Microsoft:Drahtlos in Seattle

Aus dem "Smart Home" in die USA: Microsoft holt Deutschland-Chef Achim Berg in die Zentrale. Er soll den Konzern im Handygeschäft nach vorne bringen.

Thorsten Riedl

Vergangene Woche noch wurde ein Geheimnis um den neuen Posten von Achim Berg gemacht. Der 46-Jährige, bislang Chef der deutschen Microsoft-Niederlassung, werde in die US-Zentrale wechseln, hieß es nur. Am Dienstag nun gab der Softwarekonzern bekannt, dass Berg in der Mobiltelefonsparte eine entscheidende Rolle spielen wird. Er soll für die Weiterentwicklung der Windows-Telefone zuständig sein - ein Schlüsselbereich, in dem der Konzern den Anschluss verloren hat.

Telefonieren: Nebensache

Bislang bietet Microsoft sein mobiles Betriebssystem an, das wie das Pendant auf den Arbeitsplatzrechnern Windows heißt. Die Handys werden von Partnern wie HTC, Dell oder Samsung hergestellt. Doch gegen die schicken Multifunktionsgeräte von Google oder Apple kommt Microsoft damit kaum an. Am Montagabend hat das Unternehmen die ersten eigenen Handys vorgestellt, die den Namen Kin tragen, zu deutsch: Familie oder Sippe, und für die Generation Internet gemacht sein sollen. Telefonieren ist bei Kin Nebensache. Internetdienste stehen im Vordergrund. Eine jüngere Zielgruppe kann auf den Geräten etwa Einträge beim Online-Treff Facebook verfolgen oder Twitter-Nachrichten verschicken.

Der große Wurf ist Microsoft mit Kin allerdings nicht gelungen, darin sind sich die Kommentatoren im Internet einig. Berg wird also einiges zu tun haben in seinem neuen Job: Der komplexe Titel "Corporate Vice President Mobile Communications Business & Marketing" steht künftig auf seiner Visitenkarte - übersetzt heißt das in etwa Verantwortlicher für Geschäftsentwicklung und Marketing im Bereich Mobilkommunikation. Beim Projekt Kin war er noch nicht beteiligt. Anfang Mai tritt er den Posten in der Microsoft-Zentrale in Redmond an und wird dann das Marketing aller Windows-Phones-Aktivitäten verantworten - auch das von Kin.

Künftig noch reibungsloser

Der Job ist dem Diplom-Informatiker, Amateur-Rallye-Fahrer und Fan der neuesten Technikspielzeuge auf den Leib geschneidert. Im Rheinland hat Berg in einem "Smart Home" gelebt: In seinem Haus konnte er die Temperatur der Heizung von unterwegs steuern oder durch einen Blick aufs Handy sehen, wer vor der Haustür steht. Das Haus ist ein Überbleibsel aus den Tagen, als Berg noch im Vorstand der Deutschen Telekom saß. Dort war er für das Festnetz zuständig. Zuvor arbeitete er in der PC-Branche bei Fujitsu Siemens, Dell und Bull.

Nun zieht Berg in die USA. Zunächst wird er pendeln, Mitte August soll die Familie umziehen. "Diese Entscheidung hat mich manche schlaflose Nacht gekostet", schreibt er in seinem internen Microsoft-Blog. "Ich gebe zu, dass ich doch sehr in Deutschland verwurzelt bin." Dabei kennt er das Terrain: Zurzeit ist er wieder in den USA, um das nächste Geschäftsjahr für Microsoft zu planen - zusammen mit Ralph Haupter, den Berg seinen Freund nennt und der nun sein Nachfolger in Deutschland wird.

Die neue Position hat Berg neben seiner Expertise den Kontakten zu Microsoft-Chef Steve Ballmer zu verdanken. Erst kürzlich sagte Berg im SZ-Interview: "Jedes Mal, wenn Steve nach Deutschland kommt, joggen wir gemeinsam um sechs Uhr morgens. Er stellt kurze Fragen und rennt immer schneller. Ich habe eine halbe Stunde Zeit, nebenherzuhecheln und zu antworten. So holt er sich seine Informationen." Dieser Informationsfluss wird künftig noch reibungsloser verlaufen.

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