Microsoft und Amazon:Im Dienst der Nation?

Lesezeit: 3 min

Israelische Soldaten bei einem Gesichtserkennungs-Test. Die israelische Armee ist bekannt für ihre Cyberfähigkeiten. Viele Ex-Soldaten gründen später IT-Sicherheitsfirmen. (Foto: Amir Cohen/REUTERS)
  • Seit Jahren kooperieren die amerikanischen IT-Konzerne mit US-Militär und Polizei. Nun bekommen sie öffentlichen Druck.
  • Microsoft arbeitet zum Beispiel mit der Immigration and Customs Enforcement (ICE) zusammen, jener Behörde, die illegale Einwanderer aufspürt und abschiebt.
  • Amazon verkauft seine Gesichtserkennungstechnologie Rekognition an die Polizei.

Von Kathrin Werner, New York

Die große Aufregung entzündete sich vor allem an einem Wort: "stolz". "Die Behörde führt gerade bahnbrechende Technologien für den Heimatschutz und die öffentliche Sicherheit ein", schrieb Tom Keane, der bei Microsoft für das Geschäft mit externen Datenspeichern zuständig ist, der so genannten Cloud. "Wir sind stolz darauf, diese Arbeit mit unserer missionskritischen Cloud zu unterstützen." Die meisten Amerikaner denken bei der Behörde ICE allerdings nicht an Hightech und an Stolz, sondern an weinende Kinder, die von ihren Eltern getrennt in Käfigen an der Grenze zu Mexiko festgehalten werden.

Immigration and Customs Enforcement (ICE) heißt die US-Behörde, die illegale Einwanderer aufspürt und abschiebt und derzeit weltweit in der Kritik steht für die Politik, Immigrantenfamilien auseinander zu reißen.

In einer Zeit, in der viele amerikanische Unternehmen zunehmend politisch aktiv werden, verlangen Mitarbeiter, Aktionäre und Bürgerrechtsgruppen gleichzeitig größere Distanz zum Staat. Die Silicon-Valley-Firmen protestieren öffentlich gegen den Einreisebann für Menschen aus mehrheitlich muslimischen Ländern, der Gründer der Taxi-App Uber Travis Kalanick äußerte sich zur Religionsfreiheit und Merck-Chef Kenneth Frazier zu Rassismus. Nach der Schießerei an einer Highschool in Florida distanzierten sich viele Firmen von der Waffenlobby NRA und forderten neue Waffengesetze.

Unternehmen werden mehr und mehr zu politischen Aktivisten, während der eigentliche, demokratisch legitimierte Staat kaum Gesetzesänderungen durchsetzt. Doch direkt mit dem Staat zusammen zu arbeiten, ist zunehmend verpönt, das gilt besonders für die IT-Konzerne und vor allem dann, wenn sie Militär und Polizei mit Hightech unterstützen.

Mitarbeiter kündigen und machen dies per Twitter publik

Nachdem Microsofts Zusammenarbeit mit ICE bekannt wurde, gab es heftige Kritik in sozialen Medien. Ein externer IT-Berater verkündete per Twitter, er habe seinen Beratervertrag mit Microsoft aufgelöst und werde das Honorar einer Flüchtlingsorganisation spenden. Larry Osterman, ein Ingenieur des Konzerns, fragte den Microsoft-Topmanager Brad Smith bei Twitter, wie die Arbeit für ICE mit "unseren ethischen Positionen" zusammenpasse. "Nicht cool", schrieb er. Die Tech Workers Coalition, eine Gruppe, die sich für Rechte und den Zusammenhalt der IT-Arbeiter einsetzt, forderte Microsoft-Mitarbeiter dazu auf, sich nicht mitschuldig zu machen. Der Nachrichtenagentur Bloomberg zufolge ist Microsofts Vertrag mit ICE 19 Millionen Dollar wert.

Microsoft-Chef Satya Nadella forderte nach der Kritik, dass ICE mit den Familientrennungen aufhört und der Kongress entsprechende Gesetze erlässt. "Wir als Microsoft sind schockiert von der gewaltsamen Trennung von Kindern von ihren Familien beim Grenzübergang", sagte der Sohn indischer Einwanderer. Microsoft stellte klar, dass die Zusammenarbeit mit ICE nichts mit den von ihren Eltern getrennten Kindern zu tun habe. Microsofts Clouddienst Azure, genauer gesagt "Azure Government", hilft der Einwanderungsbehörde allerdings bei der Speicherung von Daten und bei deren Analyse. Dazu verwendet Microsoft auch künstliche Intelligenz, zum Beispiel, um die Identität von Menschen in Echtzeit festzustellen.

Auch Amazon bekommt zunehmend Probleme. 19 verschiedene Aktionärsgruppen haben den Internethändler per Brief aufgefordert, die Gesichtserkennungstechnologie Rekognition nicht mehr an die Polizei zu verkaufen. Rekognition ist eine künstliche Intelligenz, die laut Amazon "alle unangemessenen Inhalte" in Videoaufnahmen erkennt. Die Aktionäre befürchten, dass Amazon hilft, einen Überwachungsstaat aufzubauen.

Rekognition hat laut Schätzungen Zugang zu Bildern von jedem zweiten amerikanischen Erwachsenen - also nicht nur zu jenen von Straftätern. Die Polizei in Orlando in Florida prüft, ob die Software verwendet werden kann, um "Personen von Interesse" in öffentlichen Plätzen zu erkennen und Beamte in Echtzeit auf sie hinzuweisen. Das Programm könnte auch Zugang zu den Kameras an den Uniformen der Polizisten und Drohnenbildern bekommen. "Auch wenn Rekognition dazu bestimmt sein mag, die Strafverfolgung zu verbessern, sind wir zutiefst besorgt, dass es die Bürger- und Menschenrechte verletzen könnte", schrieben die Amazon-Aktionäre, darunter Sustainvest Asset Management, die Social Equity Group sowie andere Gruppen, die sich für ethische Investitionen einsetzen.

Der nächste Auftrag des Pentagon soll zehn Milliarden Dollar schwer sein

Dies könnte dem Aktienkurs schaden, wie es bei der Facebook-Aktie nach dem jüngsten Daten-Skandal passierte. Doch die Aktionäre halten nur einen kleinen Teil der Amazon-Aktien, nicht genug, um eine Änderung der Geschäftspolitik zu erzwingen. Größter Amazon-Aktionär ist Jeff Bezos selbst, der Gründer und Chef. "Wir halten es für den falschen Ansatz, vielversprechende neue Technologien zu verbieten, weil sie in Zukunft von schlechten Akteuren für schändliche Zwecke genutzt werden könnten", verteidigte Matt Wood, bei Amazon für künstliche Intelligenz zuständig, die Strategie des Unternehmens.

Bei Google hat sich eine Gruppe Mitarbeiter vor Kurzem erfolgreich gegen eine Regierungszusammenarbeit gewehrt. Der Internetkonzern will das "Projekt Maven" mit dem Verteidigungsministerium beenden. Google hilft dem Pentagon, Menschen, Fahrzeuge, Waffenlager oder Gebäude auf Drohnenvideos mit Hilfe von künstlicher Intelligenz besser zu erkennen. Einige Mitarbeiter hatten den Konzern aus Empörung darüber verlassen, Tausende unterzeichneten eine Petition, in der es hieß, Google habe im "Business des Krieges" nichts verloren. Nun soll der Vertrag nicht verlängert werden.

Die großen IT-Unternehmen arbeiten seit langem mit dem Militär zusammen. Gerade ringen sie um einen sehr lukrativen Auftrag des Pentagons namens Jedi (Joint Enterprise Defense Infrastructure). Jedi ist ein Projekt für ein riesiges Cloud-System samt Datenanalyse mit künstlicher Intelligenz. Der Auftrag soll bis zu zehn Milliarden Dollar wert sein. Erwartet wird, dass sich unter anderem Google, Amazon, Microsoft, IBM und Oracle um Jedi bewerben.

© SZ vom 20.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Zusammenarbeit mit US-Militär
:Krieg steckt in der DNA des Silicon Valley

Im Geschäft mit dem Tod stecken Milliarden US-Dollar. Auch Google erlag der Verlockung, eng mit dem US-Militär zu kooperieren. Doch der Protest vieler Mitarbeiter führte nun zum Ausstieg aus einem Großprojekt.

Von Jannis Brühl

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: