Neue Kameras:Wie der Sensor, so das Foto

Für den schnellen Schnappschuss gibt es Handykameras, aber wer höhere Ansprüche hat, braucht Alternativen. Kamerahersteller bauen deshalb Geräte, die exakt an deren Schwachpunkten ansetzen. Statt kleiner Sensoren setzen sie große ein, die mehr Bildqualität versprechen.

Helmut Martin-Jung

Leica M

Eine Leica M auf der Photokina 2012 in Köln

(Foto: REUTERS)

Kamera? Hat man doch heute immer dabei. Im Smartphone. In der Tat ist es schon beeindruckend, wie gut Fotos sein können, die mit einer Optik geknipst wurden, wie man sie in immer flachere Telefone kriegt. Doch es gibt auch Grenzen. Wenn es dunkel wird zum Beispiel, fangen die kleinen, dicht gepackten Sensoren der Handykameras schnell an zu rauschen, sie brauchen lange zum Auslösen. Zoomen kann man mit den meisten davon nur digital - mit entsprechendem Qualitätsverlust. Und in Sachen Einstellungen muss man sich zumeist mit wenigen Korrekturmöglichkeiten zufriedengeben.

Da ist es nur logisch, dass die Kamerahersteller - traditionelle wie Newcomer - auf Geräte bauen, die exakt an diesen Schwachpunkten ansetzen. Statt kleiner Sensoren setzen sie große ein, die mehr Bildqualität versprechen. Viele der Kameras bieten interessante Automatik-Modi, lassen sich auf Wunsch aber auch manuell steuern. Und bei einer noch relativ neuen Kategorie, den Systemkameras, lassen sich sogar die Objektive wechseln wie an den viel größeren Spiegelreflexkameras. Doch man guckt sich auch von der Handy-Konkurrenz inzwischen etwas ab.

Am weitesten hat das bisher Samsung getrieben. Der Elektronikkonzern, Marktführer bei Handys, der erst relativ spät in Kameras einstieg, zeigte auf der Ifa in Berlin einen regelrechten Zwitter aus Handy und Kamera. Von vorne betrachtet sieht die Galaxy Camera aus wie eine hochwertige Kompaktkamera, von hinten aber wie ein Smartphone.

Mit Netzwerkchip

Dort nämlich ist alles Bildschirm, wie man das von Handys kennt, und das Betriebssystem stammt auch aus der Handywelt - Googles Android. Nicht nur die Galaxy Camera, auch alle anderen höherwertigen Kameras bei Samsung haben mittlerweile einen Netzwerkchip eingebaut. Damit lassen sich zum Beispiel Bilder auf den Computer daheim übertragen, ohne dass man die Speicherkarte aus der Kamera fummeln muss.

Andere Hersteller gehen ähnliche Wege. Drahtlos-Funk gehört inzwischen schon fast zur Serienausstattung. Das eröffnet dann auch Möglichkeiten jenseits vom Hochladen auf den eigenen Rechner oder auf Social-Networking-Seiten wie Flickr oder Facebook. Bei Sony beispielsweise lassen sich Apps auf eine Systemkamera laden, zum Beispiel für bestimmte Bildeffekte. Oder die Kamera kann mit einem Smartphone ausgelöst werden - ideal für Bilder mit Selbstauslöser.

Solche Zusatzfähigkeiten nimmt man gerne mit, doch wenn in einer geselligen Runde Bilder bewundert werden, dann meist wegen eines Effektes, den man mit dem japanischen Wort Bokeh bezeichnet. Bokeh, das ist die Unschärfe des Hintergrundes etwa bei einem Portrait, durch die die abgebildete Person erst so richtig klar hervortritt. Hinter dem Effekt steht pure Physik. Je länger die Brennweite eines Objektives ist, desto kleiner der Bereich, in dem Objekte scharf dargestellt werden, die sogenannte Schärfentiefe.

Doch die Objektive an den Minisensoren von Handys und billigen Kompaktkameras haben sehr kleine Brennweiten. Zum einen, weil sie meist eher weitwinklig sind, zum anderen wegen der geringen Größe der Sensoren. Den Schärfe-Unschärfe-Effekt bekommt man damit nur, wenn man Objekte in sehr geringer Entfernung fotografiert. Außerdem tut es der Bildqualität nicht gut, wenn die Hersteller zu viele Bildpunkte auf zu kleine Sensoren quetschen.

Bessere Bildqualität als Handys

Das hat sich mittlerweile herumgesprochen, und so bieten die etablierten Firmen inzwischen eine große Auswahl an ziemlich kompakten Kameras an, die eine erheblich bessere Bildqualität bieten als Handys und Kleinknipsen. Die Hersteller gehen dabei unterschiedlich vor. Während beispielsweise Nikon für seine J1 und V1 noch einen Mittelweg zwischen Kompakt-Sensor und DSLR wählt, haben sich etwa Sony und Samsung für das APS-C-Format entschieden, das auch in Einsteiger-Spiegelreflexkameras zum Einsatz kommt.

Das Four-Thirds-Format, das unter anderem Olympus und Panasonic verwenden, ist nur unwesentlich kleiner. Zwar ist es den Herstellern gelungen, die Kameras sehr kompakt zu bauen, aber so klein wie eine echte Kompakte geht es einfach nicht. Dazu kommt noch die Optik. Entweder man entscheidet sich für ein Pancake-Objektiv - flach, fast wie ein Pfannkuchen, aber mit weitwinkliger Festbrennweite - oder man nimmt ein Zoom. Die aber sind dann doch schon wieder ziemliche Klötze.

Vorteile liegen bei Schärfe

Wer auf Qualität setzt, kommt ohnehin um einen Sensor im Vollformat nicht herum. 24 mal 36 Millimeter, so groß wie früher der Kleinbild-Film, sind diese Sensor-Boliden, die alleine schon so viel kosten wie eine Systemkamera. Die Vorteile liegen bei Schärfe und Bokeh. Und in den großen Sensoren stecken viel Leistungsreserven. So lassen sich viele dieser Kameras auch mit Lichtempfindlichkeiten bis hinauf zu Iso 25 600 noch sinnvoll nutzen. Neu auf dem Markt sind oder kommen demnächst beispielsweise Nikons D 600 sowie die Cybershot RX1 von Sony, eine Kompaktkamera mit fest eingebautem 35-Millimeter-Zeiss-Objektiv, sowie Hasselblads Lunar auf Basis von Sonys NEX-7.

Doch kein Licht ohne Schatten: An diesen Bildwandlern fällt sofort auf, wenn die Objektive von minderer Qualität sind, denn die Kameras nutzen auch den Randbereich der Linsen - Unschärfe, Verzerrungen und Vignettierung können die Folge sein. Das erklärt, warum hochwertige Festbrennweiten eine Renaissance erleben. Sie können nicht nur mit höherer Lichtstärke gebaut werden als Zooms, die Konstrukteure müssen auch weniger Kompromisse eingehen.

Es ist aber nicht jedermanns Sache, mit einer Tasche voller Objektive loszuziehen oder sich mit einer oder zwei Festbrennweiten zu begnügen. Wer das Geld hat für eine Leica M, eine Messsucherkamera mit Vollformatsensor und Wechseloptiken, könnte aber Gefallen daran finden. Das gute an der neuen digitalen Fotowelt ist jedenfalls, dass es auf jeden Topf auch einen Deckel gibt. Nur das Universalgerät, das klein ist, aber Bokeh bietet wie eine Große, lässt noch auf sich warten.

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