Zukunft des Konzerns:Wie Apple ohne Steve Jobs funktioniert

Steve Jobs war Apple, Apple war Steve Jobs: Mit dem Tod des Visionärs verliert der Konzern seinen Vordenker, der mit einer Mischung aus Weitblick und Detailbesessenheit Apple zu dem marktbeherrschenden Konzern machte, der er heute ist. Zwar hat Jobs die Strategie der kommenden Jahre noch mitentworfen, doch Nachfolger Cook muss eine Entscheidung treffen, die den Konzern nachhaltig verändern könnte.

Johannes Kuhn

Apples Mantra, die Vergangenheit zu vergessen und auf sich die Entwicklungen der Zukunft zu konzentrieren, es zählt an diesem Tage nicht: "Steve hinterlässt ein Unternehmen, das nur er erschaffen konnte", schrieb CEO Tim Cook in einer E-Mail an die Belegschaft, "sein Geist wird für immer die Grundlage Apples sein."

Lange hat Steve Jobs sein Unternehmen geführt, so lange, dass Analysten sich Sorgen zu machen begannen, ob es für die Zeit nach seiner CEO-Regentschaft gerüstet sein würde. Andererseits: Apple ohne Steve Jobs - das war lange Zeit nicht vorstellbar.

Der schrittweise Rückzug, aus dem Tagesgeschäft im Januar 2011 und komplett aus dem Vorstand im August, zeigt, wie eng die Verknüpfung zwischen der Firma Apple und der Person Jobs war. Die Ära Jobs endete gleichzeitig zu einem Zeitpunkt, an dem alle Produktlinien sich gut bis bestens verkaufen, Apple mit dem iPhone und dem iPad den Markt für mobile Endgeräte prägt, im Falle der Tablets sogar dominiert.

Mit einem Jahresumsatz von 65,2 Milliarden US-Dollar und mehr als 70 Milliarden Dollar Barreserven hinterlässt Jobs ein gesundes Unternehmen. Alleine im Zeitraum von April bis Juni 2011 lag der Umsatz bei gigantischen 28 Milliarden Dollar.

iPhones für alle oder Premium-Marke?

Mehr noch: Die Gewinnspannen wachsen derzeit, weil Apple mit seiner Marktmacht den Komponenten-Zulieferern die Preise diktieren kann. Wie mächtig der Konzern ist, zeigen auch die Berichte über eine Abmachung mit Sprint. Um das iPhone vertreiben zu dürfen, soll der US-Mobilfunkprovider garantiert haben, Apple in den nächsten vier Jahren 30,5 Millionen Smartphones abzunehmen. Damit stärkt Apple seinen Handy-Marktanteil in den USA, während Sprint mit dem Verkauf des iPhones bis 2014 Verluste machen wird.

Berichten zufolge steht die Produktstrategie für die nächsten zwei bis drei Jahre in Grundzügen fest und wurde noch in enger Absprache mit Jobs konzipiert. Erste Einblicke lieferte Apple am Dienstag, als es nicht nur das iPhone 4S vorstellte, sondern gleichzeitig den Preis für das iPhone 4 in den USA auf 99 Dollar senkte. Das iPhone 3GS wird mit Vertrag sogar kostenlos zu haben sein. Damit versucht der Konzern, neue Kunden jenseits des Premium-Segments zu erschließen - eine Reaktion auf den ständig wachsenden Marktanteil preiswerter Android-Handys.

Im Tablet-Geschäft ist der Vorsprung vor den Rivalen größer: 68,3 Prozent der verkauften Flachcomputer sind derzeit iPads. Mögliche Konkurrenzprodukte scheint Apple über Patent- und Schutzrechtsklagen vom Markt fernhalten zu wollen, so versucht der Konzern den Verkauf des vielgelobten Samsung Galaxy Tab in Europa zu verhindern.

Die Herausforderungen des Tim Cook

Mittelfristig steht das Team rund um Apple-Chef Tim Cook allerdings vor einer strategischen Entscheidung, die die Ausrichtung des kompletten Konzerns betrifft: Setzt das Unternehmen weiterhin vor allem darauf, über teure Premium-Hardware Geld zu verdienen? Dann muss Apple seinen Innovationsvorsprung behalten und den Kunden weiterhin außergewöhnliche Geräte bieten.

In der bisherigen Firmen-Geschichte garantierte Steve Jobs mit einer Mischung aus Weitblick und Detailbesessenheit diese Innovationen, der Einbruch des Unternehmens während seiner Abwesenheit zwischen 1985 und 1997 zeigt, wie sehr Apple vom Gründer abhing. Die hohen Erwartungen an Apple-Produkte könnten in der Post-Jobs-Ära zur Bürde werden, wie die enttäuschten Reaktionen auf die Vorstellung des iPhone 4S erahnen lassen.

Der andere Weg wäre eine Öffnung für ein größeres Massenpublikum, wie die Preissenkungen es andeuten. Apple-Produkte würde es dann mittelfristig auch in abgespeckten, preiswerteren Varianten geben, um die weniger gutbetuchten Kunden anzusprechen. Damit würde sich das Unternehmen allerdings nicht nur seinen Markenkern verändern, sondern auch in einen Preiskampf einsteigen, der am Gewinn nagen dürfte.

An namhaften Gegnern mangelt es nicht: Neben der Google-Motorola-Allianz und Unternehmen wie Samsung oder HTC drängt inzwischen auch der Online-Händler Amazon mit einem preiswerten Tablet für den Medienkonsum auf den Markt. Im PC- und Laptop-Bereich dominieren weiterhin Geräte mit Microsofts Windows-Betriebssystem.

Wie arbeitet der Vorstand?

Noch ist unklar, ob Apples neue Führungsstruktur für die strategischen Herausforderungen taugt: Anders als Steve Jobs gilt Tim Cook als integrative Person, dem jedoch das Charisma fehlt. Wie der mit Apple-Veteranen wie Phil Schiller oder Scott Forstall gespickte Vorstand Entscheidungen findet, dürfte entscheidend zum Erfolg oder Misserfolg der künftigen Führungsriege beitragen.

Bereits im August hatte Cook seinen Mitarbeitern versichert, dass sich "Apple nicht ändern wird". Sollten sich seine Worte bewahrheiten, wird das Unternehmen weiterhin mit großer Risikobereitschaft agieren. Die größte Herausforderung dabei wird die Tatsache sein, dass es dabei nicht mehr auf den Instinkt, die Unterstützung und die Führung des Firmenmitbegründers zurückgreifen kann.

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