Online-Spiel für Mädchen:Miss Bimbo und die Brust-OP

Schönheitswahn in neuer Dimension: Hunderttausende Mädchen basteln sich virtuell die perfekte Puppe. Ein Ausflug in "Miss Bimbos" haarsträubende Welt der Brust-OPs, Diätpillen und Knutschwettbewerbe.

Irene Helmes

Man stelle sich ein Spiel vor, bei dem es für kleine Mädchen zur Hauptbeschäftigung wird, in Klubs möglichst schnell möglichst viele fremde Männer zu küssen und nichts zu größerer Beliebtheit führt als eine Brustvergrößerung. Dieses Spiel gibt es wirklich - im Internet. Es heißt "Miss Bimbo" und ist derzeit in Großbritannien ein absoluter Renner. Weit über 200.000 Mädchen zwischen neun und 16 Jahren spielen es, in Frankreich sind es schon über eine Million.

Online-Spiel für Mädchen: So wird "Miss Bimbo" in die Obhut der Spielerinnen gegeben. Der Spiellogik nach ist es nun aber höchste Zeit für eine Rundumverschönerung.

So wird "Miss Bimbo" in die Obhut der Spielerinnen gegeben. Der Spiellogik nach ist es nun aber höchste Zeit für eine Rundumverschönerung.

(Foto: Screenshot: www.missbimbo.com)

Als Ziel wird den jungen Spielerinnen auf der Seite eingeschärft, sie müssten das "heißeste, coolste, berühmteste Bimbo der Welt" erschaffen: "Schrecke vor nichts zurück!". Nun schlagen die Eltern Alarm - nicht nur wegen der haarsträubenden Inhalte, sondern auch wegen der Abzocke dahinter. Denn das virtuelle Startbudget von 1000 Bimbo-Dollar ist schnell aufgebraucht. Dann soll das Konto mit SMS aufgebessert werden, die echtes Geld kosten, und zwar umgerechnet je fast zwei Euro. So kommen schnell hohe Summen zusammen - ein aufgebrachter französischer Vater drohte der Zeitung The Guardian zufolge der Firma Ouza Ltd. deswegen schon mit Klage.

So viel Aufruhr macht neugierig: Was genau erwartet Mädchen in der Welt von "Miss Bimbo" wirklich?

Das Ziel des Spiels wird auf der Startseite verkündet und ist denkbar zynisch: Style ein virtuelles Mädchen zur perfekten "Tussi" - denn nichts anderes bedeutet Bimbo in der englischen Umgangssprache.

Miss Bimbo begrüßt die User nun im weißen Stringhöschen und passendem BH. Zu Beginn des Spiels lautet ihr aktueller Zustand: IQ von 70, kein Hunger, kein Durst, Gewicht 58 Kilo - das Idealgewicht bei der Größe von 1,68 Meter. Wohl deshalb liegt ihre "Happiness" bei guten 99 Prozent. Ihr Startkapital beträgt 1000 Bimbo-Dollar, für die noch einiges an "Attitude", also Coolness, zu kaufen ist, denn die liegt noch bei null.

"Er wird dir hoffentlich Geld geben"

Obwohl Miss Bimbo offenbar noch keinen Hunger hat, ist ein Blick in den Lebensmittelmarkt aufschlussreich. An Platz eins des Sortiments warten Diätpillen für 100 Bimbo-Dollar. Das Kontextmenü klärt auf: "Diätpillen, die leichtere Art zu essen."

Auf der Suche nach den skandalumwitterten Brust-OPs in Bimbo-City müssen sich die Spielerinnen ins Beauty-Center begeben: 11.500 Dollar kostet dort die größere Oberweite, 9000 Dollar ein Face-Lift. An "Attitude" gemessen aber wäre der Gewinn immens: immerhin 2000 beziehungsweise 1000 Punkte. Gelingt die Nasenkorrektur nicht zur Zufriedenheit oder sind die Brüste immer noch nicht groß genug, hilft ein Besuch beim Psychologen - ein 50-Dollar-Schnäppchen mit 60 "Attitude"-Punkten zur Belohnung.

Braucht Miss Bimbo noch Gesellschaft, führt ihr Weg in den "Bimbo Club". "Hier kannst du tanzen, flirten und vielleicht einen gutaussehenden Freund treffen. Dein Freund wird dir (hoffentlich) jeden Tag Geld geben. Weil er dich liebt." So geht das also. Da sich ansonsten keine Verdienstmöglichkeiten abzeichnen, wären die 30 Dollar Klub-Eintritt gut angelegt. Um nicht in Unterwäsche auf Männerfang gehen zu müssen, bekommt Miss Bimbo vorher noch ein Outfit.

"Küsse eine Menge Jungs"

Auch ein Besuch beim "Beauty-Spezialisten" für nur 60 Dollar scheint angebracht, es winken die ersten 70 Punkte. Statt Solarium bekommt Miss Bimbo ein Make-up. Lippenstift und Lidschatten kann die "Bimbo-Mutter" selber wählen - und wird endlich zum ersten Mal gelobt: "Gut gemacht!" Miss Bimbo hat 30 Punkte.

Aufgehübscht erscheint Miss Bimbo wieder auf dem Bildschirm und wartet auf neue Abenteuer. Ab in die Spiele-Ecke: Zur Auswahl stehen so anspruchsvolle Tätigkeiten wie das Aufräumen der Handtasche, Klassisches wie Sudoku und auch "French Kiss": "Küsse eine Menge Typen, aber sei vorsichtig: es gibt auch böse Jungs."

Auf der nächsten Seite lesen Sie, was Miss Bimbo beim Flirten und beim Psychiater erlebt - und was der Erfinder des Spiels zu sagen hat.

Miss Bimbo und die Brust-OP

Mit einem knallroten Kussmund muss Miss Bimbo nun möglichst schnell möglichst viele Männer abknutschen, die unvermittelt hinter und vor dem Tresen einer Bar auftauchen. Nach einer Minute hat sie jedoch versagt, es nicht ins nächste Level geschafft und darf erst morgen wieder weiterspielen.

Screenshot: www.missbimbo.com

Beim "French Kiss"-Spiel steht eine wichtige Tugend der Bimbo-Welt auf dem Prüfstand: So schnell so viele fremde Männer küssen wie möglich.

(Foto: Screenshot: www.missbimbo.com)

Auf der Suche nach Zuwendung versucht es Miss Bimbo nun doch im "Bimbo Club". Schließlich sollte da doch ein Freund mit Geld warten. "Geh flirten!", okay, doch statt eines Klubs erscheint in grüner Schrift die folgende kryptische Information: "Dein neuer Freund ist. Viel Glück in deiner neuen Beziehung." 30 Dollar Eintrittsgeld sind säuberlich abgebucht, aber sonst? Beim zweiten Versuch prangt nun eine Ermahnung in Rot auf dem Bildschirm: "Du hast heute schon versucht, einen Freund zu finden. Übertreib es nicht - versuch's morgen wieder!!!".

Vom Psychiater ins Job-Center

Vielleicht ist nun der Besuch beim Psychiater angebracht. Anstatt des erhofften Gesprächs über das verpatzte Knutschabenteuer und die noch verkorkstere Aktion mit dem Boyfriend sind nur wie angekündigt wieder 50 Dollar ausgegeben - und immerhin 60 Punkte Attitude gewonnen. "Du bist glücklicher!" Tatsächlich: Miss Bimbos Glückswert ist auf 112 Prozent hochgeschossen.

Mit so viel Spaß am Leben noch ein kleiner Bummel in die Stadt: Miss Bimbo bleibt am Job-Center hängen und bekommt sogar sofort ein Angebot. Mit Hinweis auf den aktuellen IQ von 70 wird eine Stelle als Bäckerin vorgeschlagen. Das mickrige Gehalt von 50 Dollar am Tag gibt's aber erst nach drei Tagen Training zum Preis von 250 Dollar. Das ist nun doch ein bisschen viel verlangt.

Kreischrosa Welt mit haarsträubenden Botschaften

Es wird Zeit, Abschied zu nehmen von Bimbo-City. Es bleibt der Eindruck einer kreischrosa Comic-Welt, in der ein Schönheitsideal regiert, das zynischer kaum sein könnte. Dass magere Maße und hemmungsloser Konsum sowieso Tag aus, Tag ein in Kunst und Medien gefeiert werden - unbestritten. Doch die Art und Weise, wie "Miss Bimbo" - ausdrücklich für kleine Mädchen konzipiert - diese zum erstrebenswerten Zustand macht, ist doch frappierend.

Denn Face-Lifts und Brustvergrößerungen für die wohlbemerkt bereits makellose virtuelle Puppe, die der Spielerin zu Anfang in Obhut gegeben wird, bleiben nicht einmal vage Möglichkeiten, sondern werden mit maximalen Coolness-Punkten als uneinholbar beste Strategie gefeiert.

Das ungläubige Lachen bleibt endgültig im Hals stecken, sieht man das Rollenschema des Spiels. Denn es prangt nicht nur ein fehlender Freund als mahnender weißer Schandfleck im Profil von "Miss Bimbo". Die Suche nach einem Begleiter ist nach Bimbo-Logik auch eine existenzielle Angelegenheit, man erinnere sich: "Dein Freund wird dir (hoffentlich) jeden Tag Geld geben". Der 23-jährige Erfinder verteidigt sein Produkt übrigens in den britischen Medien als "harmlosen Spaß", der Mädchen lehre, Verantwortung für ihre Schützlinge zu übernehmen - die Aufgaben seien außerdem wie aus "dem wahren Leben".

Dazu eine Tatsache aus dem wahren Leben: In Großbritannien erkranken Studien zufolge immer mehr Mädchen schon ab sechs Jahren an Essstörungen.

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