Microsofts Zukunft:Windows 7, das letzte seiner Art

Windows 7 macht Microsofts Pannensystem Vista vergessen - und markiert gleichzeitig den endgültigen Abschied von der Ära des PC.

Johannes Kuhn

Dem reuigen Sünder, ihm wird sein Ausrutscher verziehen. Wenn Microsofts Windows 7 vom Marketing bis zum Produkt ein einziges "Geliebter Kunde, ich bin ein gutes Betriebssystem, schmeiß' mich nicht von Deinem PC" war, so wird das Flehen aus Redmond, Washington, erhört werden: Ersten Urteilen zufolge dürfte die Sieben die Kundschaft versöhnen, den größten anzunehmenden Betriebssystemunfall Vista vergessen machen.

Microsofts Zukunft: Computergeschäft mit Windows-Notebooks: Die Zukunft liegt in der Wolke

Computergeschäft mit Windows-Notebooks: Die Zukunft liegt in der Wolke

(Foto: Foto: AP)

Bald wird Vista ein Teil der Vergangenheit sein, die Erinnerung daran wird ebenso verblassen wie dies bei der beinahe ebenso fehlerbehafteten Windows Millenium Edition der Fall war. Ein langes Strg-Alt-Entf also, ein schmerzloser Neustart? Nicht ganz, denn diesem Anfang wohnt ein Ende inne: Windows 7 markiert weniger einen technologischen Neubeginn, als den Abschied einer Ära.

Der Heimcomputer hat seinen Zenith überschritten. Das bedeutet nicht, dass Büros und Arbeitszimmer plötzlich leer geräumt würden oder Windows in einem, zwei oder gar fünf Jahren nicht mehr verkauft wird.

Es ist ein schleichender Prozess, der Daten und Anwendungen ins Internet verschiebt, wo sie lagern und bei Bedarf wieder von verschiedenen Geräten abgerufen werden können. Computer und Spielekonsolen gehören dazu, aber auch verschiedenste mobile Endgeräte, die zu schlank sind, große Datenmassen zu speichern.

Wolken kennen kein Betriebssytem

Das Problem für Microsoft: Wer Daten im Internet speichert und Programme von dort startet, dem ist es egal, mit welchem Betriebssystem er dies tut. Cloud Computing heißt dieses Feld und Microsoft zögerte lange, sich auf dieses Neuland zu begeben.

Erst in wenigen Wochen startet Microsoft mit Azure eine Plattform, auf der Entwickler und Firmen Anwendungen programmieren und sie dort hosten lassen können. Microsoft verdient als Datenbankanbieter sowohl am Verkauf der Anwendungen, als auch am anfallenden Datenverkehr. Ist ein Service erfolgreich oder lagern ganze Unternehmen ihre IT-Infrastruktur aus, so die Rechnung, lohnen sich die Unterhaltungskosten, die für Microsofts gigantische Serverparks anfallen.

Der Weg in die Wolke ist riskant, denn während Microsoft im Bereich der PC-Betriebssysteme von der über die Jahre gewachsenen Marktmacht profitiert, trifft das Unternehmen beim Cloud Computing auf starke Widersacher. Im Unternehmensbereich buhlen Anbieter wie Salesforce.com bereits länger um Kunden aus der Wirtschaft, das Internet-Versandhaus Amazon hat sich als Anbieter von Internet-Speicherplatz bereits ein zweites Standbein geschaffen, Firmen wie IBM und Google bedienen wie Microsoft sowohl Geschäfts-, als auch Privatkunden.

Wie Google Microsoft das Wasser abgräbt

Gerade Google verfolgt eine ähnliche Strategie wie Microsoft - und ist dem Rivalen dabei im Moment voraus: Die Philosophie der Kalifornier war von Anfang an darauf ausgelegt, im Internet zu agieren und dort Dienstleistungen anzubieten.

Microsoft arbeitet erst seit kurzem an einer abgespeckten Online-Version seiner Büro-Software Office, Google bietet mit Google Docs solche Programme schon lange im Internet an, wo Nutzer kollaborativ an Dokumenten arbeiten können.

Auch das Entwicklungssystem Google AppEngine ähnelt vom Prinzip her Microsofts Azure - nur ist es bereits seit einem Jahr auf dem Markt. Gerüchten zufolge will Google zudem bereits in naher Zukunft sein kostenloses Computerbetriebssystem Chrome OS auf den Markt bringen.

Die Bedienoberfläche des Computers könnte dann direkt in Googles Browser Chrome wandern - dies wäre eine Revolution und der direkte Versuch, Systeme wie Windows überflüssig zu machen. Mit Firmen wie Acer, HP oder Toshiba haben bereits einige prominente Notebookhersteller angekündigt, ihre kleineren Geräte mit Chrome OS auszurüsten.

Auch mobil wird es schwierig

Anders als Konkurrent Apple fertigt Microsoft außer der Spielekonsole Xbox keine nennenswerten Endgeräte. Einen Teil vom Kuchen erhält Microsoft also bislang nur durch die Bereitstellung seines Betriebssytems.

Doch auch im größten Wachstumsmarkt, dem der mobilen Geräte ist Google gut im Geschäft: Während Microsoft-Chef Steve Ballmer für 2010 ein "Killer-Betriebssystem" für Multimedia-Handys angekündigt hat, weil der Vorgänger Windows Mobile 6.5 bei Kritikern durchfiel, baut ein Handyhersteller nach dem anderen das auf freie Software basierende Konkurrenzsystem Google Android in seine Geräte ein. 2012, so rechnet die Marktforschungsagentur Gartner vor, wird Android nach Nokia das verbreitetste mobile Betriebssystem der Welt sein.

Die Hoffnungen auf Cloud-Systeme sind deshalb entsprechend groß und nähren sich aus der Erkenntnis, dass der wachsende Markt hier noch ohne klaren Vorherrscher ist. Ob Google, IBM, Amazon, Microsoft oder gar Apple, das gerade in North Carolina für eine Milliarde Dollar ein gigantisches Rechenzentrum baut, den Markt aufrollt, ist völlig ungewiss.

In der Sparte warten allerdings auch zahlreiche Fallstricke wie Sicherheitslücken, Kundenskepsis, geringe Gewinnmargen oder fehlende Standards, die dazu führen, dass Nutzer ihre Daten nicht von einem Anbieter zum anderen transferieren können.

Dennoch ist Ray Ozzie, als leitender Softwarearchitekt immerhin der Nachfolger von Bill Gates, überzeugt von der neuen Microsoft-Strategie. Bereits bei der Azure-Vorstellung im Herbst vergangenen Jahres sprach er von einem "Wendepunkt für Microsoft".

Um auf die Datenmassen vorbereitet zu sein, hat das Unternehmen jüngst zwei neue Rechenzentren in Chicago und Dublin in Betrieb genommen. Allein Chicago bietet Platz für 56 mit Servern gefüllte Container. Ein Windows-7-Exemplar aus der Pappbox wirkt bei solchen Dimensionen wie ein Relikt aus längst vergangenen Zeiten.

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