Neue Formate mit Youtube-Stars:Dafür will Youtube jetzt Geld von seinen Nutzern

Neue Formate mit Youtube-Stars: Einer, der auszog, das Fürchten zu lernen: Felix Kjellberg in der Youtube-Eigenproduktion Scare PewDiePie.

Einer, der auszog, das Fürchten zu lernen: Felix Kjellberg in der Youtube-Eigenproduktion Scare PewDiePie.

(Foto: AP)

Kunstblut und Witze, die niemand über 30 kapiert: Mit Eigenproduktionen versucht Youtube, seine Zielgruppe abzukassieren. Die hält Bezahlen allerdings für so zeitgemäß wie Stummfilme.

Analyse von Michael Moorstedt

Nachts, im Irrenhaus: Felix Kjellberg macht sich beinahe in die Hosen. Er rennt durch lange Gänge, von irgendwo aus dem Dunkel tönt ein schrilles Kichern. Die Kamera zeigt sein wohlgeföhntes Antlitz in grünlich-grieseliger Nachtsichtoptik, Komparsen in Zwangsjacken springen hinter Türen hervor oder geifern ihm ins Gesicht. Ab und an fließt auch ein bisschen Kunstblut.

Um es nicht länger als nötig zu machen: Kjellbergs neue Serie Scare PewDiePie erinnert mit dem bewährten "Quäl den Moderator"-Rezept eher an dröge Spielshows wie Joko gegen Klaas, als dass man das Gefühl hätte, der Zukunft der Online-Unterhaltung beizuwohnen. Dabei wird genau das versprochen. Denn die Serie ist Teil der Youtube Red Originals - exklusive von der weltgrößten Videoplattform produzierte Inhalte. Felix Kjellberg alias PewDiePie ist deren größter Star. Mehr als 40 Millionen Nutzer bekommen eine Benachrichtigung, wenn er ein neues Video hochlädt.

Am vergangenen Mittwoch ist nun der erste Schwung der Eigenproduktionen online gegangen. Neben Kjellbergs Kapriolen, in denen er Szenen aus seinen liebsten Horrorcomputerspielen nachstellt, sind noch drei weitere (Spiel-)Filme im Angebot. Da wäre zum Beispiel eine Personality-Doku über eine junge Frau namens Lilly Singh. Auch die ist, so lernt der Ü-30-Zuschauer, ein sogenannter Youtube-Star. Knapp acht Millionen Menschen haben ihren Kanal abonniert, was Singh laut Forbes drei Millionen Dollar pro Jahr einbringt.

Der Film mit dem Titel A Trip to Unicorn Island begleitet sie nun auf ihrer ersten Welttournee und bietet eine Mischung aus Bühnenshow und Egoaufbauprogramm für deprimierte Teenager, die wiederum mit einer Menge Regenbogen- und Glitzerspezialeffekte versehen wird. Es ist ein Film über das Leben mit Youtube, produziert von Youtube, ausgestrahlt auf Youtube. Das Teenie-Musical Dance Camp und eine Komödie namens Lazer Team, in der eine Gruppe Nerds die Welt rettet, vervollständigen die Liste. Das wirkt alles reichlich selbstreferenziell, und das scheint sich auch vorerst nicht zu ändern. Die nächsten Originals sind bereits angekündigt, und auch hier dreht sich viel um Videospiel- und Internetkultur.

Der Vorläufer, die Youtube Original Channels, wurde nach gut einem Jahr kommentarlos abgeschaltet

Premiere feierte der Film über Lilly Singhs Leben übrigens nicht nur im Internet, sondern auch im altehrwürdigen Grauman's Chinese Theatre in Los Angeles, in dessen Vorhof die Hollywood-Prominenz traditionellerweise ihre Handabdrücke in Zement verewigt. Die Ortswahl zeugt also von einem gewissen Selbstbewusstsein. Aber ist das auch gerechtfertigt?

Es ist schließlich nicht das erste Mal, dass Youtube versucht, eigene Inhalte zu produzieren und hinter einer Paywall zu vermarkten. 2012 startete man die Youtube Original Channels. Dafür sollten Stars wie Madonna, Pharrell Williams oder Shaquille O'Neal eigene Videokanäle mit Inhalten bestücken oder sie zumindest kuratieren. Mehrere Hundert Millionen Dollar hatte Google investiert, doch nach anfänglichen Erfolgsmeldungen wurde die Initiative nach etwas mehr als einem Jahr kommentarlos wieder eingestampft.

Beim neuen Anlauf bleibt deshalb vor allem eine Frage offen: Wie bringt man das Abomodell einer Zielgruppe nahe, der die Idee, für Inhalte zu bezahlen, ungefähr so zeitgemäß vorkommen muss wie ein Stummfilm? Knapp zehn Dollar im Monat ist - zumal im Internet, zumal für die meist minderjährige Zielgruppe - eine Menge Geld. Das mit Youtube Red geschnürte Paket ist nicht unbedingt beeindruckend. Es bietet werbefreie Videos, die Möglichkeit, Videos zu speichern und auch offline abzuspielen, Zugang zum konzerneigenen Musikstreamingdienst Google Play Music und nun eben den Originals.

Verfügbar sind Youtube Red und damit auch die Eigenproduktionen bislang nur in den USA. Nutzer in Deutschland und anderswo müssen einen Monat warten, bis sie die Filme über Google Play einzeln kaufen können. Wie erfolgreich die Premiumvariante seit dem Start vor knapp vier Monaten ist, weiß übrigens niemand - Youtube gibt keine konkreten Zahlen heraus.

Das Team von "The Walking Dead" half mit

Es nötigt trotzdem ein bisschen Respekt ab, mit welcher Konsequenz der Konzern die Entwicklungen der letzten Jahre ignoriert. Komplexe Algorithmen, die das Zuschauerinteresse analysieren und vorhersagen, gibt es bei Youtube Red Originals nicht. Genauso wenig tauchen große Namen auf wie etwa Kevin Spacey oder John Goodman, die in den Netflix- und Amazon-Originalproduktionen House of Cards beziehungsweise Alpha House die Hauptrollen spielen.

Ein bisschen Nachhilfe vom etablierten Entertainment-Establishment gibt es aber schon. Die Produktionsfirma der erfolgreichen Zombieserie The Walking Dead etwa hilft dem Youtube-Beau Kjellberg bei der Veredelung seiner Serie. Dazu gehört etwa ein Steadycam-Geschirr, das er um die Brust trägt. Dazu gehören auch ein paar professionelle Spezialeffekte in Computerspielästhetik. Dazu gehört aber nicht, dass ein Publikum, das House of Cards gut findet, auch automatisch ScarePewDiePie goutiert.

Man kann das natürlich positiv drehen: Wenn er sich die Netflix-Serien ansehe, so David Alpert, Executive Producer von The Walking Dead, fühle sich das nicht anders an als die Sendungen, die auch auf normalen Kabelkanälen laufen. "Es ist Fernsehen, das über eine andere Plattform geliefert wird." Anders dagegen bei Youtube, hier habe er die Freiheit, das strenge Korsett der TV-Formate abzustreifen.

Youtube glaubt an das eigene Ökosystem. Man sollte die Red-Originals-Filmchen deshalb nicht als Angriff auf Netflix oder Amazon verstehen, sondern eher als Strategie, um das Kerngeschäft zu sichern und seine hausgemachten Stars auf der eigenen Plattform zu halten. Nicht wenige von ihnen sind inzwischen abtrünnig geworden, haben Buchverträge abgeschlossen oder sind gleich ganz zur analogen Fernseh-Konkurrenz abgewandert. Die jungen Leute, die einst aus ihrem Kinderzimmer gesendet haben, haben künstlerische und geschäftsmäßige Ambitionen entwickelt, die über kurze Webclips hinausgehen. Youtube wird langsam erwachsen.

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