Online-Plattform Myspace:Mission Wiederbelebung

Myspace macht sich schick. Das ehemals größte soziale Netzwerk der Welt galt lange als tot. Jetzt will es eine moderne, innovative Musik-Plattform werden. Das Verrückte daran: Der Plan könnte aufgehen.

Pascal Paukner

Online-Plattform Myspace: Myspace macht sich schick. Klasse statt Masse könnte jetzt angesagt sein.

Myspace macht sich schick. Klasse statt Masse könnte jetzt angesagt sein.

(Foto: vimeo.com/50071857)

Im Umgang mit Toten gibt es ein paar eiserne Regeln. Man redet beispielsweise nicht schlecht über sie. Und schon gar nicht macht man sich lustig. Bei Myspace haben da viele eine Ausnahme gemacht. Das soziale Netzwerk war einmal das größte der Welt, hatte in den besten Zeiten mehr als 260 Millionen Nutzer und mit Rupert Murdochs News Corporation einen potenten Geldgeber. Scheinbar hervorragende Voraussetzungen, um im harten Konkurrenzkampf der sozialen Netzwerke zu überleben. Tatsächlich aber kam alles ganz anders.

Mit Facebook wuchs Myspace innerhalb weniger Jahre ein übermächtiger Konkurrent heran, der Innovationen nicht nur schneller, sondern auch benutzerfreundlicher umsetzte. Die Folge: Myspace verlor Millionen Nutzer, wurde für den Eigentümer zum Verlustgeschäft, galt als tot und war fortan vor allem bitterbösem Hohn und Spott ausgesetzt. Dass aus Myspace nochmal etwas werden könnte, schien lange ausgeschlossen.

Möglicherweise war das ein Trugschluss. Im Juli hatten die neuen Eigentümer in einem Interview mit Forbes angedeutet, dass sich Myspace noch in diesem Jahr neu aufstellen könnte. Jetzt ist klar, das war keine Durchhalteparole. Die Brüder Chris und Tim Vanderhook, deren Werbenetzwerk Specific Media im vergangenen Jahr Myspace gemeinsam mit dem Popstar Justin Timberlake für circa 35 Millionen Dollar gekauft hatte, meinen es ernst. Ein neues Werbevideo zeigt das.

Optisch auf der Höhe der Zeit

Darin ist ein völlig neu designtes MySpace zu sehen, das zumindest optisch auf der Höhe der Zeit angekommen zu sein scheint. Bilder rücken überall auf der Plattform in den Mittelpunkt. Navigiert wird nicht mehr nur vertikal, sondern auch horizontal. Elemente von Tumblr, Pinterest, den Google-Plus-Apps für Tablet-Computer - all das scheint sich im neuen Myspace irgendwie widerzuspiegeln. Würde das so umgesetzt, wie es im Video zu sehen ist, wäre es ein Lichtblick in einer Social-Media-Tristesse, in der weder Twitter und schon gar nicht Facebook durch herausragendes Design auffallen.

Sorgen werden sich die heute etablierten Netzwerke um das neue Myspace dennoch kaum machen. Das Video zeigt ebenfalls, dass auf der neuen Plattform Künstler im Mittelpunkt stehen. Auf der Webseite, auf der man sich vorab registrieren kann, weisen die Verantwortlichen darauf hin, dass - egal ob Musiker, Fotograf, Filmemacher oder Designer - alle Teil der Community werden könnten. Ganz am Ende der Aufzählung steht dann auch noch etwas davon, dass sich auch engagierten Fans registrieren könnten. Das Massenpublikum scheint Myspace vorerst nicht im Blick zu haben. Das ehemals größte Netzwerk bietet gar den Login per Facebook und Twitter an.

Myspace hat noch immer den größten Musikkatalog

Es ist eine Strategie, die sich funktionieren könnte. Mit 42 Millionen Songs hat Myspace noch immer den größten Musikkatalog aller Online-Dienste. Selbst auf Musikstreaming spezialisierte Unternehmen wie Spotify oder Rdio liegen bei deutlich unter 20 Millionen verfügbaren Songs. Viele Musiker haben Myspace positiv in Erinnerung, weil es über Jahre eine der wenigen Webseiten war, die es schaffte Aufmerksamkeit für Popkultur an einem Ort im Netz zu bündeln. Nicht nur die der Popstars. Wenn diese Künstler nun bei MySpace erneut ein Forum geboten kriegen, das zudem noch schick gestaltet ist - wer wollte sich das nicht anschauen?

Manche Branchenbeobachter sind schon positiv beeindruckt. Andere nicht. Und egal, ob das neue Myspace letztendlich überzeugen kann, wenigstens eines haben die Eigentümer erreicht: "Myspace ist tot", schreibt erst Mal niemand mehr. Wenigstens kann man jetzt wieder uneingeschränkt Witze darüber machen.

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