Linux:Zum Teil aus schierer Geldnot

Auch die Dritte Welt wendet sich dem frei erhältlichen Betriebssystem zu.

Michael Lang

(SZ vom 4.6.2002) - Microsoft hat es nicht leicht in diesen Tagen. Der Monopolprozess in den USA schwebt über Windows XP wie ein Damoklesschwert, welches das Betriebssystem in Stücke zu hauen droht. In Europa empfehlen EU-Kommission und Rechnungshöfe, sich aus der Abhängigkeit des Software-Monopolisten zu lösen, und die Dritte Welt wendet sich - zum Teil aus schierer Geldnot - dem frei erhältlichen Betriebssystem Linux zu.

Linux: Moderne Technologien wie das drahtlose Internet werden in China bislang allenfalls auf Computermessen eingesetzt.

Moderne Technologien wie das drahtlose Internet werden in China bislang allenfalls auf Computermessen eingesetzt.

(Foto: Foto: AP)

Mit den bewährten Marketing-Kampagnen für Windows ist dem Phänomen Linux in der Dritten Welt kaum beizukommen, zumal die Bewegung nicht vom Volk ausgeht: Wo ein Microsoft Office mehrere Monatsgehälter kostet, verwendet sowieso jeder Raubkopien des Monopolisten. Linux dagegen wird von Politikern eingeführt, die in ihren Verwaltungen keine illegalen Programme verwenden können und sich die teuren Software-Lizenzen nicht leisten wollen.

Zoff mit dem Monopolisten

Jüngstes Beispiel ist Peru. Der Andenstaat möchte per Gesetz allen Behörden des Landes vorschreiben, künftig nur noch quelloffene Software ("Open Source") zu verwenden. Das aus dem akademischen Umfeld stammende Prinzip erlaubt es jedem, alle Zeilen eines Programmcodes einzusehen und auch zu verändern. Microsoft hingegen betrachtet den Code seiner Programme als geistiges Kapital des Unternehmens. Einblicke in den Quellcode dieser so genannten proprietären Software bedürfen daher einer ausdrücklichen Genehmigung des Eigentümers Microsoft.

Juan Alberto González, Bill Gates' Statthalter in Peru, hat denn auch prompt einen langen Protestbrief verfasst, in dem er nicht nur die vermeintlichen Nachteile von Open Source darlegt, sondern auch die Diskriminierung seines Unternehmens anprangert. "Auch Microsoft kann uns Software anbieten und einen Preis bestimmen", entgegnet der Kongressabgeordnete Edgar David Villanueva-Nuñez in einem offenen Brief an den Microsoft-Manager. Allerdings müsse sich das Unternehmen an die Auflagen des Gesetzes halten und den Quellcode offen legen. "Wenn Microsoft das nicht will, liegt es nicht an den Beschränkungen des Gesetzes, sondern daran, dass Microsoft auf seinen eigenen Prinzipien beharrt."

Das Gesetz soll den Bürgern den freien Zugang zu öffentlichen Daten garantieren, erläutert der Abgeordnete. Deshalb dürfe es nicht nur einen einzigen Anbieter geben. Auch müsse der Staat die Dauerhaftigkeit der öffentlichen Daten gewährleisten, weshalb Pflege und Handhabung der Daten nicht vom Wohlwollen eines Herstellers abhängen dürfen.

"Wenn quelloffene Software wirklich so gut ist, wieso bedarf es dann eines Gesetzes", fragt der Microsoft-Manager. Er verweist auf mexikanische Staatsbeamte, die erst ein Open-Source-Projekt an ihren Schulen einführten und sich nun über den desolaten Zustand des Projekts und den fehlenden Support beklagen.

Die mexikanische Regierung in Mexiko-City startete 1998 das Programm "Scholar Net", welches vorsah, auf 140.000 Computern der mexikanischen Grund- und Mittelschulen bis zum Jahr 2003 Linux zu installieren. Doch nach drei Jahren zog Projektleiter Arturo Espinosa letztes Jahr eine nüchterne Zwischenbilanz. Von den 4.500 Schulen, die mit Computern ausgestattet wurden, verwenden nur 20 Linux, der Rest arbeitet mit Windows. "Wir waren nur zwei Programmierer, erklärt er und fügt hinzu: "Wir hatten keine wirkliche Unterstützung." Sein Kollege Luis Miguel Ibarra verdeutlicht die Situation: "Wir brauchen mehr Leute, die auf Linux geschult sind. Wir müssen die Leute vorbereiten." Das Problem: Freie Software bedeutet nur, dass das Programm gratis erhältlich ist. Kosten entstehen bei Installation, Pflege und Support.

Dieses Dilemma war die Gelegenheit für Microsoft, sich in Mexiko wieder ins Spiel zu bringen. Das Unternehmen aus Redmond unterstützt nun die ehrgeizige E-Mexiko-Initiative von Präsident Vincente Fox mit mehreren Millionen Dollar. Das Projekt soll 90 Prozent der Mexikaner einen Internet-Zugang ermöglichen - hauptsächlich über öffentlich zugängliche Computer. Der US-Prozessorhersteller Intel konnte bereits als Sponsor gewonnen werden. Nun stellt Microsoft die Software zur Verfügung und bildet in den nächsten fünf Jahren rund 20.000 Techniker und Ingenieure aus - natürlich an Microsoft-Systemen. "Ich hatte gehofft, dass Mexiko einmal das Richtige tun würde", beklagte sich nach dieser Entscheidung Miguel de Icaza in der New York Times. Der mexikanische Linux-Guru hat die Benutzeroberfläche "Gnome" mitentwickelt.

Auch als Südafrika mit Linux liebäugelte, zog Microsoft die Notbremse. Nun bekommen die Schulen in diesem strategisch wichtigen Land Schwarzafrikas Windows und Microsoft Office kostenlos, zumindest für die nächsten drei Jahre. Präsident Mbeki verspricht sich vom Abkommen Einsparungen in einer Größenordnung von 100 Millionen Dollar und hofft, dass Microsoft die Gratislizenzen bis in alle Ewigkeit verlängern wird.

Doch solche Deals gelingen nicht immer. Einige aufstrebende Staaten Asiens verfügen bereits über eine ansehnliche Software-Industrie. So erteilte die chinesische Regierung dem Klassenfeind Ende letzten Jahres bei einer großen Ausschreibung eine Abfuhr und beschloss nun vor wenigen Wochen, das einheimische Linux "Chinese 2000" als Standardbetriebssystem für PC einzuführen. Es wird spekuliert, dass die Pro-Linux-Entscheidung mit der Aufnahme Chinas in die Welthandelsorganisation zusammenhängt. Linux soll die vielen Microsoft-Raubkopien verdrängen, deretwegen die Volksrepublik schon oft am Pranger stand.

Nationalstolz spielte auch eine Rolle bei der Entscheidung der südkoreanischen Regierung, 120.000 Microsoft-Installationen gegen die Linux-Programme der koreanischen Firma Hansoft auszutauschen. Schon 1999 scheiterte die Übernahme von Hansoft durch Microsoft am Widerstand der Koreaner.

Um die Emanzipation gegenüber dem dominierenden Westen geht es auch im indischen Bundesstaat Karnataka. Ausgerechnet in dieser Hochtechnologieregion mit dem Programmierer-Mekka Bangalore möchte der Minister für Informations- und Biotechnologie der quelloffenen Software zum Durchbruch verhelfen. Dabei zieht Minister Chandrashekar sogar Allianzen mit dem Nachbarn China in Erwägung. "Für das Verständnis von Open Source braucht es einen radikalen politischen Ansatz."

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