Pornografie im Internet:Domain mit X

Was die rote Laterne fürs Bordell ist, das soll die Endung .xxx für Internetseiten mit erotischen Inhalten werden. Nur wer bestimmte Standards einhält, darf mitmachen. Aber kann das die Flut von Schmutz und Schund wirklich eindämmen?

Von Ingo Arzt

Zwei Neuregelungen scheinen den Kampf gegen Schmutz im Cyberspace zu forcieren: Betreiber von Erotikseiten müssen in den USA nun explizit nachweisen, dass alle abgebildeten Personen mindestens 18 Jahre alt sind. Und Anfang Juni hat die "Internet Corporation for Assigned Names and Numbers" (Icann) beschlossen, bis zum Jahresende die Endung .xxx für "Erwachsenenseiten" im Netz einzuführen - eine Rotlicht-Domain, in der ein eigener Erotik-Knigge für Legalität sorgen soll.

Sex-Nippes, ddp

Sex-Nippes, gesehen auf einer Erotik-Messe in Deutschland.

(Foto: Foto: ddp)

Die Icann sieht die neuen XXX-Domains nicht als Mittel im Kampf gegen Kinderpornos und anderen Schund im Netz. Die oberste Verkehrsbehörde des Internet, zuständig für die Vergabe der Top Level Domains wie .de, .org, oder .com, will lediglich dem Teil der Online-Gemeinde eine Plattform bieten, die "verantwortungsvoll Erwachsenen-Unterhaltung" anbieten will, wie es in einem Papier der Icann heißt.

Im Klartext: Das Internet wird weiterhin voller zweifelhafter Porno-Seiten sein - betrieben von Anbietern, die irgendwo in Ländern ohne effektiven Jugendschutz deutsche, oder amerikanische Standards umgehen.

Diese gewähren im Prinzip genug Schutz: In Deutschland müssen, wie in allen Medien, Eltern der Veröffentlichung von Bildern oder persönlichen Daten von unter 18-Jährigen generell zustimmen - auch im Internet, selbst wenn es sich um einen harmlosen Chat handelt. Porno-Bilder von Minderjährigen sind generell verboten und stellen eine Straftat dar. "Bis zu drei Jahren Haft können da durchaus verhängt werden", sagt Dirk Höschen, Medienreferent des Deutschen Kinderhilfswerks.

Zehn Jahre Haft

Allerdings ist die Grauzone zwischen Porno und harmloser Pose schwer zu fassen: Flirtseiten wie www.flirtvideos.de fänden zwar, so Höschen, in einem eindeutig erotischen Umfeld statt, allerdings ohne explizit eine Erotikseite zu sein. So werden in Deutschland bei groben Verstößen gegen den Jugendschutz zwar Behörden aktiv.

In der Praxis aber führen die Betreiber von Chat, Flirt oder Erotikseiten keinen Nachweis, dass ihre Seiten mit dem Gesetzt konform sind. In den USA dagegen müssen das Webmaster jetzt von sich aus tun. Bei Verstößen drohen bis zu zehn Jahren Haft - was das Aus für viele Internet-Pornoseiten bedeuten könnte.

Doch der Kern des Porno-Problems ist damit nicht gelöst: "So lange man weiter für 10 Cent irgendwo auf der Welt eine Domain registrieren lassen kann, wird es keinen effektiven Schutz geben", sagt Höschen. Er kennt Fälle, beispielsweise aus dem spanischen .es-Domainraum, wo Kinderpornoseiten wochenlang mit Spam-Mails beworben werden, ehe die Server aus dem Netz fliegen.

Die Icann hat die Macht

Da die Nutzung der neuen XXX-Domains rein freiwillig ist, wird sich auch nichts an diesen illegalen Machenschaften ändern. Die Macht, eine weltweite Kontrolle von Schmutz im Netz zu gewährleisten, hätte vor allem die Icann: Sie vergibt die Verträge an Partnerfirmen, die für das weitere Management von Domains zuständig sind.

Würde die Icann im Fall von illegalen Inhalten generell mit Lizenzentzug drohen, wäre ein Mittel geschaffen, weltweit Mindeststandards durchzusetzen, sagt Höschen.

Um diese Mindeststandards wenigstens für die neuen Domains zu gewährleisten, gehen 10 der 60 Dollar der Gebühren, die eine solche Seite im Jahr kosten soll, an die kanadische Organisation "The International Foundation for Online Responsibility" (Iffor).

60 Dollar Gebühr zu hoch

In ihrer Charta wirbt sie für eine Nutzung der Domain als Hort verantwortungsvoller Erotik-Anbieter. Auf der einen Seite will sie Verfahren fördern, die Kinder online vor Pornografie schützt und gleichzeitig die Anonymität der Nutzer der neuen Angebote gewährleisten. Der Rolle der Iffor blickt der "Interessenverband Neue Medien e.V." (IVNM), bei dem sich 200 deutsche Anbieter für Online-Erotik organisiert haben, aber kritisch entgegen.

Regeln seien zwar prinzipiell willkommen. Eine etwaige Zwangs-Registrierung unter den XXX-Domains oder eine möglicherweise intransparente Kontrollbehörde lehnt der IVNM allerdings ab. Geschäftsführer Marko Dörre gibt außerdem zu bedenken, dass 60 Dollar Gebühren im Jahr für eine Erotikdomain zu hoch seien.

Leichte Beute für Spamfilter

Das scheint jedoch, angesichts der Marktstärke der Branche, mehr als bezahlbar zu sein. Diese hüllt sich über ihre Umsätze zwar notorisch in Schweigen, doch Schätzwerte von weltweit 12 Milliarden Dollar Umsatz im Jahr lassen zumindest die Größenordnung erahnen. In Deutschland sprechen Insider von 300 Millionen Euro, die Deutsche jährlich an ausländische Erotik-Anbieter überweisen.

Nach Meinung von Sabine Frank, Geschäftsführerin der "Freiwilligen Selbstkontrolle Multimedia", hängt indes vieles von der Selbstkontrolle der Erotikindustrie ab. Sie sagt, dass der neue Domain-Raum eine gute Maßnahme sein könnte, um minderjährige Nutzer vor erotischen Inhalten zu schützen.

Dirk Höschen vom Kinderhilfswerk jedoch glaubt nicht an kontrollierbare Erotik durch die XXX-Domains: Die Anbieter haben wenig Interesse, leichte Beute für Spam-Filter zu werden, die alles mit den verdächtigen Endungen gar nicht erst auf die Rechner lassen. Zwar werden die Filter privat in sehr geringem Umfang eingesetzt, wohl aber in Firmen. Für alle Erotik-Anbieter unter dem neuen Kürzel würde dann der lukrative Markt derer wegbrechen, die am Arbeitsplatz dubiose Seiten besuchen.

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