Privatsphäre:Weg mit der Google-Brille

Privatsphäre: Logo von Julian Oliver gegen Google Glass

Logo von Julian Oliver gegen Google Glass

Kein Internet für Glassholes: Wie der Künstler Julian Oliver mit ein paar Zeilen Programmiercode die Privatsphäre der Menschen verteidigt.

Von Hakan Tanriverdi

Es wäre zu einfach, Julian Oliver einen Entwickler zu nennen. Er selbst sieht sich als kritischen Entwickler. Als einen, der viel von Technik versteht. Und einen, der überzeugt ist, dass nichts unsere Gesellschaft so stark verändert wie Technik. Deshalb, so hat er es in einem Manifest niedergeschrieben, sei es seine Aufgabe, darauf zu achten, dass Technik nicht missbraucht wird.

Alles klar?

Nun, wie das genau aussehen kann, zeigt Oliver gerade mit einem Computerprogramm, das darüber wacht, wer sich zum Beispiel in ein Wlan-Netz einwählt. Das Programm sucht alle 30 Sekunden nach Menschen, die eine Google Glass tragen. Wird eine Datenbrille in dem Netzwerk gefunden, fliegt sie umgehend raus.

Kein Internet für "Glassholes". Dieses Schimpfwort gilt der sonderbaren Spezies, die sich seit einiger Zeit mit ihrer Datenbrille im schummrigen Licht der Bars von San Francisco herumtreibt. Menschen, die dort Fotos schießen und Videos aufnehmen - und alle jene nerven, die einfach nur ein Bier trinken wollen. Die Geräte gelten als teures Spielzeug für elitäre Technikfreaks. Google selbst hat seinen Glasses eine Art Knigge beigelegt, der Empfehlungen gibt, wie man sich mit einer Datenbrille verhalten sollte.

Julian Oliver ist also nicht der Erste, der daran Kritik übt. Aber mit seiner Aktion hat er trotzdem für so viel Aufmerksamkeit gesorgt, dass er Interviews auf 15 Minuten begrenzen muss. Dann wartet schon der Nächste, der mit ihm sprechen will. Er sagt: "Google Glass kann vieles sein, aber es ist auch eine ausgesprochen hinterhältige Kamera, die nicht einmal anzeigt, ob sie gerade aufnimmt oder nicht." Die Reaktion auf seinen Programmiercode sei größtenteils positiv ausgefallen - mit Ausnahme der Google-Glass-Anhänger natürlich. Die haben sich beschwert.

Oliver ist 40 Jahre alt, wurde in Neuseeland geboren und lebt mittlerweile in Berlin. Sein Architekturstudium hat er abgebrochen. Seither hat er in Spielestudios gearbeitet - und in Australien, Kroatien, USA, Spanien und Schweden an virtuellen Realitäten geforscht. Was genau bedeutet es, wenn sich der Alltag zunehmend ins Netz verlagert? Das ist die Frage, die Oliver umtreibt. Die Antworten, die er darauf findet, sind kurios - und technische Meisterstücke. Seine Arbeiten wurden mehrfach ausgezeichnet. Für die Tate Modern in London waren sie so interessant, dass er dort über sein Werk referieren durfte.

Da ist zum Beispiel sein Projekt Newstweek. Eine Installation, mit der Nachrichten manipuliert werden. Weil Menschen zunehmend zu ihrem Tablet und ihrem Smartphone greifen, um zu sehen, was in der Welt passiert, sei es einfach, Nachrichten zu verändern, so Oliver. Er führt das mit einem kleinen Kasten vor, den er in der Nähe des Wlan einstöpselt. Wählt sich nun ein Gerät ins Internet, kommuniziert dieses auch mit dem Kasten. Doch darin steckt ein kleiner Computer, den Oliver kontrolliert und dazu nutzt, manipulierte Nachrichten einzuspielen. "Queensland wurde überflutet", steht dann beispielsweise auf der Homepage der britischen BBC. Und der unbedarfte Leser ahnt nicht, dass es gar keine Überschwemmungen gab.

Oliver macht einen schleichenden Prozess sichtbar. Sei es nun, indem er Nachrichten ändert oder Menschen mit Googles Datenbrille einfach aus einem Netzwerk schmeißt. Privatsphäre bedeute, frei wählen zu können, welche Seite man von sich in der Welt zeigt, sagt der Künstler, und: "Google Glass will uns diese Möglichkeit nehmen." Und auch wenn Oliver das nicht verhindern kann, er kann es dem Konzern zumindest schwerer machen. Ein paar Zeilen Programmiercode reichen dafür schon aus.

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