebook, neue Freundschaften anzubahnen. Das kann unheimlich sein - lässt sich aber zumindest teilweise verhindern.

Von Marvin Strathmann

Der Ex-Freund, die Chefin oder völlig Unbekannte: Sie schieben sich ungefragt in die Facebook-Timeline zwischen Urlaubsbilder und Nachrichten-Artikel. Es gibt vielleicht gute Gründe, diese Menschen nicht als Freunde hinzuzufügen - und doch zeigt das soziale Netzwerk sie immer wieder als Vorschlag an. Als "Personen, die du vielleicht kennst".

Facebook kann komplett unbekannte Menschen anzeigen, zu denen die Nutzer keine offensichtlichen Verbindungen haben, oder zielsicher Bekannte auswählen, die die Nutzer tatsächlich außerhalb des Netzwerks getroffen haben. Das kann gruselig wirken. So schreibt die Journalistin Kashmir Hill, dass Facebook die Patienten einer Psychiaterin miteinander verbinden wollte, die einander nicht kannten. Auch andere Nutzer berichten von seltsamen Vorschlägen des Netzwerks. Etwa wenn Facebook zwei Menschen vernetzen möchte, die sich zur selben Zeit am selben Ort aufgehalten, aber sonst nichts miteinander zu tun haben.

Das Rätsel der Standortdaten

Das wäre schlecht für die Privatsphäre, denn dadurch lässt sich erraten, welche Nutzer aus den Vorschlägen sich zu welchem Zeitpunkt wo aufgehalten haben - sie geben sensible persönliche Daten preis, ohne es zu wissen. Aber greift Facebook tatsächlich auf Standortdaten zu, um Nutzer in einem bestimmten Gebiet zu verbinden? Nein, sagt das Unternehmen. Lediglich einen kleinen Test auf Städte-Ebene soll es Ende 2015 für vier Wochen gegeben haben. Auch in Zukunft sei nicht geplant, Standorte für Vorschläge zu verwenden.

Facebook nutzt anscheinend andere Informationen, um die Nutzer des Netzwerks mit echten und vermeintlichen Bekannten zu verbinden. Im Hilfebereich des Netzwerks werden einige Faktoren aufgeführt. Am offensichtlichsten ist die Zahl gemeinsamer Freunde: Wenn zwei Menschen mehrere gemeinsame Bekannte haben, dann sollten sie sich ebenfalls miteinander verbinden, meint das Unternehmen. Zudem verwendet Facebook beispielsweise Angaben zum Arbeitgeber, um neue Freunde für die Nutzer zu finden.

Auch importierte Kontakte aus dem Adressbuch des Smartphones nutzt Facebook. Viele kuriose Vorschläge des Netzwerks können dadurch erklärt werden. Wenn zum Beispiel Nutzer A die Nummer von Nutzer B einspeichert, dann kann Nutzer B als Vorschlag Nutzer A erhalten - obwohl Nutzer B selbst gar keine Daten von Nutzer A gespeichert hat.

Ein altes Patent gibt Einblick

Facebook schreibt auch von "vielen anderen Faktoren", die ausgewertet werden. Genauer wird das Unternehmen auch auf Nachfrage nicht. Ein Patent von Facebook aus dem Jahr 2012 lässt Rückschlüsse zu, allerdings unter Vorbehalt: Abläufe aus dem Patent können sich geändert haben - oder wurden überhaupt nie implementiert.

Als Basis für die Vorschläge werden im Patent alle Menschen aufgeführt, mit denen ein Nutzer auf Facebook Kontakt hat. Darunter sind auch Nutzer, die über die Facebook-Timeline oder den Messenger miteinander kommunizieren, ohne Freunde zu sein.

Facebook berechnet, wie wertvoll eine Freundschaft ist

Zusätzlich sucht Facebook nach Mitgliedern, die ähnliche Nutzungs- und Profildaten aufweisen. Etwa wie oft sie Facebook in einem bestimmten Zeitraum genutzt, wie viele Freundesanfragen sie verschickt und erhalten, wie viele Posts sie abgesetzt haben. Das Netzwerk zieht auch Freunde von Freunden hinzu und bezieht einander gleichende Angaben mit ein, etwa die besuchte Schule. Aber Facebook kann auch Logindaten verwenden, die "am selben Ort ungefähr zur selben Zeit" generiert werden, wie es in dem vier Jahre alten Patent heißt. Aber es gilt: Nur weil das Unternehmen die Möglichkeit aufgeführt hat, muss sie nicht in der Praxis umgesetzt worden sein.

Aus all den Kontakten und freiwillig hochgeladenen E-Mail-Daten, mit denen man Freunde auf Facebook schneller finden kann, erstellt das Unternehmen dem Patent zufolge eine Kandidatenliste für die Vorschläge. Mithilfe von Nutzungsdaten, etwa wie oft sich ein Nutzer einloggt, wird schließlich berechnet, welchen Wert eine neue Freundschaft für Facebook hätte. Je mehr Zeit Nutzer und Freundschafts-Kandidaten voraussichtlich auf Facebook verbringen würden, wenn sie Freunde würden, desto besser. Auch die Wahrscheinlichkeit, dass sie Freunde werden, wird berechnet. Abschließend wird eine Rangfolge erstellt und den Nutzern angezeigt.

Keine Daten aus Whatsapp

Seit Facebook das Patent eingereicht hat, konnte das Unternehmen weitere Datenquellen erschließen. So kaufte es 2014 den Messenger Whatsapp für mehr als 20 Milliarden Dollar. Seit kurzem überträgt Whatsapp Nutzungsdaten und Telefonnummern an das soziale Netzwerk. Hamburgs Datenschutzbeauftragter Johannes Caspar hat die Praxis für die Daten deutscher Nutzer kurz darauf untersagt.

Das Unternehmen hält sich angeblich daran. "Generell ist über die Telefonnummer zwischen Whatsapp und der Facebook-App ein Datenabgleich möglich", sagt Dr. Moritz Karg, Referent des Datenschutzbeauftragten. "Aber Facebook hat uns mitgeteilt, dass sie zurzeit keine Daten austauschen."

Egal ob bewusst hochgeladen oder unbewusst generiert: Facebook nutzt anscheinend nahezu alle anfallenden Daten, um Nutzer mit Menschen zu verbinden, die ihnen zumindest den Daten nach ähneln. Von der Nutzungsdauer in der vergangenen Woche bis hin zu Kontakten im Handy-Adressbuch. Facebook belässt es zudem nicht bei den einmalig hochgeladenen Daten: Neue Telefonkontakte oder Aktualisierungen werden automatisch synchronisiert.

So verhindern Sie die Aktualisierung neuer Kontakte

Die Synchronisation lässt sich ausschalten: Android-Nutzer tippen dafür oben rechts in der App auf das Menü, das durch drei Balken dargestellt wird. Weiter unten können sie die "App-Einstellungen" auswählen und anschließend "Kontakte fortlaufend hochladen" deaktivieren. iPhone-Nutzer gehen ähnlich vor. Sie wählen das Balkenmenü aus und tippen erst auf "Einstellungen", dann auf "Kontoeinstellungen" und schließlich auf "Allgemeines". Unter "Kontakte hochladen" lässt sich die Funktion abschalten.

Auf einer Unterseite von Facebook können Nutzer ihre hochgeladenen Daten aus dem Adressbuch kontrollieren und gegebenenfalls löschen. Zudem lassen sich Kontaktdaten löschen, die Nutzer über den Facebook-Messenger hochgeladen haben.

Das ganze Modul im Newsfeed können Desktop-Nutzer ausblenden, indem sie auf den Pfeil oben rechts klicken und "Beitrag verbergen" wählen. Menschen, die man auf keinen Fall sehen möchte - Ex-Freund oder Chefin könnten geeignete Kandidaten sein -, lassen sich gezielt herausfiltern. Dazu klickt man im Bild der Betroffenen das "X" oben rechts an.

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