Nach Razzia bei kino.to:Machen sich Nutzer eines Streaming-Dienstes strafbar?

Nach der Razzia beim Filmportal kino.to befürchten viele Nutzer, dass bei ihnen demnächst auch die Polizei vor der Tür steht. Allerdings gibt es bislang zu solchen Streaming-Diensten kein Urteil - und der Fall ist unter Juristen umstritten.

Nach der Razzia gegen Betreiber des Filmportals kino.to machen sich viele Nutzer Sorgen, ob sie nun auch mit Ermittlungen rechnen müssen. Bislang gibt es zu solchen Streaming-Diensten keine Gerichtsentscheidung, so dass die strafrechtliche Bewertung der Nutzung unter Juristen umstritten ist.

Filme-Portal Kino.to abgeschaltet

Die Kriminalpolizei ermittelt gegen die Betreiber des Filme-Portals Kino.to wegen Verdachts auf Urheberrechtsverletzung.

(Foto: dpa)

"Wenn man Streaming rechtlich bewertet wie Fernsehen, ist der Nutzer straffrei", sagt der Rechtsanwalt Arnd Böken aus Berlin. "Wenn man aber auf die Technik des Zwischenspeicherns abstellt und mit dem Download von Dateien vergleicht, dann macht sich der Nutzer strafbar", so der IT-Experte von der Kanzlei Graf von Westphalen. So würden auch beim Puffern der Streaming-Inhalte Daten zumindest für kurze Zeit gespeichert, was als Vervielfältigung betrachtet werden könne. "Der Unterschied zwischen Download und Streaming ist dann unerheblich", erläuterte Böken.

Christian Solmecke von der Kölner Medienrechtskanzlei vertritt die Auffassung, dass "der reine Konsum von Streaming-Diensten nicht rechtswidrig" sei. Dies gelte zumindest, solange Nutzer den Stream nicht aufzeichnen und keine Kopie der Daten auf dem eigenen Rechner erstellen.

Gegen das Streamingportal Kino.to ermittelt derzeit die Generalstaatsanwaltschaft Dresden. Die Plattform hat Links zu Streaming-Servern angeboten, die zahllose Filme bereitstellten, darunter auch aktuelle Blockbuster.Sie soll zuletzt von täglich mehreren hunderttausend Menschen genutzt worden sein.

Von der Razzia betroffen sind 21 Personen, zwölf von ihnen sitzen in Untersuchungshaft. Die Razzia in 42 Wohnungen, Büros und Rechenzentren in insgesamt 20 Orten zwischen Berlin, Hamburg und München folgt einem Strafantrag, den die Gesellschaft zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen (GVU) im April gestellt hat.

Seit Mittwoch ist die Plattform offline. Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden hat die Frage, ob sich möglicherweise auch Nutzer von kino.to strafbar gemacht haben könnten, nach Angaben eines Sprechers zurückgestellt.

Angesichts der unsicheren Rechtslage gehe ein Nutzer solcher Plattformen ein erhebliches Risiko ein, mahnt Rechtsanwalt Böken. Allerdings sei es schwierig, die Nutzer zu ermitteln, weil die IP-Adressen von den Telekommunikationsanbietern nur kurzfristig gespeichert würden. Eine andere Frage sei, ob Nutzerdaten bei kino.to gespeichert worden seien.

Sollte es zu einem Verfahren kommen, ende dies vermutlich mit einer Einstellung des Verfahrens gegen Zahlung einer Buße, sagt Böken. Allerdings kann die Sache teuer werden, wenn es nicht zu einer Einstellung, sondern zu einem Verfahren über mehrere Instanzen kommen sollte.

Die Justiz allein kann aber den Konflikt nicht auf Dauer lösen. Selbst die GVU erwartet, dass es Nachfolger von kino.to geben wird. Rechtsanwalt Böken hält es daher für "wünschenswert, dass der Gesetzgeber eine klare Regelung schafft, um die Nutzung solcher Angebote eindeutig zu bestimmen, nicht nur in Deutschland, sondern international."

Was die Piratenpartei sagt

"Der Fall hat ähnliche Ausmaße wie das Vorgehen gegen das Portal Pirate Bay in Schweden", so Böken. Die Server von Pirate Bay, wo Links zu Dateien aller Art für das File-Sharing-Protokoll BitTorrent verfügbar sind, wurden vor fünf Jahren von der Polizei beschlagnahmt.

Danach folgte ein langwieriges juristisches Verfahren über mehrere Instanzen, das bis heute noch nicht abgeschlossen ist. Auch der Urheberrechtsexperte der Piratenpartei, Andreas Popp, sieht da "vom Prinzip her eine starke Parallele". Wie bei Pirate Bay habe es auch bei kino.to nur Links zu den Inhalten auf anderen Servern gegeben. Und in beiden Fällen seien das Netz an sich und seine Nutzer als "die bösen Urheberrechtsverletzer" hingestellt worden.

"Die Nutzer wollen den Content aus dem Netz haben, die Industrie bietet das aber nicht an", kritisiert Popp. "Deswegen schaffen die Nutzer ihre eigenen Plattformen." In den USA sei man hier schon weiter als in Europa, wie an Beispielen wie dem Portal hulu.com oder Filmplattform Netflix zu sehen sei.

Es sei ein Kampf gegen Windmühlen, wenn man den "Konflikt zwischen digitaler Revolution und Urheberrecht" nur mit polizeilichen Mitteln zu lösen versuche. Der Fall kino.to zeige, dass man in diesem Konflikt "immer noch auf dem gleichen Stand ist wie vor zehn Jahren, als man versucht hat, Napster abzuschalten", sagt Popp

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