Mobiles Internet:Langsamer als bestellt

A woman uses a smartphone in New York City

Doppelt so schnell surfen mit zwei Smartphones? Schön wär's.

(Foto: REUTERS)

Nicht nur in der U-Bahn dauert es manchmal ewig, bis das Smartphone eine Webseite lädt. Telekom, Vodafone und Co. verkaufen zwar superschnelles Internet auch für unterwegs - doch das stimmt nicht wirklich. Für den Trick reichen den Konzernen zwei kleine Worte.

Von Varinia Bernau und Bastian Brinkmann

Mal eben nach dem Weg suchen, eine Rechnung begleichen oder sich auch nur mit einem Video unterwegs die Zeit vertreiben: Das Smartphone ist längst ein Helfer in allen Lebenslagen. Doch jedes Mobiltelefon kann nur so viel, wie das Netz, das es mit dem Internet verbindet. Und da verliert Deutschland im internationalen Vergleich gerade den Anschluss. Ausgerechnet beim Ausbau des mobilen Breitbands hinkt Deutschland weiten Teilen der Welt hinterher.

Dabei ist schnelles Internet nicht nur etwas für diejenigen, die in der U-Bahn daddeln. Es ist auch ein Standortfaktor. Auf dem platten Land gilt der neue Funkstandard LTE als große Hoffnung. Denn über die Antennen kommt das schnelle Internet auch da hin, wo der Ausbau von Glasfasernetzen zu aufwendig ist. Dieses Netz zu bauen, das dauert - und es ist teuer: Bagger müssen Straßen aufreißen und Kabel vergraben.

Derzeit ist noch nicht einmal ein Zehntel aller deutschen Haushalte an das Glasfasernetz mit Übertragungsraten von bis zu 120 Megabit pro Sekunde (Mbit/s) angeschlossen. Schätzungen zufolge würde es 20 Jahre dauern, alle Haushalte anzuschließen. Und es würde insgesamt etwa 80 Milliarden Euro kosten. Mit LTE könnte es schneller und billiger werden. Deswegen wird derzeit bei den Koalitionsverhandlungen in Berlin auch darum gerungen, wie die Netze der Zukunft aussehen - und wer dafür letztlich zahlt.

Superschnell surfen? Klappt leider nur selten

In der Werbung der Mobilfunkanbieter hört es sich hingegen heute schon an, als sei alles wunderbar. Die Deutsche Telekom verspricht gerade in einer neuen Kampagne "Highspeed-Surfen" mit 150 Mbit/s. Und Vodafone hat angekündigt, in den nächsten zwei Jahren in fünf Städten das Surfen bei bis zu 225 Mbit/s möglich zu machen. Doch in Wahrheit kann nicht jeder Kunde mit solchen Geschwindigkeiten im Netz surfen. "Die beworbenen Übertragungsraten erreicht man nur selten", sagt Andreas Grebe vom Institut für Nachrichtentechnik der FH Köln.

Die Telekommunikationskonzerne stehen vor einer Grundsatzfrage: Wer hat das Sagen im Konzern - die Marketingabteilung oder die Technik? Geht es nach der reinen Werbelehre, machen die Anbieter gerade alles richtig. Sie preisen hohe Geschwindigkeiten, allerdings stets ergänzt durch zwei Wörtchen, die nicht jeder Kunde auf den ersten Blick sieht: "bis zu".

Bis zu 150 Mbit/s können natürlich auch 70 MBit/s sein. Oder zwei. Für Techniker ist das keine Überraschung, für den Verbraucher zumeist schon. Denn ein Mobilfunknetz ist ähnlich wie ein Straßennetz: Wie schnell man vorankommt, das hängt vor allem davon ab, wie viele Leute sonst noch unterwegs sind - und was sie so machen. Auf der Straße sind es die dicken Laster, die viel Platz wegnehmen. Im Internet diejenigen, die dicke Datenpakete übertragen, sich beispielsweise hochauflösende Videos herunterladen.

Neue App entlarvt Werbeversprechen

Verbraucher können durch kleine Zusatzprogramme für ihr Smartphone den Werbeblendungen auf die Schliche kommen. Die Firma Zafaco, die einen ähnlichen Test im Festnetz auch schon für die Bundesnetzagentur durchgeführt hat, startet dieser Tage eine solche App, Süddeutsche.de ist Medienpartner. (Hier die App names Kyago im iTunes-Store, und hier in Googles Play-Store. Mehr Informationen zur Aktion hier.)

Forscher Grebe kritisiert trotz möglicher Selbstaufklärung die Bis-zu-Sprachregelung, die sich schleichend als Standard durchgesetzt hat. "Das ist eine Formulierung zugunsten der Anbieter", sagt er und appelliert an die Aufsicht, die Bundesnetzagentur, hier genau hinzuschauen.

Behörde macht bereits Druck auf DSL-Anbieter

Im Festnetz hat sie das bereits getan: Die Behörde hatte die Verbraucher testen lassen, wie schnell das Internet wirklich ist, das über das Kabel aus der Wand kommt. Das Ergebnis war desaströs: Nur jeder fünfte kann hierzulande so schnell surfen wie bestellt. Jeder dritte kommt dagegen gerade einmal auf die Hälfte der versprochenen Bandbreite. Und in den Abendstunden, wenn die Menschen im Wohnzimmer die Videostreams anschalten und es eng wird auf der Datenautobahn, sinkt die Leistung weiter - um bis zu 15 Prozent, hieß es im Abschlussbericht (hier als PDF).

Wenig später bestellte die Behörde die Anbieter ein. Sie sollten erklären, wie sie für mehr Transparenz sorgen wollen. Einige gestalteten ihre Verträge klarer. Andere, wenn auch noch wenige, rechnen inzwischen nach der tatsächlichen statt der versprochenen Übertragungsrate ab: 1&1 etwa lässt Kunden schon lange in einen billigeren Vertrag wechseln oder ganz stornieren, wenn der Konzern nicht leisten kann, was bestellt war.

Doch ob die Anbieter daraus auch Lehren für den Mobilfunk ziehen, bleibt abzuwarten. O2 bietet immerhin eine virtuelle Landkarte, auf der man nachsehen kann, wie schnell man wo surfen kann. Vodafone plant fürs nächste Jahr etwas Ähnliches. "Die Karte soll den zu erwartenden Datendurchsatz bei optimalen Bedingungen sowie bei mittlerer und hoher Netzlast anzeigen", verspricht Deutschland-Chef Jens Schulte-Bockum.

Abrechnen nach echter Bandbreite? Die Provider winken ab

Aus Sicht der Anbieter reicht das zur Aufklärung. Nach der tatsächlichen statt der möglichen Geschwindigkeit abzurechnen, halten sie für schwierig. Schließlich bleibt, anders als beim Festnetzanschluss, mit seinem Smartphone kaum einer immer nur an einem Ort. Die Anbieter müssten also ständig nachmessen - und immer wieder aufs Neue abrechnen. Das wäre in etwa so, als gäbe es an der Mautstation auch eine Geld-zurück-Garantie für den Fall, dass man mal im Stau steht.

Dass die Mobilfunkanbieter zögern, hat aber auch noch einen anderen Grund: Nachdem die Preise für Telefonate und SMS stetig gesunken sind, setzen sie nun alle Hoffnung auf das Geschäft mit dem Surfen unterwegs: Bei der Telekom unterstützt jedes dritte verkaufte Smartphone den LTE-Standard, bei O2 und Vodafone sogar jedes zweite. Und damit entdeckt eine immer größere Kundschaft das schnelle Surfen - und auch einen etwas teureren Tarif. Tim Höttges, der bei der Telekom zum Jahreswechsel vom Finanzchef zum Konzernchef aufsteigt, verwies kürzlich stolz darauf, dass der Umsatz mit den Datentarifen im jüngsten Quartal um mehr als 30 Prozent zugelegt hat.

Und dieses Geld brauchen die Konzerne auch, um den stockenden Netzausbau in Deutschland voranzubringen - zumindest so lange, bis die neue Regierung in Berlin nicht doch noch anderswo etwas Geld dafür auftut.

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