Augmented Reality:Die Zukunft liegt in der Halluzination

Mark Zuckerberg

Auf Facebooks Entwicklerkonferenz F8 in San Jose verkündete Konzernchef Mark Zuckerberg vergangene Woche seine Vision von Augmented Reality.

(Foto: AP)

Plötzlich springen einen im Supermarkt animierte Werbefiguren an: Nicht nur Facebooks Zuckerberg setzt auf Augmented Reality. Was passiert, wenn jeder Konzern seine eigene Wirklichkeit anbietet?

Von Michael Moorstedt

Vergangene Woche sprach Facebook-Gründer Mark Zuckerberg zu den Normalsterblichen und erzählte einmal mehr davon, wie die Zukunft sein wird. Nicht mehr die wie eine kognitive Käseglocke übergestülpte Virtual Reality soll die soziale Plattform von morgen sein, versprach er auf der konzerneigenen Konferenz F8. Sondern die Geschwister-Technologie namens Augmented Reality (AR).

Bei der wird die echte Welt von der computergenerierten Version nicht verdrängt, sondern nur durch sie angereichert. Das kann so gut wie alles sein. Von relativ banalen Dingen wie etwa einem über dem Schreibtisch schwebenden Terminkalender bis hin zu veritablen Technik-induzierten Halluzinationen. Ein beliebtes Beispiel beinhaltet etwa den Einsatz von animierten Werbefiguren, die den Kunden zwischen den Supermarktregalen anspringen.

Nicht nur Facebook, sondern auch die anderen Tech-Multis arbeiten an ähnlichen Plattformen. Microsoft etwa hat bereits eine frühe Version seiner Hololens-Brille auf den Markt gebracht, und auch Apple, so deuten zumindest die Branchen-Orakel zahlreiche Neueinstellungen und Unternehmensaufkäufe, hat AR-Technologie im Portfolio. Und auf sehr basalem Niveau gibt es all das auch jetzt schon: etwa in Form von Snapchat, der App, mit der sich Teenager und solche, die es gern noch wären, Katzenschnurrhaare und Hasenohren auf ihre Selfies montieren und diese dann verschicken.

Noch funktioniert all das nur im Nachhinein, also durch das Bearbeiten von Fotos. Aber irgendwann soll es auch in Echtzeit geschehen. Wie genau das passieren wird, via einer noch zu entwickelnden Brille oder doch nur über das Smartphone-Display, steht noch nicht fest. Aber das ist im Rahmen von F8 auch eher nebensächlich. Die Veranstaltung wirkt bisweilen weniger wie eine seriöse Entwickler- und Investorenkonferenz und mehr wie eine Sci-Fi-Convention. Immerhin wird da auch mit kindlichem Ernst von Gehirn-Computer-Schnittstellen gesprochen.

Physische und digitale Welt verschmilzen

All die angepriesenen Visionen wurden, und das ist ja eher ungewöhnlich, von den einschlägigen Publikationen nicht automatisch mit großem Hurra bedacht, sondern auch und vor allem mit einem gewissen "Ja, aber". Was darauf folgt, geht ungefähr so: Wenn das Internet und die sozialen Medien es den Menschen eh schon so schwer gemacht haben, sich auf vermeintlich unverrückbare Fakten und Wahrheiten zu verständigen, wie wird das erst, wenn sie nicht einmal mehr die gleiche Welt wahrnehmen? Wenn sie sich nicht nur weigern, die Dinge zu sehen, wie sie nun mal sind, sondern wenn diese tatsächlich aus- oder überblendet werden.

Was passiert, wenn die physische endgültig mit der digitalen Welt verschmilzt und wenn jeder Megakonzern seine eigene Version der Wirklichkeit anbietet? Würden Nutzer von Apple, Facebook oder Microsoft die Welt anders sehen? Nicht umsonst wird die AR ja auch mit Mixed Reality umschrieben. Die erweiterte Realität könnte die Filterblasen, in denen man heutzutage schon steckt, endgültig hermetisch versiegeln. Davon war auf der F8 freilich nicht die Rede.

Man könnte etwa, beschrieb Zuckerberg ein ebenso trostloses wie einfallsreiches Endanwender-Szenario, mittels Augmented Reality eine zweite Kaffeetasse auf den Frühstückstisch montieren. Das sähe dann so aus, als sei man nicht allein.

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