Micropayment: Flattr und Co:Bezahlrevolution mit Hindernissen

Lässt sich mit Artikeln und Blogbeiträgen im Internet doch Geld verdienen? Dienste wie Flattr und Kachingle sollen Nutzer zum Bezahlen für kostenlose Inhalte bewegen - die Hürden sind hoch.

Johannes Kuhn

Beim Geld hörte im Internet bislang der Spaß auf: Nur wenige Nutzer, so der Eindruck, wollen im Netz für Inhalte wie Nachrichten oder schlaue Blogbeiträge Geld bezahlen. Doch ein aktueller Blick in die deutschsprachige Blogosphäre zeigt: Beim Geld soll der Spaß erst anfangen.

Social Payments, Flattr und Kachingle

Flattr und Kachingle sollen es Bloggern und andere Seitenbetreibern ermöglichen, Geld mit kostenlosen Inhalten zu verdienen.

(Foto: Fotos: dpa / Grafik: sueddeutsche.de, Büch)

Immer häufiger finden sich in den Blogs die Logos der Social-Payment-Dienste Flattr und Kachingle. Sie ermöglichen es Nutzern, gute Blogs mit Zahlungen von Kleinstbeträgen zu honorieren. Das funktioniert so: Wie bei einer Prepaidkarte können Internetnutzer einen Betrag auf ihr Konto buchen und per Klick Seiten (Kachingle) oder auch Beiträge (Flattr) belohnen, die den entsprechenden Dienst integrieren.

Wie viel eine Seite erhält, errechnet sich bei Flattr aus der Zahl der Klicks, bei Kachingle verteilt das System das Geld aufgrund der Häufigkeit der Besuche auf den Plattformen, die ein Nutzer per Kachingle "abonniert" hat. Ein Beispiel: Wer auf sein Flattr-Konto 20 Euro eingezahlt hat und im Laufe eines Monats zwei Beiträgen einen Sympathieklick zukommen lässt, schenkt diesen so jeweils zehn Euro. Klickt er auf 200 Seiten, erhält jede davon nur zehn Cent. Bei Flattr liegt der Durchschnittsbetrag für einen Klick nach Angaben des Unternehmens derzeit zwischen zehn und 15 Cent.

Bezahlen, was kostenlos ist

Beide Dienste existieren erst seit kurzer Zeit und haben erstaunlicherweise vor allem im deutschsprachigen Bereich Nutzer gefunden. "Die deutsche Blogosphäre hat offenbar seit längerem nach so einer Möglichkeit gesucht", sagt Flattr-Gründer Peter Sunde. Von den etwa 6000 bis 8000 Nutzern, erklärt der Schwede, stammten etwa 40 Prozent aus dem deutschsprachigen Raum.

Tatsächlich geisterte die Monetarisierungsdebatte in den vergangenen Jahren immer wieder durch Kleinbloggersdorf. Doch während in den USA viele Blogger zu kleinen Medienunternehmern wurden oder ihre Beiträge nun für renommierte Seiten wie den Atlantic Monthly, die New York Times oder Time Magazine schreiben, bleibt der Traum vom Profi-Bloggen hierzulande unerfüllt.

Naht nun also die Rettung? Ob Micropayment-Dienste sich jemals durchsetzen werden und ein fundiertes Geschäftsmodell bilden, wird bereits seit Jahren diskutiert. "Die größte Hürde ist, dass wir Menschen darum bitten, für etwas zu bezahlen, das es kostenlos gibt", beschreibt Kachingle-Gründerin Cynthia Typaldos das Grundproblem.

Dieses Mal soll es klappen, weil die Vernetzung über Facebook und Co als Katalysator wirken soll: "Es hat enormen Einfluss auf mich, wenn ich sehe, dass ein Freund für eine Seite zahlt, die er mag", sagt Typaldos.

Das Prinzip der Geschenkökonomie

Die ersten Ergebnisse zeigen ein gemischtes Bild: Die Medienseite Carta.info nahm seit Anfang des Jahres knapp 200 Euro über Kachingle ein und führt damit bereits die Charts des Dienstes an. Mehr Geld scheint derzeit über Flattr verteilt zu werden: Das Berliner Blog Spreeblick erhielt im Mai innerhalb von 14 Tagen via Flattr 110 Euro, die taz in 12 Tagen 143,55 Euro, Netzpolitik in nur zwei Tagen 38 Euro. Das hört sich erst einmal ordentlich an - doch gibt der Medienjournalist Stefan Niggemeier in seinem Blog zu bedenken, dass nach einem hohen Anfangsinteresse die Spendenbegeisterung häufig nachlässt.

Bislang nutzt vor allem die Gruppe der äußerst internetaffinen Nutzern solche Dienste. Vor der Verbreitung darüber hinaus stehen noch einige Hindernisse: Bislang benötigen Nutzer für die Zahlungsabwicklung Anbieter wie das ungeliebte PayPal; der Anteil, den die beiden Seiten einbehalten, liegt bei recht hohen zehn Prozent (Flattr) beziehungsweise sieben Prozent (Kachingle), hinzu kommen die Gebühren für die Geldtransfer-Dienstleister. Die Gebühren sollen mittelfristig allerdings sinken.

Alles ist bezahlbar

Flattr-Gründer Sunde träumt dennoch bereits von Anwendungsmöglichkeiten, die über Blogs und Medien hinausgehen: "Stellen Sie sich vor, Sie stehen in einer Galerie vor einem Bild, das Ihnen gefällt. Künftig könnten Sie es mit einem Klick auf dem Handy flattern, um den Künstler zu unterstützen." Das Unternehmen bastelt derzeit an offenen Schnittstellen, die den Einbau des Bezahlbuttons in so verschiedene Dinge wie Internetkommentare, MP3s oder an das Netz angedockte Elemente in der realen Welt ermöglichen.

Als ehemaliger Sprecher der umstrittenen Tauschplattform Pirate Bay träumt Sunde von einer neuen Revolution. "Die Pirate Bay erlaubt es, Daten in digitaler Form zu teilen, Flattr ermöglicht es, Geld in digitaler Form zu teilen. Das bedeutet weniger Mittelsmänner, einfacheres Tauschen."

Der Blogger Michael Seemann spricht in diesem Zusammenhang von einer "Geschenkökonomie": Bei dieser gehe es nicht darum, den Preis für eine Sache zu ermitteln; vielmehr würden Dienste wie Flattr und Kachingle ermöglichen, einen geschenkten Inhalt wie einen Blogartikel mit einem Geldgeschenk zu erwidern. Der Erfolg von solchen Bezahlsystemen dürfte stark davon abhängen, ob sich eine solche Philosophie im Bewusstsein der breiten Masse durchsetzt.

Auch Facebook und Google testen

Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie: Die Pirate Bay hat in den Augen von Film- und Musikindustrie maßgeblich dazu beigetragen, dass die heranwachsende Generation für Inhalte im Netz nicht bezahlen möchte. Kann der schwedische Pirat Sunde nun dafür sorgen, dass wieder Geld in den unendlichen Kreislauf der Inhalte gespeist wird?

Auch die Großen der Branche dürften das Experiment mit Interesse beobachten: Facebook testet derzeit ein eigenes Micropayment-System und Google hat angekündigt, seinen Dienst Checkout ebenfalls für die Abrechnung von Kleinstbeträgen zu öffnen.

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