Mobiles Bezahlsystem:Apple versucht, was Google misslang

Tim Cook

Apple Pay: Bezahlen mit dem Smartphone

(Foto: AP)

Mit den neuen iPhones kann man auch bezahlen. Aber wie funktioniert die Bezahlung via Smartphone überhaupt? Und wollen die Kunden das? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Von Mirjam Hauck

Apple will mit einem iPhone-Bezahlsystem der herkömmlichen Brieftasche Konkurrenz machen. Konzernchef Tim Cook kündigte Dienstag in Kalifornien auch eine digitale Geldbörse im neuen iPhone 6 an. Damit soll es reichen, das Telefon an das Lesegerät an der Kasse zu halten und die Zahlung per Fingerabdruck auf dem iPhone-Sensor zu bestätigen. Das System heißt Apple Pay. Es nutzt - wie erwartet - den Nahfunk-Standard NFC, auf den die Finanzbranche bei mobilen Bezahldiensten setzt.

Der Dienst startet ab Oktober zunächst in den USA: Kooperationen mit American Express, MasterCard und Visa soll es auf Seiten der Kreditkartenfirmen geben, zudem mit etlichen Banken sowie Ketten wie McDonald's, Macy's, Staples, Toys"R"Us und Disney auf Händlerseite. Die Ausweitung nach Europa ist geplant, für Deutschland gibt es aber noch keinen Termin.

Apple erhöht damit die Aufmerksamkeit auf ein Bezahlsystem, das es schon einige Jahre gibt und bei dem beispielsweise Google seit 2011 mit seiner "Wallet" versucht, es zumindest in den USA zu etablieren. Kann Apple etwas gelingen, wobei Google bislang versagt?

Was ist NFC?

NFC (Near Field Communication) ist eine Funktechnologie, mit der über kurze Distanz Daten zwischen elektronischen Geräten ausgetauscht werden. Die Technologie wurde bereits 2002 von Sony und NXP Semiconductors entwickelt, der ehemaligen Halbleiter-Sparte von Philips. Dabei wird ein Chip an ein Lesegerät gehalten, die Reichweite liegt bei etwa vier Zentimetern. NFC-Chips finden sich bisher unter anderem in Bank- oder Zutrittskarten sowie in einigen Smartphones. Finanzbranche und Mobilfunk-Anbieter versuchen schon seit längerem, mobile Bezahlsysteme auf NFC-Basis zu etablieren.

Wer soll mobiles Bezahlen nutzen?

Fragt man Analysten, prophezeien sie Mobile-Payment-Lösungen eine große Zukunft. Die Berater von PricewaterHouseCoopers sagen, dass die Kundenbasis von jetzt 176 000 Menschen auf elf Millionen Menschen im Jahr 2020 ansteigen wird. Auch das Institut für Handelsforschung in Köln hat eine Umfrage gemacht. Hier können sich 58 Prozent der Nichtnutzer vorstellen, künftig mobile Bezahllösungen zu wählen. 40 Prozent der Nichtnutzer würden gerne in Zukunft häufiger mit dem Handy bezahlen. Es gibt aber auch weniger optimistische Studien. Laut der Marktforscher von Nielsen können sich nur 26 Prozent der Deutschen vorstellen, mit dem Handy zu bezahlen.

Welche Vorteile hat das Bezahlen per NFC?

NFC funktioniert auch ohne Internetverbindung. Die Energie für die Übertragung erhält der Chip vom elektromagnetischen Feld des Lesegeräts. Wer sein Smartphone sowieso immer dabei hat, hat per NFC ein sicheres Zahlungsmittel. Man muss keine PIN eingeben und Probleme mit kaputten Magnetstreifen gibt es nicht mehr.

Und welche Nachteile?

Wer schnell und sicher bezahlen will, kann das auch jetzt schon tun: mit Bargeld. Anders als mit Bargeld ist die Bezahlung per NFC nicht anonym. Der Anbieter weiß, wer, wann, was und wo gekauft hat. Allerdings betont Apple, dass seine neue Pay-Lösung anonym sei. Auch stellen EC- und Girokarte eine starke Konkurrenz für das neue Verfahren dar, schließlich entstehen hier für den Kunden keine Zusatzkosten, es wird lediglich ein Girokonto benötigt.

Viele Flops, wenig Tops

Ist mobiles Bezahlen per NFC massenmarktfähig?

An sich hat Mobile Payment gute Voraussetzungen: Fast sechs von zehn Deutschen haben ein Smartphone, allerdings ist nicht jedes NFC-fähig. Neben den jetzt vorgestellten iPhones sind es vor allem die High-End-Geräte der Smartphone-Hersteller, die die Funktechnologie beherrschen.

Die technische Ausrüstung ist auch für Marc Oliver Reeh, Geschäftsführer am Center for Near Field Communication Management der Universität Hannover, das Henne-Ei-Problem. Damit das Bezahlen per NFC funktioniert, braucht es beim Händler entsprechende Terminals. Rund 50 000 Terminals sind es nach Angaben von Reeh derzeit. Das ist recht wenig, wenn man bedenkt, dass es in Deutschland rund 800 000 Kartenterminals gibt.

Allerdings soll sich dieses Problem in den kommenden Jahren auflösen. Bis 2018 will etwa Mastercard alle Geräte umgerüstet haben. Und nach einer Umfrage des EHI Institutes in Köln erwarten 43 Prozent der Händler eine flächendeckende Verbreitung von NFC-fähigen Terminals in ihren Filialen bis 2016 und alle Mobilfunknetzbetreiber sind sich sicher, dass 2016 mehr als drei Viertel aller Smartphones NFC-fähig sein werden.

Gibt es bereits ähnliche, funktionierende Systeme?

Bereits seit Jahren gibt es Versuche, die Technik zu etablieren, allerdings ohne größere Erfolge. Schon 2003 zog sich der Anbieter Paybox zurück.

Mpass: Aktuell versuchen die Deutsche Telekom, Vodafone und O2/Telefonica gemeinsam mit Mpass ein Handy-Bezahlsystem zu etablieren. Allerdings brauchen Kunden, die diesen Dienst nutzen wollen, selbst wenn sie ein NFC-fähiges Handy haben, einen NFC-Sticker, den sie erst einmal auf ihr Handy kleben müssen. Konkrete Zahlen, wie viele Kunden Mpass nutzen, geben die Anbieter nicht bekannt.

Zudem testen die Telekom und Vodafone in ihren Pilotregionen Bonn und Düsseldorf mit wenigen hundert Teilnehmern auch eigene NFC-Bezahlsysteme.

Girogo: Auch die Girogo-Geldkarte, mit der man Beträge bis 20 Euro kontaktlos bezahlen kann, funktioniert per NFC. Aus diesem Projekt sind aber bis auf die Sparkasse alle beteiligten Banken wieder ausgestiegen.

Gibt es Alternativen zu NFC?

Es gibt noch Versuche, mobiles Bezahlen über Apps zu etablieren. In Deutschland ist hier Yapital am Markt, eine Otto-Tochter. Für den Bezahlvorgang ist dann das Scannen eines QR-Codes notwendig. Zudem gibt es noch die Beacons-Technologie, die über Bluetooth Gutscheine aufs Handy sendet. Ein internationales und erfolgreiches Unternehmen auf diesem Markt ist Paypal. Über die "Einchecken"-Funktion kann man als Kunde dieses Dienstes mit dem Handy bezahlen. Das ist aber in Deutschland derzeit nicht im Einzelhandel, sondern nur in Gastronomiebetrieben möglich.

Wie stehen die Zukunftschancen von NFC-Bezahlsystemen?

Für Tim Kiesewetter, Projektleiter im Forschungsbereich Zahlungssysteme beim EHI, passt Bezahlen per Smartphone nicht zum deutschen Habitus: "54,3 Prozent aller Kunden bezahlen mit Bargeld". Ihre EC- oder Girokarte zücken an der Kasse 42,6 Prozent und nur 5,4 Prozent zahlen mit Kreditkarte. Davon wiederum bezahlen höchstens fünf bis zehn Prozent kontaktlos. Und die Deutschen sind konservativ. Pro Jahr verschieben sich die Werte Richtung Kartenzahlung nur um ein Prozent. Steve Perry, Chief Digital Officer bei Visa Europe, ist da euphorischer. Er sagt: "Der Markteintritt von Apple ist ein entscheidendes Stück des Puzzles der mobilen Zahlungen."

Ein anderes Problem ist, dass mit NFC neben den Kreditkartenunternehmen und den Banken mit den Mobilfunkanbietern ein weiterer Player im Markt auftritt, der mitverdienen möchte. Doch weder geben Händler gerne mehr von ihrer Marge ab, noch will der Endkunde mehr zahlen.

Banken sehen Handy-Bezahlsysteme kritisch, denn damit verlieren sie den Zugriff auf ihre Kunden. Auf den Kreditkarten steht immer noch das Logo der Bank, auf einem iPhone steht nur ein Name: Apple.

Aber wahrscheinlich müssen sie sich keine allzu großen Sorgen machen: Die einzigen Orte in Deutschland, an denen kontaktloses Bezahlen per Smartphone funktionieren kann, sind für Kiesewetter die Flughäfen. Wo Businesskunden schnell eine ihrer Kreditkarten zücken um eine 300-Euro Flasche Whiskey zu kaufen, kann auch das Handy ein Zahlungsgerät werden. An Bahnhöfen wiederum gebe es ein komplett anderes Klientel.

Aber vielleicht gibt ja Apple den entscheidenden Impuls, die NFC-Technologie populär und "cool" zu machen. Es wird sich in den kommenden Monaten zeigen, ob Banken, Händler und vor allem die Kunden das System annehmen.

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