Mobile-Spiel "Fallout Shelter":Tamagotchis nach dem Atomkrieg

Ob Brände, radioaktive Kakerlaken oder marodierende Banden: Im Mobile-Spiel "Fallout Shelter" kann die grinsenden Bunkerbewohner nichts aus der Ruhe bringen. Bis der Spieler selbst von den widerspenstigen Unterwelt-Diven die Nase voll hat. Jetzt ist das Mobile-Spiel auch für Android erhältlich.

Von Matthias Huber

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Quelle: Bethesda/PR

Angespielt, nicht durchgespielt: Unsere Games-Kurzkritik "Screenshot" beantwortet Fragen zu den neuesten Computer- und Videospielen auf allen gängigen Plattformen. Und gibt einen ersten Eindruck, worauf Sie sich bei einem neuen Spiel freuen können - und wann Sie lieber noch skeptisch sein sollten.

Hinweis der Redaktion: Dieser Text ist bereits im Juni, zur Veröffentlichung der iOS-Version, erschienen. Seit 13. August ist das Spiel auch für das Android-Betriebssystem erhältlich.

Worum geht es in Fallout Shelter?

Ein Atomkrieg hat die Welt verwüstet. Oder zumindest Nordamerika, so ganz genau weiß das nach dem Ende der Zivilisation, wie wir sie kennen, niemand mehr. Die Überlebenden haben in Bunkern - sogenannten Vaults - neue Kolonien gegründet, abgeschnitten von der kargen und verwüsteten Außenwelt, hinter meterdicken Bleiwänden. Bis in diesem Bunker irgendetwas schiefgeht. Dann wird ein Bewohner hinausgeschickt, etwa um ein dringend benötigtes Ersatzteil für die Wasseraufbereitungsanlage zu finden. In den bisher vier Computerspielen der "Fallout"-Reihe übernahm der Spieler die Rolle eines solchen Abgesandten, der durch die amerikanische Wüste zieht und sich mit radioaktivem Getier, Hulk-ähnlichen Mutanten und postapokalyptischen Barbarenstämmen herumärgert.

Auf der Computerspielemesse E3 hat Entwicklerstudio Bethesda nun mit "Fallout 4" einen fünften Teil der Reihe angekündigt. Und gleichzeitig mit "Fallout Shelter" ein Spin-Off auf den Markt geworfen. In dieser Mini-Wirtschaftssimulation für Mobilgeräte - bislang lediglich iOS, eine Version für Android soll folgen - darf der Spieler erstmals im Bunker bleiben. Seine Aufgabe ist es, als unsichtbarer Aufseher über die Entwicklung der Kolonie zu wachen. Und gelegentlich selbst einen Bewohner in die Wüste zu schicken.

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Was sieht vielversprechend aus?

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Quelle: Bethesda/PR

Seit Jahren hoffen die Fans auf ein "Fallout 4". Als Bethesda dann zeitgleich zur Ankündigung ein davor geheimgehaltenes Mobile-Spiel veröffentlichte, war der Andrang groß. In den ersten Tag schoss Fallout Shelter auf Platz eins der iTunes-Download-Charts für Spiele, noch vorbei am extrem populären Candy Crush.

Umso schöner, was sich hinter Fallout Shelter verbirgt. Und vor allem, dass sich die Macher den zynischen Humor der Fallout-Reihe bewahrt haben. Denn was auch immer die Welt verwüstet hat, scheint dem Ruf von Atomwaffen und radioaktiver Strahlung kaum geschadet zu haben. Nuka-Cola, eine mit radioaktiven Partikeln angereicherte Limonade aus der Zeit vor dem Krieg, ist eine rare Delikatesse, die Kronkorken der Nuka-Flaschen sind weithin anerkanntes Zahlungsmittel. Das Maskottchen der monopolistischen Bunker-Betreiberfirma ist der "Vault Boy", eine fröhliche Cartoonfigur, die in Lehrvideos die größten Grausamkeiten der neuen Welt einfach weglacht. Nach seinem Ebenbild sind auch die Bunkerbewohner in Fallout Shelter gestaltet: Einen Brand in der Kantine bekämpfen sie ebenso gut gelaunt wie sie eine hüftgroße und radioaktiv verseuchte Kakerlake mit der Schrotflinte in ihre leuchtgrünen Bestandteile zerschießen.

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Warum sollte man trotzdem skeptisch sein?

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Quelle: Bethesda/PR

Fallout Shelter ist eben nicht nur ein Werbespiel. Das heißt zwar, dass sich durchaus ein wenig Spieltiefe hinter den dicken Strahlungsschutzmauern verbirgt. Aber es heißt auch, dass Bethesda mit diesem Spiel Geld verdienen möchte. Deshalb ist das Bunkerbauen ständig von Nebenaufgaben begleitet - beispielsweise, dass im Vault eine bestimmte Anzahl von Babys geboren werden müssen, oder dass eine bestimmte Anzahl von Bewohnern eine Expedition ins Ödland unternehmen soll. Der Zufall bestimmt, ob der Spieler als Belohnung für erledigte Aufgaben ein paar Nuka-Kronkorken erhält, oder Päckchen mit digitalen Spielkarten. Diese Spielkarten bringen Geld, mächtige Waffen, schwere Rüstungen oder sorgen mit viel Glück dafür, dass neue, besonders gut ausgebildete Bewohner in den Bunker einziehen.

Ist der Zufallsgenerator aber ungnädig, kann der Spieler mit den Ausbauplänen des Bunkers quälend lange auf der Stelle treten. Bis er womöglich doch für ein solches digitales Kartenpaket und die Chance auf einen neuen Bunkerbewohner ein paar Euro in den ins Spiel integrierten Shop wandern lässt.

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Woran erinnert Fallout Shelter?

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Quelle: Bethesda/PR

An eine sadomasochistische Abwandlung von "The Sims Freeplay", der Mobil-Variante der Computerspielreihe "Die Sims". Denn wichtiger als ein funktionierendes System aus Wasser-, Energie- und Nahrungsversorgung sind im Bunker die persönlichen Fähigkeiten, Bedürfnisse und Befindlichkeiten jedes einzelnen Unterweltlers. Der eine möchte unbedingt im Generator arbeiten, obwohl ihm die entsprechenden Fähigkeitspunkte fehlen; eine andere kann es kaum erwarten, dass sie wieder auf Expedition vor die Tür darf, obwohl sie das letzte Mal nach ihrer Rückkehr den halben Vault mit ihrer Strahlenkrankheit angesteckt hat; eine dritte weigert sich, während ihrer gesamten Schwangerschaft ihr Zimmer zu verlassen, selbst wenn nicht ausreichend Bewohner da sind, um den ganzen Bunker mit Wasser zu versorgen.

Das geht so lange gut, bis der Spieler von diesen stets grinsenden Zeichentrick-Diven, diesen widerspenstigen Tamagotchis, ordentlich die Nase voll hat. Dann wird Fallout Shelter zum zynischen Milgram-Experiment. Es soll schon so mancher einen Bunker gegründet haben, in dem es mit voller Absicht an einigen Annehmlichkeiten des Unterweltlebens - Strom, fließendes Wasser oder Betten - mangelte. Und wenn jemand aufbegehrt? Mal sehen, wie lange sich diese Tageslicht-entwöhnten Brutmaschinen ohne Waffen und Ausrüstung im radioaktiven Ödland durchschlagen können... Wir versuchen hier immerhin, nach dem Weltuntergang eine neue Zivilisation zu gründen!

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Was passiert, wenn man das Spiel zum ersten Mal startet?

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Quelle: Bethesda/PR

Das iPad wird zum Röhrenfernseher. Aus den Lautsprechern dringt altmodische Musik, knisternd und rauschend wie von einer staubigen Schallplatte. Ein paar Streifen flimmern über das Testbild. "Willkommen im Fallout Shelter", steht da. Darüber der Vault Boy, der am ausgestreckten Arm den nach oben gereckten Daumen zeigt. "Alles ist super in dieser zerstörten Welt", scheint er damit sagen zu wollen. Oder er peilt gerade über den Daumen eine Atomexplosion an, überprüft, ob der Atompilz in seinem Sichtfeld größer oder kleiner als der Finger erscheint. Kleiner? Gut. Dann sind wir in Sicherheit, heißt es in den Aufklärungsvideos der Fallout-Bunkerfirma Vault-Tec. Ein Klick auf "Vault betreten": Die ersten Räume sind schon gebaut, der Eingangsbereich, ein Wohnraum und ein Aufzug nach unten. Und vor der Tür wartet bereits eine Reihe debil grinsender Gestalten, die hier unbedingt einziehen wollen...

Fallout Shelter ist für iOS und Android gratis zum Download erhältlich, innerhalb des Spiels können Gegenstände für kleine Geldbeträge erworben werden.

© SZ.de/hatr/rus
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