Neue Oberklasse-Smartphones:Wer Apple das Fürchten lehrt

HTC One

Das HTC One: ein iPhone-Killer?

(Foto: REUTERS)

Wer wird der neue "iPhone-Killer": das neue Samsung Galaxy S4 oder das HTC One? Oder sind beide nur Luftnummern? Ansichten zur neuen Smartphone-Oberklasse.

Von Thorsten Riedl

Der neue Killer der Smartphone-Oberklasse Google findet weit mehr als eine dreiviertel Million Einträge bei der Suche nach "iPhone Killer". Kaum ein neues Gerät der Smartphone-Oberklasse, das sich diesen Titel in den vergangenen Monaten nicht im Handumdrehen verschafft hätte. Das spricht für die Einfallslosigkeit der Journaille, natürlich aber auch für den Standard, den Apple mit seinem ersten eigenen Mobiltelefon gesetzt hat.

Besonders oft finden sich Geräte der Galaxy-S-Reihe von Samsung auf dem Podium: Jeder achte Treffer hängt mit einem der Geräte zusammen, seit das erste vor drei Jahren auf den Markt kam. Nun kommt schon bald das S4 in die Läden. Offensichtlich brauchen Technikjournalisten also einen neuen Kampftitel, den des "Galaxy Killers" beispielsweise. Hier findet Google bislang "nur" 28.300 Fundstellen, viele davon in einem anderen Kontext. Dabei gibt es schon ein Gerät, das den Titel für sich in Anspruch nehmen darf, das HTC One.

Natürlich ist es unfair, den Killer zu küren, wenn es das Mordopfer noch gar nicht gibt. Das Galaxy S4 soll erst Ende April auf den deutschen Markt kommen. Bis dahin hat das One das Feld für sich - neben dem iPhone 5 selbstverständlich. Dazu kommen das LG Optimus G und das Sony Xperia Z, die zumindest eine Anwartschaft auf den Titel verdienen. Bisher schlägt sich das One nicht schlecht. Obschon es bislang nur in homöopathischen Dosen zu haben ist, steht es in den Amazon-Verkaufscharts auf Platz acht, das S4 liegt mit seinen Vorbestellungen vier Plätze weiter hinten. Wird sich das drehen, wenn das neueste Galaxy erstmal zu haben ist?

Sonderfunktionen - die keiner braucht

Das S4 glänzt mit Sonderfunktionen - die keiner braucht. Den Bildschirm mit Gesten steuern, ohne den Bildschirm zu berühren etwa. Eine Kamera, die nicht nur das Motiv, sondern auch den Fotografen beim Knipsen aufnimmt. Oder Displayfunktionen allein mit den Augen. Klingt interessant, ähnliches allerdings gab es auch schon beim Vorgänger S3. Dort sollte der Bildschirm an bleiben, wenn die Augen drauf schauten. Bei mir hat es noch nie geklappt. Obschon ich meistens keine Brille trage, will das Gerät meine Augen nicht orten - oder ich muss sie so verdrehen, dass mir übel wird. Und wer wirklich wert auf die Sonderfunktionen legt, kann sein altes Android-Handy jetzt schon aufrüsten: Für die Kamera-Doppelfunktion gibt es einige Apps wie 2sidez. Eye verwandelt bei jedem Androiden die Augen zu Fingern.

Das HTC One hat wenige eigene Softwareerweiterungen. Seine Stärke ist etwas, das die Designer des neuesten Samsung-Gerätes sträflich vernachlässigt haben. Und von dem auch ich dachte, es sei nunmehr zweite Wahl. Schließlich waren es seit Ankunft des iPhone vor sechs Jahren die inneren Werte, die den Erfolg der Smartphone-Klasse ausgemacht haben. Die Betriebssysteme iOS, Android & Co. lassen die Geräte glänzen, verbunden mit der App-Ökonomie, den hunderttausenden kleinen Handy-Programmen. Das One sorgt zusammen mit dem Xperia Z, das beinahe völlig aus Glas ist, für eine Rückbesinnung auf das Äußere.

Was diesen Punkt angeht, schiele ich schon seit längerem neidisch auf Besitzer von Nokia-Geräten. Die Lumia-Reihe ist state-of-the-art, was Handy-Design angeht - neben dem iPhone selbstverständlich. Aber Windows CE, Windows Mobile, jetzt Windows Phone als mobiles System? Ich habe es über nun mehr als ein Jahrzehnt immer wieder ausprobiert. Wir zwei werden nicht warm.

Das One sorgt dafür, dass nun endlich auch Android-Besitzer einen Handschmeichler vorweisen können. Der Begriff scheint wie für das Gerät gemacht. Es ist überwiegend aus Aluminum - das MacBook unter den Smartphones, sozusagen. Es wiegt 143 Gramm, und damit etwa 30 Gramm mehr als das iPhone 5 und 13 Gramm mehr als das S4, das wie seine drei Vorgänger vorwiegend aus Polycarbonat gemacht ist. In einer Welt, in der Billiges mit Kunststoff ummantelt wird, fühlt es sich einfach billig an.

Schönheit, die ihren Preis hat

Das One dagegen ist aus einem "Guss" - fast jedenfalls, einige Kunststoffapplikationen lockern das Bild. Spaltmaße sind keine zu erkennen. Diese Schönheit hat ihren Preis. Zum einen will ich nicht wissen, wie das Gerät nach einem Aufprall am Boden aussieht. Aluminium verformt sich nun mal. Zum anderen erlaubt die Bauform nicht, dass sich der Akku wechseln lässt, und auch einen Einschub für Speichererweiterungen sucht man vergebens. Ein-Aus-Schalter und Lautstärketasten schließen bündig ab und lassen sich kaum ertasten. Die eingebaute Batterie hat bei mir problemlos einen Tag überstanden, mehr schafft auch ein S3 nicht. Mehr allerdings ist auch nicht drin.

Laut Battery Widget Reborn hält der Akku bei meiner durchschnittlichen Nutzung 17 Stunden, das entspricht ziemlich genau dem Wert, den das S3 anzeigt (wobei die Zeitreihe beim One nur wenige Tage, beim S3 einige Monate alt ist). Der "kleine" Speicher genügt mit 32 Gigabyte meinen Ansprüchen, 26 Gigabyte sind für den Anwender frei, den Rest belegt das System. Es soll noch eine Version mit dem doppelten Speicherplatz auf den Markt kommen. Für den Normalanwender spielen verbauter Akku und begrenzter Speicher keine Rolle. Beides reicht.

Der Eindruck, dass es sich beim One letzten Endes um ein Wegwerfhandy handelt, will aber nicht so ganz passen, weder zur Smartphone-Oberklasse, noch in eine Welt, in der Nachhaltigkeit zumindest wichtiger wird. Ist der Akku defekt, fällt das Gerät auf den Boden, reicht in einigen Jahren der Speicher nicht mehr - dann fliegt das Gerät auf den Müll. Laut iFixit ist es so gut wie irreparabel. Die Ingenieure der Web-Testseite geben dem One einen von zehn Punkten auf ihrer Reparaturskala - einer der schlechtesten Werte jemals.

Bei der Software hat sich HTC beim One erfreulich zurückgehalten. Die Oberfläche Sense ist in einer leicht aufpolierten Version vorinstalliert. Wichtigste Neuerung: Blinkfeed - ein kleines Programm, mit dem sich Nachrichten abrufen lassen, von Agenturen wie dpa, Internetseiten wie Engagdet ebenso wie von sozialen Netzen, beispielsweise Twitter oder Facebook. Blinkfeed ist hübscher als gedacht, aber auch unflexibel, etwa was das Hinzufügen neuer Quellen angeht. Außerdem ist es nicht möglich, die Nachrichtenanzeige zu löschen. Warum auch immer. Wen es stört: Im App Store von Google gibt es eine Reihe anderer Launcher, also Programme, mit denen sich das Android-System so wie Sense steuern lässt - und die meisten sind besser als der von HTC.

Laut wie eine Motorsäge

Die andere Neuerung: Zoe Share. Damit lassen sich kleine Filme machen und auf einfache Weise an Freunde, Bekannte und Familie verteilen. Brauche ich nicht. Die Kamera allerdings begeistert. Der Hersteller verbaut nur vier Megapixel, der Sensor allerdings sorgt für größere Pixel, damit eine höhere Lichtausbeute. Die Blende kommt auf maximal f2.0. Im Test brachte das hübsche Fotos, auch bei schlechtem Licht. Noch eine Besonderheit: Der Klang der Lautsprecher ist für ein Smartphone phänomenal. Die One-Lautsprecher bringen es auf 93 Dezibel. Das ist so laut wie eine Motorsäge. Da freue ich mich schon auf S-Bahn-Fahrten, bei der Jugendliche mich mit den neuesten Musiktrends beschallen.

Die inneren Werte passen: Moderner Prozessor, ausreichend Arbeitsspeicher. Da ruckelt nichts. Sogar Telefonieren lässt sich mit dem One, und das in guter Qualität. Das 4,7-Zoll-Display löst mit 1920 x 1080 Pixeln in Full HD auf. Das ergibt eine Pixeldichte von 468 ppi - im Vergleich zum Retina-Wert bei iPhone von "nur" 300 ppi.

So könnte das One für ein Comeback der angeschlagenen HTC sorgen - oder auch nicht. Spannend wird es, wenn das S4 erhältlich ist. Dann zeigt sich, ob das One wirklich das Zeug zum Galaxy-Killer hat oder nur eine Luftnummer ist. So wie auch der wahre iPhone-Killer noch geboren werden muss. Das iPhone ist in der Smartphone-Oberklasse nach wie vor ungeschlagen.

In einer früheren Version dieses Textes hieß es, das HTC One wiege nur drei Gramm mehr als das iPhone. Das stimmt nur, wenn man es mit dem iPhone 4S vergleicht (140 Gramm). Bei einem Vergleich mit dem iPhone 5 allerdings, um den es in diesem Text geht, fällt der Unterschied größer aus. Dieses wiegt nur 112 Gramm.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: