Mitdenk-Apps:Wie Smartphones zu Cleverphones werden

Apps der neuen Generation werten Umgebungsinformationen aus, um ihrem Besitzer das Leben zu erleichtern: Bei schlechtem Wetter wecken sie ihn früher, wenn die Kinder schlafen, klingeln sie leiser. Künftig könnten neue Sensoren das Smartphone zum cleveren Assistenten machen, der sogar die Gesundheit des Eigentümers im Auge hat.

Thorsten Riedl

Wann ist ein Smartphone smart? Sind es wirklich vorwiegend technische Kennzeichen, die ein Smartphone ausmachen, so wie es Hersteller Samsung definiert?. Die Südkoreaner müssten es eigentlich wissen: Nach Nokia und Apple verkauft in Deutschland niemand mehr Alleskönnerhandys. Auch das Google Nexus kommt aus den Fabriken von Samsung. Nach Meinung vieler Tester ist das Handy des Suchmaschinenkonzerns aktuell eines der besten, wenn nicht sogar das beste Smartphone.

Was also macht ein Alleskönnerhandy aus? "Ein Smartphone ist wie ein Computer für die Hosentasche", so beschreiben es die Südkoreaner zunächst. Um Himmels Willen. Also blaue Absturzbildschirme, Neustarts und kuriose Fehlermeldungen jetzt immer am Mann oder der Frau? Das kann es wohl nicht sein. Näher kommen die Samsung-Experten dem Thema schon mit diesem Satz: "Mit seinem Betriebssystem kann ein Smartphone außerdem Anwendungen oder Apps ausführen, was es weiterhin von einem "normalen" Handy unterscheidet."

Die Apps. Die machen aus einem Handy, das ab Werk ohnehin schon Musik abspielen, Kontakte verwalten, E-Mails empfangen und sogar telefonieren kann, in der Tat etwas besonderes. Allein an Weihnachten haben Besitzer von Apple- und Google-Handys eine viertel Milliarde Apps heruntergeladen. Eine unglaubliche Zahl. Mit manchen Apps lässt sich richtig gut Geld verdienen, vor allem mit Spielen und manche machen das Telefon sogar smart.

Einfach mal mitdenken

Was beispielsweise, wenn das Smartphone mitdenken könnte: Der Wecker würde einige Minuten früher klingeln, wenn draußen Frost herrscht, noch zeitiger sogar, wenn es geschneit hat. Dann würden auch Winter-Tage ihren Schrecken verlieren, vor allem den Winter-Morgen von Hektik befreien. App-Entwickler bei der Werbeagentur Boondoggle hatten diese Idee und haben versucht, sie umzusetzen.

Im Kurztest funktioniert die App einwandfrei und weckt bei Frost fünf Minuten früher. Genug Zeit, um in Ruhe das Eis vom Auto zu kratzen. Die Winter-Wake-up-App gibt es für Apples iOS und Googles Android. Das Design ist hübsch, die Bedienung tadellos. Der Nutzer muss nichteinmal seinen Aufenthaltsort einstellen, die App findet Ort und zugehöriges Wetter automatisch.

Wer zum Kratzen länger als fünf Minuten braucht, kann die Minuten einstellen, die er früher als bei gutem Wetter geweckt werden soll. Eine zweite Schaltfläche stellt die Weckzeit ein für Schnee, wenn also vielleicht nicht nur das Auto, sondern die gesamte Straße freigeräumt werden muss. Viele Nutzer sind trotzdem nicht begeistert: Die Bewertungen sowohl bei iTunes als auch im Android Market sind durchschnittlich. Bei Vielen scheint das kleine Programm nicht zu funktionieren. Am besten einfach mal selbst probieren. Kostet ja nichts.

Je nach Wetterlage

Einige Wecker-Apps sagen das Wetter automatisch an vor dem Wecken wie Alarm Clock Plus für Android oder Wetterwecker Pro. Erstaunlich wenige haben wie die Boondoggle-Entwickler weitergedacht und können eigenständig die Weckzeit abhängig von der Wetterlage ändern.

Der Wetterwecker von Wetter.com, den es nur für Apple-Geräte gibt, verfügt schon seit längerem über diese Funktion, hat im Netz aber für wenig Furore gesorgt. Dabei ist das Programm noch ausgefeilter: Es unterscheidet nämlich nicht nur nach Frost und Schnee, sondern zusätzlich noch nach Sonne, Regen oder -- warum auch immer -- Wolken.

Dazu weckt es nicht nur früher wie Winter Wake-up, sondern gegebenfalls auch später. Wer also wie in Berlin oder München davon ausgehen kann, dass die S-Bahn bei Herbstregen zu spät kommt, der programmiert die voraussichtliche Verspätung im Wetterwecker und verbringt die Wartezeit im Bett statt auf dem Gleis. Das kann natürlich auch schiefgehen ...

Auf jeden Fall: Der Wecktest mit Wetterwecker klappt. Wieder wird der Ort automatisch ermittelt. Allerdings leidet das Programm unter den´Einschränkungen des iOS-Betriebssystems: Die App muss geöffnet sein, sonst gibt es keinen Alarm. Dementsprechend fallen die Bewertungen aus. Im Schnitt werten 80 Nutzer nur mit drei Sternen.

Schönes Hintergrundbild

Es gibt so viele Dinge, bei denen das Handy clever sein könnte, das Wetter allerdings inspiriert die Entwickler im Moment offenbar am meisten. So lässt sich mit dem Automatisierungstool Tasker bei Google-Handys je nach Wetterlage das Hintergrundbild einstellen. Wirklich sinnvoll ist das kaum, dafür aber schön anzuschauen.

Programme wie "Tasker" haben am ehesten das Zeug dazu, aus einem Smart- ein Cleverphone zu machen: Weil Tasker so tief in das Handy-System eingreifen muss, läuft es nur auf Google-Telefonen und kostet stolze 4,49 Euro.

Damit lässt sich aber auch einiges machen: Bluetooth automatisch ausschalten, wenn der Bluetooth-Kopfhörer ausgeht? Musik-App öffnen, sobald Kopfhörer eingesteckt werden? Lautstärke vom Handy minimieren, wenn die Kinder zu Bett gehen - allerdings nur, sofern sich Smartphone und damit hoffentlich auch Besitzer zur Schlafenszeit in der Nähe des Hauses befinden. Die Möglichkeiten sind schier grenzenlos. Im Netz gibt es ein eigenes Wiki, um Beispielfälle durchzuspielen.

Der Blog Lifehacker mag die App besonders und widmet Tasker immer wieder Specials, etwa eine Beschreibung, um bei Diebstahl automatisch nach Hilfe zu rufen oder um immer wieder zum Parkplatz zurückzufinden. Gerade das kann eine große Hilfe sein, nicht nur in vergleichbar kleinen Städten.

Feiner Humor

So vielfältig die Möglichkeiten von Tasker sind: Wer das Programm ausreizen will, sollte schon einmal Kontakt zu einer Programmiersprache gehabt haben. Fast so umfangreich, aber um ein vielfaches einfacher zu bedienen kommt Llama daher, zumal diese App kostenlos zu haben ist. Das Programm besticht in seinen Beschreibungen mit feinem Humor.

Wenn von der Zukunft der Smartphones die Rede ist, dann geht es meist um technische Dinge: bessere Grafik, stärkere Prozessorkerne, schneller Surfen, ausdauernde Akkus. Das allerdings ist eine Diskussion, die wirklich nur davon ausgeht, dass mit dem Smartphone der PC in die Tasche kommt. Computer-Nutzer kennen die Citius-, Altius-, Fortius-Debatte wirklich zu genüge - und waren sie zuletzt mehr als leid.

Die Zukunft des Smartphones, die Evolution zum Cleverphone, wird nicht die Hardware allein entscheiden, es geht vor allem um Software in Kombination mit Sensoren, die Zustände der Wirklichkeit erfassen. Was beispielsweise, wenn das Handy erst einmal automatisch den Blutdruck misst und vor Hochdruck warnt? Dadurch ergeben sich ganz neue Felder wie Sascha Romanowski vom Instiut für Arbeit und Technik in verschiedenen Arbeiten gezeigt hat.

Heute sind die Smartphones vielleicht smart, morgen werden sie wirklich clever.

Lassen Sie mich in den Kommentaren wissen, welche Apps Sie schon einsetzen, um sich das Leben durch das Smartphone zu vereinfachen.

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