Neue Springer-Strategie:Reduzierte Erotik

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Die Online-Ausgabe der Bild-Zeitung steht vor einem Neustart - angeblich mit mehr Journalismus.

Caspar Busse

Bilder, große Schlagzeilen, Nachrichten stehen bunt gewürfelt auf der Seite, dazwischen Werbung, zum Beispiel von E-Bay. Ein News-Ticker hängt irgendwo dazwischen. Auf der Internetseite der Bild-Zeitung ist alles ziemlich durcheinander, auch wenn oben eine Navigationsleiste für Ordnung sorgen soll. "Konfus", sagen selbst Springer-Leute. Ganz rechts gibt es auch den Punkt Erotik, der unweigerlich zu einschlägigen Webangeboten führt.

Im Kern fünf Jahre alt: bild.de (Foto: Screenshot: bild.de)

Nicht nur damit soll bald Schluss sein. "Das Thema Erotik werden wir in Zukunft deutlich reduzieren," verspricht Philipp Welte - auch wenn dann zunächst die Zahl der Page-Impressions, also der Klicks der Nutzer, bei Bild.de abnehmen dürfte. Welte ist Vorstandsvorsitzender von Bild-T-Online, zugleich Mitglied der Geschäftsführung der Zeitungsgruppe Bild, und plant einen grundlegenden Umbau des Internetauftritts von Deutschlands größter Zeitung.

Ein aufwendiges und teures Unterfangen: Die Springer-Leute investieren angeblich einen zweistelligen Millionenbetrag. "Unser klares Ziel ist es, an die Spitze des Wettbewerbs zu kommen," sagt Welte, der erst Anfang des Jahres vom Münchner Burda-Verlag nach Berlin zu Axel Springer gekommen ist.

Fünf Jahre alt

Bild hat derzeit eine Auflage von gut 3,5 Millionen, täglich - Tendenz sinkend. Elf Millionen Leser nutzen die Zeitung, täglich. Es gibt in Deutschland 33 verschiedene Ausgaben. Insgesamt arbeiten bei Bild 800 Journalisten. Bild kennt fast jeder. Damit kann der Auftritt im Internet nicht mithalten, auch wenn er bereits zu den meistbesuchten Seiten gehört.

Im Kern ist das Design und die Struktur von Bild.de fünf Jahre alt, wenn das Angebot auch immer wieder überarbeitet wurde. Derzeit ist insbesondere die Zahl der Page-Impressions hoch, pro Besuch klickte jeder Besucher im August nach IVW-Zahlen etwa 12 Mal. Branchenführer Spiegel-Online verzeichnet bei deutlich mehr Besuchern nur durchschnittlich sechs Clicks pro Nutzer.

Nun soll sich alles ändern. Welte meint: "Wir sind so etwas wie die Ritter der Marke Bild in der digitalen Welt: Wir verteidigen ihr Reich, und wir werden, wenn es geht, auch neue Ländereien erobern." Das geht natürlich gegen Konkurrenten wie Spiegel-Online. Der neue Auftritt soll deutlich klarer strukturiert sein, es soll künftig richtige Ressorts geben: aktuelle Nachrichten, People, Sport, aber auch Lifestyle, Ratgeber, Auto, Spiele.

Nachrichten werden in den Vordergrund gerückt. Auf der rechten Seite wird es Standards wie das Wetter oder Fotogalerien geben. Die Nutzer sollen schnell mit wenigen Klicks zum Thema kommen, und auch weibliche Leser sollen stärker angesprochen werden.

Der Springer Vorstandsvorsitzende Mathias Döpfner setzt derzeit stark auf das Internet. Jetzt soll auch die Bild-Gruppe vom jüngsten Aufschwung bei Online-Anzeigen profitieren. Erotik reicht da offenbar nicht mehr.

"Es geht um die Revitalisierung und Stärkung des journalistischen Markenkerns von Bild im Internet", sagt Welte. Deshalb ist auch Bild-Chefredakteur Kai Diekmann zusätzlich in den Vorstand des Online-Portals berufen worden. Er soll die enge Zusammenarbeit zwischen der Online- und der Print-Redaktion organisieren. Die Bild-Zeitung wird bis März 2008 ohnehin von Hamburg nach Berlin ziehen, dort ist auch schon die digitale Redaktion angesiedelt.

Am Ende sollen bei Bild.de 150 Mitarbeiter, davon die Hälfte Journalisten, arbeiten. Das Motto: "Online-first" - wie bei Welt, Welt am Sonntag und Berliner Morgenpost - wird aber nicht unbedingt übernommen. Bei exklusiven Geschichten soll immer wieder geprüft werden, wann die Informationen im Internet veröffentlicht wird. Für Kaufzeitungen wie Bild sind exklusive Aufmacher am Kiosk wichtig für den Verkauf.

Welte will künftig auch stärker auf die strikte Unterscheidung von Inhalt und Werbung achten. "Den journalistischen Kern müssen wir vor Kommerzialisierung schützen. Es gibt eine strikte Trennung von journalistischem Inhalt und Werbung," sagt er. Das betrifft nicht nur die Erotik. Angebote wie das Volks-Notebook, Volks-DSL oder die "Familienwurst für Deutschland" werden bald abgesetzt an den oberen Rand der Webseite rücken.

"Ein Relaunch ist kein Ereignis, sondern ein kontinuierlicher Prozess," sagt Welte. "Die erste Phase dieses komplexen Innovationsprozesses soll Ende des Jahres abgeschlossen sein. Das dann inhaltlich, optisch und technologisch modernisierte Angebot kommt, wenn alles funktioniert, auf jeden Fall noch in diesem Jahr auf den Markt," verspricht er. Zuvor werde aber alles penibel getestet. Pannen kann sich Bild.de nicht leisten.

Konstruktive Zusammenarbeit

Nichts ändern will Welte aber zunächst an der engen Zusammenarbeit mit T-Online, einer Tochter der Deutschen Telekom. An der Bild-T-Online AG ist T-Online mit 37 Prozent beteiligt, Springer hält den Rest. "Das ist eine sehr fruchtbare Partnerschaft, an der wir nicht rütteln. Grundsätzlich kann man aber nie ausschließen, dass sich die Strukturen einer konstruktiven Zusammenarbeit verändern,", meint Welte. "Auf jeden Fall fahren wir journalistisch einen ganz klaren Kurs der engen Anlehnung an die Mutter Bild," fügt er an. Der Aufsichtsrat von Bild-T-Online hat das neue Konzept im Sommer verabschiedet. Finanziert werden soll der Umbau aus dem laufenden Geschäft, heißt es.

Ohnehin träumt Welte schon von der nächsten Stufe im kommenden Jahr , intern "Bild 3.0" genannt. Im Springer-Hochhaus in der fünften Etage mit Blick über Berlin und modernen Sesseln in bunten Farben gibt es ein so genanntes I-Lab - hier wird an Innovationen geforscht. Neun feste und freie Mitarbeiter suchen im weltweiten Web nach Ideen, entwickeln und forschen.

Später soll es vor allem noch mehr bewegte Bilder geben, aber auch eine Regionalisierung und Individualisierung des Angebots. Schon jetzt können Fußballfans bei Bild.de das Symbol ihrer Lieblingsmannschaft anklicken. Dann erhalten sie alle für sie wichtigen Informationen und Spielberichte aus der Sicht ihres Clubs. Zudem soll Bild.de mit einem regionalen Angebot für Berlin starten. Geplant ist, dies mittelfristig auch auf weitere zehn Großstädte und Regionen auszudehnen. Offensichtlich wird daran gedacht, das Angebot anderer Medien zu integrieren. Wie Ritter eben so sind.

© SZ vom 4.10.07 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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