Linux mit Rädern:Das Alle-machen-mit Auto

Wenn es mit Software funktioniert, warum nicht auch mit einem Auto? Das OScar-Projekt entwickelt ein Auto in Gemeinschaftsarbeit auf einer Internetplattform.

Elmar Török

Vielleicht gibt es eines Tages ein Auto, das auch vorne Bremsleuchten hat und allen Leuten im Umkreis erzählt, wohin es fährt und fragt, ob sie nicht gerne mitfahren wollen.

Es könnte nur noch ein bisschen dauern, denn Markus Merz hat sich viel vorgenommen und weiß es auch. Der deutsche Geschäftsmann ist Gründer des Projekts "Open Source Car" (OScar). Er will das erste Auto entwickeln, das jeder lizenzfrei nachbauen darf: "Das ist vielleicht wirklich so etwas wie eine Lebensaufgabe" sagt er lachend.

Gemeinsam mit über tausend Mitstreitern diskutiert er auf seiner Internet-Plattform, wie das OScar innovativer, umweltfreundlicher und vor allem menschenfreundlicher sein könnte als alles, was derzeit auf deutschen Straßen fährt.

Zurück aus der Hölle

Es ist bereits Merz' zweiter Anlauf. 1999 verfasste der Sohn eines Landwirtes, der in seinem Leben auch schon bei BMW am Band stand, ein Manifest. Darin versprach er, dass er in drei Jahren ein Auto entwickeln werde "ohne Fabrik, ohne Chefs, ohne Geld, ohne Grenzen", ein Gefährt "das der Mobilität wieder ein menschliches Antlitz verleihen" sollte.

Doch lange bevor OScar Gestalt annahm, war das Projekt bereits beendet: "Es war einfach zuviel", sagt er im Nachhinein, "ich war irgendwann ausgebrannt". Nach einer langen Pause meldet Merz sich nun zurück, "Back from Hell", wie er auf der Webseite schreibt, und will es noch einmal versuchen.

Die Open Source-Gemeinschaft hat bereits eine Reihe erfolgreicher Software-Projekte entwickelt: Allen voran das Betriebssystem Linux, und der Großteil der Programme, die auf Linux laufen wie der Browser Firefox und das Textverarbeitungsprogramm Openoffice.

Bei Open Source Projekten entwickeln Dutzende, manchmal hunderte von Freiwilligen gemeinsam in ihrer Freizeit. Sie stellen das Ergebnis ihrer Arbeit kostenlos für alle zur Verfügung, weil sie glauben, dass Kreativität durch Patente eher gehemmt als gefördert wird.

Merz geht einen Schritt weiter: Er will nicht nur Nullen und Einsen entwickeln, sondern Baupläne für etwas "echtes." Damit ist er nicht alleine: "Open Prosthetics" tüftelt an Prothesen und gibt die Baupläne kostenlos weiter, bei Open Hardware liegt der Fokus auf Elektronikprojekten.

Merz erhofft sich vor allem Innovationen jenseits der Zwänge von Vermarktung und Controlling. Damit es diesmal nicht schiefgeht, ist er die Sache "strukturierter" angegangen, wie er selbst sagt.

Das Alle-machen-mit Auto

Smart Car statt Rennwunder

Das Projekt besteht aus sechs Modulen : Karosserie, Fahrgastzelle, Antrieb, Energieversorgung, Sicherheitseinrichtungen und Informationssysteme.

An diesem Modulaufbau werden sich später Projektteams orientieren. Außerdem gibt es ein Konzept, das die Rahmendaten festlegt: Das Auto soll vier Räder haben, etwa eine Tonne wiegen und mit seinem Brennstoffzellenantrieb maximal 145 km/h schnell fahren.

Damit vermeidet Merz auch die Diskussionen, ob man nicht lieber ein kleines Rennwunder bauen sollte: "Das war im ersten Anlauf ein Riesenproblem", erzählt er, "höher, schneller, stärker - das wollten viele. Das bringt uns aber nicht weiter." Merz will lieber ein "Smart Car", ein intelligentes Auto bauen. Geschwindigkeit ist nicht sein Thema.

Englisch als Tor zur Expertenwelt

Die Website des Projektes ist nicht mehr auf Deutsch verfasst, wie beim ersten Anlauf, sondern in Englisch. Sie zieht auf diese Weise weltweit Experten an und hat OScar internationale Medienaufmerksamkeit beschert, vom Discovery Channel bis zur Businessweek.

Wie jedes erfolgreiche Open Source-Projekt ist auch OSscar letztlich hierarchisch organisiert, "Leistungsprinzip" nennt Merz das: Wer über einen gewissen Zeitraum aktiv ist und qualitativ gute Beiträge bringt, wird von Merz in ein Projektteam berufen. Etwa 1100 Mitglieder sind auf der Website registriert, davon sind ca. 100 aktiv und 10 bis20 sehr aktiv.

Das Kernteam besteht aus Andreas Hoffmann, der die Website betreut, Lukas Neckermann, der für Kommunikation zuständig ist und Merz selbst, der sich als "Gründer und Kümmerer" bezeichnet.

Automobilkonzerne sind skeptisch

Derzeit sind die Bereiche Design, Antriebstechnologie und Informationssysteme in der heißen Phase. Der Anteil an Spezialisten in den Foren sei seit dem letzten Versuch stark gestiegen, so Merz: "Es gibt Diskussionen, bei denen ich kein Wort mehr verstehe." Er selbst hat zwar mal bei BMW in der Produktion gearbeitet, ist heute aber Geschäftsführer einer Agentur für Marketing, Kommunikation und neue Medien.

Beim Autobauer BMW verfolgt man das Projekt von Merz schon länger. Michael Blabst, zuständig für Technologie bei BMW, fragt sich vor allem, warum "die" das machen: "Was ist das Geschäftsmodell dahinter? Ist das reine Neugier?"

Blabst ist skeptisch, ob aus dem Open Source-Projekt Impulse für den Autobau kommen könnten: "Ganze Volkswirtschaften stecken Milliarden in die Erforschung zum Beispiel von neuen Antrieben, braucht die Welt da OScar?" Auch die Frage nach der Haftung sei völlig ungeklärt, wer übernimmt die Verantwortung, wenn der Wagen gebaut wird und dann nicht funktioniert?

Merz hat darauf eine einfache Antwort: "Der, der ihn zusammengebaut hat" - denn das ist nicht Teil des Projektes. OScar will nur die Pläne liefern, das Auto am Computer komplett durchkonstruieren. Bauen sollen es andere. Und auch die - millionenteure - Straßenzulassung, die jedes Auto braucht, bereitet Merz keine Kopfschmerzen: "Wenn wir jetzt mit solchen Fragen anfangen, können wir gleich aufhören." Im Gegenteil: Er wäre froh, wenn es überhaupt eines Tages so weit kommt, dass er sich über solche Probleme den Kopf zerbrechen muss.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: