Like-Button:"Löscht Facebook-Freunde, die Pegida liken"

Ein einfacher Link macht's möglich: Wer ihn klickt, sieht den Freundeskreis, reduziert auf die Menschen, die Pegida liken. Sie sollen entfreundet werden, wird gefordert. Die Aktion ist nett gemeint, basiert aber auf einem grundlegenden Missverständnis.

Von Hakan Tanriverdi

In Dresden werden die Straßen von Montag zu Montag voller. 10 000, 15 000 Menschen marschieren und demonstrieren gegen eine vermeintliche Islamisierung in Europa. Das kann man gut finden, das kann man schlecht finden. Ich persönlich finde es zum Beispiel erschreckend, aber von mir heißt es ja auch, ich sei ein Migrant. Wie man das auch findet, in beiden Fällen kommt man zum selben Ergebnis: Es gibt diese Menschen, also befinden sich einige davon auch in unserem Umfeld. Vermutlich sind wir mit ihnen befreundet - zum Beispiel auf Facebook.

Das darf nicht sein, haben nun einige Facebook-Nutzer entschieden. Sie verbreiten Links, mit denen es möglich ist, jene Menschen aus dem Freundeskreis herauszupicken, die den Like-Button auf der Seite von Pegida gedrückt haben. (Sollten Sie bei Facebook angemeldet sein, können Sie das über diesen Link prüfen.) Die dazugehörige Aufforderung lautet: Entfreundet euch! Zeigt diesen Menschen, dass ihr so etwas nicht toleriert! Die Links "verraten euch, wen aus eurer Facebook-Liste ihr besser löschen solltet", heißt es beispielsweise im Blog Testspiel. 1100 Leuten gefällt das. Die Zahl steigt rasant, keine 24 Stunden später liegt sie über 8600.*

Die Aktion geht von einer falschen Annahme aus

Es ist eine nette Aktion, sie basiert aber auf einem grundlegenden Missverständnis. Der Knopf heißt zwar Like-Button, das heißt aber noch lange nicht, dass einer Person zwangsläufig gefällt, was sie da liest. Menschen liken Seiten, weil sie ein Thema verfolgen wollen. Worüber wird diskutiert? Wie ticken Pegida-Anhänger? Um diese Fragen beantworten zu können, muss man sich mit dem Thema auseinandersetzen. Vermutlich liest niemand so viel über Rechtsradikalismus und klickt sich durch ihre Internet-Foren wie das zum Beispiel Antifaschisten machen. Zu sagen, diese Leute sollen pauschal aus dem Freundeskreis gelöscht werden, ist eine grundlose Vorverurteilung. Es bestraft mitunter das bloße Interesse.

Ein weiteres Beispiel: Jemand, der das TTIP-Abkommen gefährlich findet, wird Artikel dazu lesen wollen. Er wird aktiv Informationen zu TTIP suchen. Der Like-Button hilft - er ist nichts anderes als eine Aufforderung: Bitte erspare mir zukünftig das Suchen. Gib mir, was ich will.

Das Missverständnis geht noch weiter. Klicken die Leute den Link an und sehen keine Person aus der Freundesliste bei den Pegida-Likern, wäre der Schluss: In meinem Freundeskreis gibt es niemanden, der das mag. Das ist ebenfalls eine falsche Annahme. Sie geht davon aus, dass wir unser Leben in Facebook-Kategorien organisieren. Auch das ist nicht der Fall.

Aber: Wer sich all dieser Umstände bewusst ist, sollte ruhig den Link anklicken und gucken. Vielleicht ist ja wirklich jemand dabei, der die Pegida-Demonstrationen gut findet. Das hätte zumindest einen Vorteil: Mit Freunden kann man besser diskutieren.

*Artikel wurde geändert, um den Anstieg dieser Zahl zu dokumentieren.

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