Mobilfunk:Handynutzer surfen oft viel langsamer als versprochen

Cro in Hamburg

Mal eben ein Video vom Konzert hochladen? Das geht nur mit halbwegs schnellem Internet.

(Foto: dpa)
  • Das Internet auf Smartphones und Tablets ist meistens deutlich langsamer als die Mobilfunkkonzerne versprechen. Jeder zweite Kunde erreichte in einem Verbindungstest nur 38 Prozent der vermarkteten Geschwindigkeit.
  • Die schnellsten Anbieter im Test waren Telekom und die Konzerntochter Congstar, gefolgt von Vodafone und E-Plus.

Von Varinia Bernau und Bastian Brinkmann

Daten stammen aus Test mit Zehntausenden Nutzern

Wie schnell ist das Internet auf dem Handy wirklich? Die Süddeutsche Zeitung hat gemeinsam mit dem auf Netztests spezialisierten Unternehmen Zafaco Zehntausende Mobilfunkkunden über mehrere Monate testen lassen, wie hoch ihre Übertragungsgeschwindigkeit auf Smartphones und Tablets ist. Die Auswertung stützt sich auf 65 413 Werte, die die Nutzer mit einer App auf Apple- und Android-Telefonen gemessen haben.

Ein Hinweis vorneweg: Die Messungen erfüllen nicht die Maßstäbe, um statistisch repräsentativ zu sein. Das ist dann der Fall, wenn die Teilnehmer des Tests im Schnitt genau die gleichen Merkmale aufweisen wie die tatsächliche Bevölkerung in Deutschland. An der Studie nahmen beispielsweise vergleichsweise viele O2-Kunden teil. Dafür waren E-Plus-Kunden unterrepräsentiert. Dennoch lassen sich aus der Umfrage interessante Tendenzen ablesen.

Jeder zweite erreicht nur knapp ein Drittel der versprochenen Geschwindigkeit

Die Werbung der Mobilfunkanbieter preist sehr schnelle Verbindungen an. Sie versprechen in den teuersten Verträgen den Kunden Übertragungsraten von 100 oder 150 Megabit pro Sekunde (Mbit/s). Allerdings enthält die Werbung immer zwei kleine Wörter: "bis zu". Und "bis zu 100 Mbit/s" können auch deutlich weniger sein. Genau das zeigt sich in der Stichprobe: Die meisten Kunden surfen erheblich langsamer als versprochen. Jeder zweite erreicht nur 38 Prozent der vermarkteten Geschwindigkeit.

Telekom, Vodafone, O2 und E-Plus im Vergleich

Vereinzelt gab es Messwerte, die nahe an 100 Mbit/s lagen. So ein superschnelles Internet ist jedoch die Ausnahme. Die meisten Menschen surfen spürbar langsamer. Damit die Ergebnisse nicht durch solche Tempo-Ausreißer verzerrt werden, sind die folgenden Werte keine Durchschnitte, sondern jeweils der sogenannte Median. Das ist der Wert, den genau die Hälfte der Nutzer erreichen. Er zeigt besser, womit der Kunde im Mittel rechnen kann. Hier die Ergebnisse im Überblick.

Auch der Median ist nur ein Mittelwert, der im Einzelfall stark abweichen kann. Um ein wenig einzuordnen, wie häufig Ausreißer nach oben und nach unten sind, hilft folgende Übersicht. Sie zeigt, welchen Höchstwert das langsamste Viertel der Kunden erreicht hat - und wie schnell das flotteste Viertel mindestens war.

Was die Studie zur Netzabdeckung sagt

Werte in Mbit/s: Wie viel ist das überhaupt?

Die Einheit Megabit pro Sekunde beziffert die Geschwindigkeit der übertragenen Daten, wie Kilometer pro Stunde auf der Autobahn. Allerdings sind die Größen von Daten in einer anderen Einheit angegeben: nämlich in Megabyte. Ein Handyfoto mit hoher Auflösung ist etwa zwei Megabyte groß. Um es in einer Sekunde hochzuladen, ist eine Übertragungsrate von 16 Mbit/s nötig. Wer ein zehnsekündiges Video anschauen will, muss dafür beispielsweise rund fünf Megabyte herunterladen. Das dauert fünf Sekunden, wenn der Empfang gerade eine Geschwindigkeit von 8 Mbit/s zulässt.

Netzabdeckung ist schlecht

Der momentan schnellste Mobilfunkstandard heißt LTE. Theoretisch können Nutzer damit bis zu 150 Mbit/s surfen. Zu Telefónica Deutschland gehören etwa die Marken O2, Base, E-Plus und Simyo, der Konzern verspricht eine LTE-Abdeckung von mehr als 50 Prozent der deutschen Bevölkerung. In Großstädten liege sie noch deutlich höher. Vodafone stellt nach eigenen Angaben etwa 70 Prozent der Bevölkerung LTE zur Verfügung, die Telekom etwa 77 Prozent. Im Nutzertest schafften aber nur 21 Prozent der Smartphones eine Verbindung in LTE-Geschwindigkeit.

Der Großteil der Nutzer ist im langsameren 3G-Netz unterwegs. Es schafft Übertragungsraten von rund 0,4 Mbit/s bis 42,2 Mbit/s. Auf dem Land haben in 30 Prozent der Fälle die Handys nicht einmal diese Geschwindigkeit, sondern konnten nur mit der 2G-Technik ins Internet gehen, auch Edge genannt. Das sind rund 0,2 Mbit/s und weniger - was kaum reicht, um Fotos zu übertragen. Aber auch in Großstädten kam jeder zwölfte nur auf diese mickrige Geschwindigkeit.

Wer Dateien hochladen will, braucht noch mehr Geduld

Ein Selfie vor dem Brandenburger Tor, ein kurzes Video vom Konzert oder eben die Kundenpräsentation per E-Mail weiterleiten: Handynutzer wollen zunehmend mehr Daten von unterwegs hochladen. Die Übertragungsdaten dafür sind noch niedriger als die Geschwindigkeiten fürs Herunterladen. Die Anbieter liegen dabei nicht weit auseinander, wie die Tabelle zeigt.

Apple oder Google: Wessen Kunden haben besseres Internet?

iPhone-Kunden surfen schneller als Android-Besitzer

Nicht nur zwischen den Anbietern gibt es Unterschiede. Die Messungen gingen auch für die verschiedenen Handytypen auseinander. Im Schnitt surfte ein iPhone-Besitzer mit 6,3 Mbit/s. Wer dagegen mit einem Handy unterwegs war, das mit Googles Betriebssystem Android läuft, erreichte im Mittel nur 3,9 Mbit/s. Das könnte ein Hinweis darauf sein, dass Apple-Käufer sich eher teurere und damit schnellere Verträge leisten.

Wie schnell ist das Internet zu Hause?

Die meisten Menschen nutzen zu Hause ein eigenes Funknetzwerk, kurz Wlan. Auch die Geschwindigkeiten solcher Internetverbindungen wurden gemessen und separat ausgewertet. Die Hälfte aller Wlan-Nutzer surft demnach mit 9,7 Mbit/s. Dabei kommt es nicht nur darauf an, wie viel Leistung der Internetanbieter liefert. Der Wlan-Router, der das Funknetzwerk aufbaut, kann beispielsweise durch Wände gestört werden.

Wer testen will, wie schnell sein Internetanschluss zu Hause ist, kann dies auf einer Internetseite der Bundesnetzagentur tun. Aber auch hier bleibt die tatsächliche Leistung im Schnitt deutlich hinter den Versprechen in den Verträgen zurück. Das haben Studien der Netzagentur von 2013 und 2012 gezeigt. Um diesen Missstand im Festnetzbereich zu stoppen, werden die Anbieter künftig stärker reguliert. Die Netzagentur will Anfang des kommenden Jahres entscheiden, wie das genau geschehen wird.

Was machen die Konzerne?

Immerhin: Die Anbieter haben das Problem erkannt - und bauen ihre Netze aus. Die Telekom will im nächsten Jahr noch einmal etwa vier Milliarden Euro investieren, auch Vodafone steckt bis Ende des nächsten Jahres eine ähnliche Summe ins deutsche Netz. Die Übernahme von Kabel Deutschland durch den Konzern dürfte Vodafone-Kunden einiges bringen. Denn auch ein Mobilfunknetz besteht nicht nur aus Funkmasten, es braucht auch Leitungen, um all die Daten vom Mast ran- oder wegzuschaffen. Im Zuge der Fusion konnte Vodafone die Länge seiner Leitungen etwa vervierfachen - allerdings liegen die eingekauften Kabel vor allem in den Städten.

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