Mobbing im Internet:Seiten voller Hass

Statt auf dem Pausenhof lästern Schüler im Internet - mit dramatischen Folgen. Jetzt wollen Polizei und Politik gegen das Cyber-Mobbing vorgehen.

Mirjam Hauck u. Jürgen Schmieder

Es gibt eine Folge in der Fernsehserie "Desperate Housewives", in der Lynette ihren Sohn ausspioniert, weil der kaum noch mit ihr spricht. Sie legt sich nicht heimlich bei Partys auf die Lauer, sie geht lieber ins Internet. Sie besorgt sich ein Pseudonym und schnüffelt ihm online hinterher. Dabei findet sie heraus, dass der rülpsende Rüpel eine romantische Ader hat und sich zu älteren Frauen hingezogen fühlt.

Mobbing im Internet: Eine Profilseite des Online-Netzwerks SchülerVZ

Eine Profilseite des Online-Netzwerks SchülerVZ

(Foto: Foto: SchülerVZ)

Was in der Serie witzig dargestellt wird und gut ausgeht, ist längst Realität - oft mit tragischen Folgen. Wer sich virtuell entblößt, wer Privates im Netz veröffentlicht, zahlt oft einen hohen Preis dafür. Im Oktober 2006 erhängte sich etwa die 13-jährige Megan Meier. Sie hatte sich in die Internet-Bekanntschaft Josh verliebt, wurde jedoch nach wenigen Tagen massiv beleidigt. Es stellte sich heraus, dass "Josh Evans" kein Junge war, sondern eine ehemalige Freundin, mit der Megan gebrochen hatte und die sich nun mit Hilfe ihrer Mutter rächen wollte.

Mehr als pubertärer Zickenkrieg

Es gab Hassbriefe und sogar eine Anti-Megan-Gruppe auf MySpace, bis das junge Mädchen den Druck nicht mehr aushielt und sich das Leben nahm. Pubertärer Zickenkrieg ist Teil des Teenagerlebens, die Waffen indes sind neu - und weitaus gefährlicher.

Was früher am Rande der Schule stattfand, ist nun im Internet rund um die Uhr zu beobachten. Portale wie Facebook, StudiVZ und MySpace gehören für Jugendliche zum Leben wie der erste Kuss und Liebeskummer. Eine Hass-Gruppe ist schnell gegründet, peinliche Fotos sind mit zwei Klicks hochgeladen. Bis sich ein Schüler wehren kann, haben es längst alle anderen gesehen. Cyber-Mobbing nennt sich die virtuelle Belästigung, sie ist eine Fortführung des Happy Slapping, bei dem Teenager Videos ins Netz stellen, in denen sie ihre Kameraden verprügeln.

Nun gibt es Internetseiten voller Hass, Videos von Hinrichtungen, bei denen der Kopf eines Lehrers auf den Delinquenten montiert wird. Auf der Seite Rottenneighbor kann man ungeliebte Nachbarn diffamieren.

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Seiten voller Hass

In Großbritannien veröffentlichte kürzlich ein Angestellter frivole Fotos eines Kollegen. Er wusste, dass sein Chef im Internet recherchieren würde und erhoffte sich bei der Beförderung einen Vorteil, wenn er seinen Mitbewerber als Partygänger und Frauenheld darstellt. "Cyber-Mobbing ist ein ernstzunehmendes Problem, weil die Netzwerke gerade für junge Leute ein Tummelplatz sind", sagt EU-Medienkommissarin Viviane Reding. Sie hat beschlossen, Cyber-Mobbing ins Zentrum des "Safer Internet Days" zu stellen, der an diesem Dienstag stattfindet. Die Botschaft: Opfer sollen sich endlich gegen die Täter wehren.

Wie dringlich das Problem ist, bestätigt Petra Kain von der Zentralen Jugendkoordination des Polizeipräsidiums Westhessen. Die Kriminalhauptkommissarin klärt Schulklassen und Eltern über die Gefahren sozialer Netzwerke auf. "Zwar gab es bislang bei jeder Schülergeneration Konflikte und gegenseitige Verleumdungen, aber nun verlagert sich das Mobbing auch auf die Zeit nach der Schule."

Fast alle Sechst- und Siebtklässler sind laut Kain beim Schüler-Portal SchuelerVZ angemeldet. Das führe dazu, dass es inzwischen in nahezu jeder Klasse ein Opfer von Cyber-Mobbing gebe. "Es gibt aber kein typisches Profil", sagt die Polizistin. Jeder könne zur Zielscheibe werden. Wer für die Mitschüler zu dünn, zu dick, zu groß, zu klein oder zu schlau ist, wird bloßgestellt. Mitschüler gründen Profilseiten wie "Maria N. ist dick und hässlich", schnell finden sich Mitglieder, und die Opfer trauen sich nicht, die Täter zu verpetzen.

Die Ignoranz der Eltern

Wie sehr die Betroffenen darunter leiden, sei vielen nicht bewusst, sagt Kain. Erst wenn sie den Klassen die dramatischen Folgen - von psychologischer Behandlung bis zum Schulwechsel - darlege, würden die Kinder über ihre Taten nachdenken. Die Kommissarin sieht die Eltern in der Pflicht: "Sie müssen ihre Kinder besser kontrollieren." Allerdings wüssten Eltern zu wenig über die Aktivitäten der Kinder im Internet.

Zumindest die Politik scheint nun zu reagieren: Die EU-Kommission hat in diesem Jahr die Initiative Safer Internet Programm gegründet und stellt bis 2013 etwa 55 Millionen Euro bereit. Zudem soll an diesem Dienstag in Luxemburg von 17 führenden Netzwerkseiten die erste europäische Vereinbarung für besseren Schutz von Minderjährigen unterzeichnet werden. "Die Unternehmen werden Verantwortung übernehmen", sagt Reding. Auf allen beteiligten Seiten soll es einen Knopf geben, mit dem die Nutzer Cyber-Mobbing per Mausklick melden können. Doch der schönste Knopf hilft wenig, wenn ihn niemand drückt.

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