Online-Game:Assauer, Hoeneß und ich

Soll ich den Ballack nun kaufen oder ist er mir doch zu teuer? Seit fünf Jahren gibt es das Fußballmanager-Spiel www.comunio.de. Online-Zocker spielen es Tag und Nacht. Die Idee dazu hatte ein Diplom-Informatiker und Freizeitkicker, dem sogar unmoralische Angebote gemacht werden.

Stefan Wolf

"Ich habe mir einfach gedacht, das ist ein gutes Spiel". Wenn Erfolgsgeschichten doch immer so einfach wären.

Online-Game: Fabian Loschek: "Ich fang immer im Sturm an. Dann geht mir die Puste aus und ich spiele den Rest in der Abwehr."

Fabian Loschek: "Ich fang immer im Sturm an. Dann geht mir die Puste aus und ich spiele den Rest in der Abwehr."

(Foto: Foto: Stefan Wolf)

Vor fünf Jahren war Fabian Loschek in den USA. "Da haben sich meine Freunde immer über so ein Spiel unterhalten." Und worum ging's? "Ein virtuelles Baseball-Manager-Spiel mit realen Stars aus der nationalen Liga."

"Das könnte auch in Deutschland funktionieren", glaubte der damalige Student. "Aber natürlich nur mit Fußball." Er gründete die Homepage www.comunio.de - es hat funktioniert.

250.000 registrierte Nutzer spielen laut Loschek sein Online-Game.

Das Prinzip ist einfach: Jeder kann Manager seiner eigenen Fußball-Mannschaft sein, mit einem fiktiven Budget. Durch gute Transferpolitik kann man sich die Stars der Bundesliga in sein Team holen - wenn das mal nicht Männergelüste befriedigt. Gespielt wird in einer eigenen Liga gegen Freunde und Bekannte. Diese Community macht den Reiz aus. Denn wer reibt seinem Arbeitskollegen und Online-Gegner am Montag nach einem Spieltag nicht gern seinen Erfolg unter die Nase? 40.000 Communitys gibt es, so Loschek.

Schlaflose Nächte

Spielerverkäufe und -einkäufe. Taktik. Mannschaftsaufstellung. Marktwerte. Wer hat einen Lauf? Wer fühlt sich schlecht? Plötzlich bekommen banale Nachrichten aus der Sportschau weittragende Bedeutung. Denn: Schmort ein Spieler samstags 15:30 Uhr auf der Bank, gibt's keine Punkte für den "Möchtegern"-Uli Hoeneß im Netz. Nur wenn er kickt. Und das, wenn möglich, auch noch gut. Denn bekommt Michael Ballack ein rote Karte, gibt's Minuspunkte. Schießt er ein Tor, gibt's Pluspunkte. In die Rechnung werden dazu die Noten des Internetportals www.sportal.de einbezogen. Sonntagsabend, wenn die Punkte fertig sind, glüht der Server. Der "Manager" der am letzten Spieltag die meisten Punkte hat, gewinnt die virtuelle Liga.

Finanziert wird die Seite über Werbung und die Möglichkeit für die Spieler sich als sogenannte Pro Player oder Plus Player kostenpflichtig registrieren zu lassen. Dafür hat man dann einige zusätzliche Features, wie Zusatzdaten über die eigenen Spieler, mehr taktische Varianten oder einen Ersatzspielermodus.

Fabian Loschek ist selbst begeisterter Spieler. Der Diplom-Informatiker hat auch eine eigene Taktik: "Man braucht ein relativ ausgewogenes Team, also nicht mehr als zwei oder drei Spieler aus einer Mannschaft." Außerdem versucht er immer Spieler aufzustellen, die in ihren Mannschaften in der Stammelf stehen. "Und ein guter Sturm ist wichtig." Wenn Loschek das sagt, dann könnte man ihm glatt den Bundesliga-Teamchef abnehmen. "Eine Gewähr gebe ich aber nicht", wirft er dann doch noch schnell hinterher. Dabei müsste der 28-Jährige es eigentlich wissen. Doch sein eigenes Spiel hat dem Münchner auch schon schlaflose Nächte bereitet. "Wenn ich vergessen habe einen Spieler auf die Transferliste zu setzen, stehe ich auch mal in der Nacht auf."

Echtes Geld für virtuelle Spieler

Stellt sich die Frage: Macht www.comunio.de süchtig? Loschek lächelt. "Ich weiß, dass es einige echt begeisterte Mitspieler gibt." Es käme schon vor, dass Leute ihm, als Webmaster, reales Geld bieten, erzählt er. "Das geht natürlich nicht." Fair geht vor. Doch auch anders versuchten schon User Punkte zu machen. "Im ersten Jahr hat sich ein Spieler 500 mal eingeloggt, um dann die Marktwerte seiner eigenen Fußballer hochzutreiben", erzählt Loschek. "Das haben wir aber schnell entdeckt." Und das geht natürlich auch nicht. "Wir lassen aber viel Spielraum für die User", sagt Loschek. Viele Nutzer haben schon ihre eigenen Regeln und Preise aufgestellt. Der obligatorische Kasten Bier für den Sieger ist da noch am harmlosesten. Teilweise wird um die ganze Finanzierung eines Festes gespielt.

Loschek bekommt nicht nur unmoralische Angebote. Ein Lehrer hätte ihn einmal angeschrieben, um eine Fußball-Gemeinschaft für eine Schulklasse einzurichten, erzählt er. "Das habe ich auch getan." Fußball als Lernmittel.

Nie gegen die Bayern!

Insgesamt arbeiten zwei dutzend Leute für www.comunio.de. Laut Loschek alle ehrenamtlich. "Die sind über das ganze Land verteilt und pflegen die Homepage." Nicht alle seien Informatiker wie er, "aber alle sind totale Fußballfans".

Fabian Loschek ist im realen (Fußball-)leben Anhänger des FC Bayern. Mehmet Scholl hat es ihm angetan, und Giovanne Elber - "aber zu Bayernzeiten." In seiner Jugend kickte Loschek beim TSV Gräfeling. Heute reicht die Zeit nur noch zum Freizeitfußballer. "Ich fang immer im Sturm an. Dann geht mir die Puste aus und ich spiele den Rest in der Abwehr." Fabian Loschek hat an der TU München studiert, seine Diplomarbeit hat er über intelligente Proxy Caches geschrieben. Fußball ist eben doch nicht alles im Leben? Naja, eins ist klar. Loschek spielt jeden Tag. Wieviele Stunden genau, weiß er nicht. "Früher habe ich eigentlich nie gespielt, höchstens als Kind zu C64- und Amigazeiten mal", sagt er.

Dass die Seite so erfolgreich ist nimmt Loschek gelassen. Lediglich ein "Ich bin schon happy" entrückt ihm. Welche Verbesserungen und neuen Ideen für www.comunio.de er in der Schublade hat, wollte er nicht verraten. Nur soviel: "Die Liste ist lang". Ein Spezial zur WM sei zum Beispiel schwer zu realisieren. Einen Favoriten für 2006 hat Fabian Loschek allerdings schon: "Ich glaube Deutschland hat gute Chancen. Ich halte viel vom Heimvorteil."

Einen Tipp fürs Spiel hat er auch noch: "Nie einen Spieler aufstellen, der gegen Bayern spielt." Na klar, das muss er ja sagen, als Bayern-Fan.

Und wer es ganz genau wissen will. Hier ist die Elf des "Meisters": Tor: Wächter Abwehr: Hinkel, Madlung, Sinkiewicz, Möhrle Mitte: Kovac, Bastürk, Grönkjaer ("Risikoeinkauf"), Springer Sturm: Koller, Thurk

U-Bahnstation Marienplatz. Abends halb elf. Fabian Loschek steigt in die Bahn. Und, schaut er sich heute noch mal den Transfermarkt an? "Na klar", sagt er. Na dann, eine geruhsame Nacht.

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