Nach Interview von Netanjahu:Iraner demonstrieren Beinfreiheit

"Wären die Iraner frei, würden sie Jeans tragen": Israels Ministerpräsident Netanjahu will in einem Radiointerview die iranische Jugend für sich einnehmen. Blöd nur, dass die in Jeans vor dem Computer sitzt und ihm jetzt via Twitter Bilder schickt.

Von Anja Perkuhn

Sollte ein guter Ministerpräsident Bescheid wissen über die Buchsen der braven Bürger, die er für sich einnehmen will? Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu scheiterte am Sonntag in einem Interview mit dem persischen Programm der BBC bei dem Versuch, über die Kleidungsfrage an die Iraner heranzukommen: "Ich denke, wenn die iranischen Bürger wirkliche Freiheit hätte, würden sie Jeans tragen, westliche Musik hören und frei wählen."

"Hier sind meine Jeans, du Idiot"

Doch die iranischen Jugendlichen sahen danach in Netanjahu nicht ihren neuen Freiheitsbringer, sondern bestenfalls einen Hosentaschenhelden: Sie posteten über Twitter und den Hashtag #iranjeans oder direkt adressiert an den offiziellen Account des Ministerpräsidenten Bilder von sich oder anderen und ihren Jeans, immer wieder verknüpft mit dem Hinweis, Netanjahu habe keine Ahnung, wer die Iraner seien. "Hier sind meine Jeans und meine westliche Musik, du Idiot" heißt es da, oder auch noch weniger dezent: "Schau das Bild an und leck mich und halt die Klappe - ich höre Maroon5 und trage Jeans".

In Iran ist es Frauen zwar vorgeschrieben, in der Öffentlichkeit ihre Haare zu verdecken und lockere Kleidung zu tragen, Jeans stehen aber nicht auf dem Kleidungsindex. Und obwohl es illegal ist, westliche Musik zu hören, finden die Iraner zu Hause einen Weg. Bei dem Kurznachrichtendienst Twitter, der wie auch Facebook in dem Land von der Regierung geblockt wird, gibt es ebenfalls diverse Möglichkeiten, die Sperre zu umgehen.

Netanjahu erwähnte in dem Interview ebenfalls die Proteste gegen die Wiederwahl des Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad im Jahr 2009, bei denen Dutzende Iraner getötet wurden - unter anderem Neda Agha-Soltan, eine junge Frau, die von Unbekannten auf der Straße erschossen und zum Symbol der Bewegung wurde, auch, weil ihr Tod auf Video festgehalten wurde. "Ich sah sie an ihrem eigenen Blut ersticken", sagte der Ministerpräsident. Doch auch dieser Aspekt erreichte nicht die gewünschte Tragweite, denn auch hier konnte ihm die Netzgemeinde leicht vorlegen: Soltan trug Jeans.

Eigentlich wollte er vor Irans Atomprogramm warnen

Ein paar flinke Photoshopper zauberten bereits aus einem Bild von Netanjahus Rede im vergangenen Jahr vor der UN-Generalversammlung über die Bedrohung durch das iranische Atomprogramm und die "rote Linie", die man ziehen müsste, eine Collage mit einer Massenvernichtungs-Jeans.

In dem BBC-Interview von Sonntag war es Netanjahu im Kern eigentlich um das Urananreicherungs-Programm des Iran gegangen. Der israelische Ministerpräsident forderte die Regierung um den neuen Präsidenten Hassan Rohani auf, es zu beenden: "Ich würde eine echte Versöhnung begrüßen, eine wirkliche Bemühung, das Nuklearprogramm zu stoppen, keine vorgetäuschte. Keine 'harfe pooch'" - eine umgangssprachliche persische Phrase für "leere Worte".

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