Microsoft kauft Skype:Steve Ballmer setzt auf Risiko

Analysten reiben sich die Augen: 8,5 Milliarden Dollar zahlt Microsoft für Skype. Der Internettelefondienst passt zwar in einige Produkte des Software-Riesen, doch keines der Geschäftsmodelle muss zwingend erfolgreich sein. Und dann ist da noch der Vorwurf, Konkurrent Google hätte Ballmer ausgetrickst.

Johannes Kuhn

Die IT-Branche rätselt: Begeht Microsoft den Whitman-Fehler? Die damalige Ebay-Chefin Meg Whitman hatte den Internettelefondienst im Jahr 2005 für 2,6 Milliarden Dollar gekauft. Per Videotelefonie, so ihre Vorstellung, sollten Verkäufer und Käufer besser kommunizieren können und so den Ebay-Umsatz steigern.

Microsoft kauft Skype: Microsoft-Chef Steve Ballmer: Ein hoher Preis für einen kleinen Dienst?

Microsoft-Chef Steve Ballmer: Ein hoher Preis für einen kleinen Dienst?

(Foto: AFP)

Das Geschäft wurde zum Reinfall: Ebay schaffte es nicht, Skype zu integrieren und mit einem passenden Geschäftsmodell zu versehen. 2009 stieß das Auktionsunternehmen einen Großteil wieder verlustreich ab. Nun also will offenbar Microsoft zuschlagen - und die Frage, ob und wie Skype mit einem anderen Unternehmen zusammenpasst, stellt sich wiederum.

Der offensichtlichste Grund für den Kauf heißt Windows Phone 7: Während Apple in iPhone und iPad längst den Videochat-Dienst Facetime integriert hat und nun auch Google sein Android-Mobilsystem mit Google Voice ausstattet, fehlte Microsofts Smartphone-Betriebssystem eine solche Funktion bislang.

Diese Lücke dürfte mit Skype behoben werden. Zudem eröffnen sich neue Möglichkeiten, Windows für Multifunktionsfernseher zu rüsten, bei denen Videotelefonie zur Grundausstattung gehört. Die Microsoft-Konsole Xbox ist über die eingebaute Kamera der Gestensteuerung Kinect bereits ab sofort mit Skype kompatibel.

Das mögen schöne Extras sein, das größte Kapital von Skype schlummert derzeit allerdings in seinem Kundenstamm. Mit mehr als 660 Millionen Nutzern ist theoretisch fast ein Zehntel der Weltbevölkerung bei Skype registriert. "Microsoft dürfte die Werbung auf der Plattform ausbauen, bislang tut Skype da noch wenig", glaubt deshalb Leif-Olaf Wallin vom IT-Analysehaus Gartner.

Kein solides Geschäftsmodell

Wie bei Bing investiert Microsoft-Chef Steve Ballmer damit einmal mehr in die Hoffnung, mittelfristig vom Boom in der Online-Werbung zu profitieren.

Ein solides Geschäftsmodell hat Skype bislang noch nicht gefunden: Etwa einen Dollar pro Nutzer verdient die Firma derzeit mit seinem Dienst. Das ist äußerst wenig, entspricht aber der Philosophie, die Gründer Niklas Zennström einst ausgegeben hatte: "Wir wollen so wenig an einem Kunden verdienen wie möglich", hatte dieser noch in den ersten Jahren betont.

Inzwischen erwirtschaftet der Internettelefondienst seine Einnahmen vor allem mit Anrufen ins Festnetz und Premium-Angeboten für Unternehmen.

Letztere sind gerade für Microsoft interessant: Die Geschäftskunden-Sparte wird häufig unterschätzt, trug aber 2010 fast zwölf Milliarden Dollar zum Gesamtgewinn von 20 Milliarden Dollar bei.

Google: Gebot, um den Preis zu treiben?

Jüngst machte Konkurrent Cisco vor, wie in diesem Segment mit neuen Produkten Geld zu verdienen ist: Im Oktober brachte das Unternehmen ein eigenes Videokonferenz-System auf den Markt - und kassierte bei Geschäftskunden aus dem Großkonzernbereich richtig ab. Mit einem Preis von bis zu 350.000 Dollar pro System und hohen Upgrade-Gebühren genügte dem IT-Riesen bereits eine Verkaufszahl im dreistelligen Bereich, um von einem Erfolg zu sprechen.

Mit der Technik hinter Skype könnte Microsoft Firmen theoretisch Komplettlösungen anbieten, die Betriebssystem, Server-Speicherplatz und Kommunikationssystem beinhalten.

Anders als beim Ebay-Kauf, als das Online-Auktionshaus den Skype-Gründern für die Patentrechte als Nachschlag 14 Prozent Unternehmensanteile überlassen musste, sind die Urheberrechte an der Technologie dieses Mal offenbar Teil des Deals.

Anders als im Windows-Zeitalter trifft Microsoft im Online-Bereich auf starke Gegner. Steve Ballmer wettet mit dem Kauf also auf ein Geschäftsfeld, in dem er nicht zwangsläufig Erfolg haben muss.

Ebay: Doch noch ein Erfolg

Sollte seine Strategie scheitern, könnte ihm der teure Preis zum Verhängnis werden: Konkurrent Google soll angeblich nur vier Milliarden Dollar geboten haben - und das einzig, so munkeln IT-Blogger, um den Preis nach oben zu treiben.

Zumindest für Ebay hat sich das Geschäft im Nachhinein übrigens doch noch gelohnt: Mit den 30 Prozent Restanteil, die das Online-Auktionshaus an Skype hielt, verdient das Unternehmen durch den Verkauf an Microsoft 2,4 Milliarden Dollar.

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