Leutheusser-Schnarrenberger über Google:"Das Internetzeitalter kennt Privatsphäre"

Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger

Setzt sich für eine neue Datenschutzverordnung auf europäischer Ebene ein: die frühere Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger.

(Foto: dpa)

Google löscht Links - aber nach welchen Kriterien? Ex-Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger erklärt im SZ-Interview, welche Regeln das Recht auf Vergessen braucht.

Von Claudia Tieschky

Die frühere Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger hat in der Debatte um Google-Löschanträge die Idee für eine Schiedsstelle ins Spiel gebracht. Man solle sich in Deutschland überlegen, "ob es richtig ist, dass alleine Google über die Löschanträge entscheidet", sagte sie im Interview mit der Süddeutschen Zeitung.

Auch eine neue Datenschutzverordnung auf europäischer Ebene hält Leutheusser-Schnarrenberger nach dem Urteil für wichtig, dort könnten Rechte von Journalisten und Öffentlichkeit verbindlich als Kriterium für den Entscheidungsprozess bei Löschungen aufgenommen werden. Derzeit könne ihrer Einschätzung nach ein Journalist nicht etwa mit dem Argument des Informationszugangs gegen von Google veranlasste Löschungen von Links klagen, sagte Leutheusser-Schnarrenberger. Überhaupt habe man sich mit den Auswirkungen des EuGH-Urteils auf den Journalismus noch nicht ausreichend beschäftigt.

Seit der Europäische Gerichtshof im Mai sein Urteil zum "Recht auf Vergessen" verkündete, sind mehr als 91 000 Löschanträge bei dem Suchmaschinenbetreiber eingegangen, davon 16 500 aus Deutschland. In mehr als der Hälfte der Fälle gab Google dem Wunsch der Bürgerinnen und Bürger statt und löschte Links, die bei Namenssuchen eine Verknüpfung zu Texten herstellten.

Kritik an den Löschungen kommt unter anderem von Wikipedia-Gründer Jimmy Wales, der wie Leutheusser-Schnarrenberger einem Google-Löschbeirat angehört. Die frühere Ministerin verteidigt im Interview das EuGH-Urteil: Es sei "vom Grundsatz her hervorragend. Weil es klarmacht, und das hatten wir bisher nicht: Auch das Internetzeitalter kennt Privatsphäre." Es gebe kein Recht der Öffentlichkeit, "von jedem Menschen alles und unbegrenzt zu wissen. Das müssen wir als Gesellschaft mal debattieren".

"Automatische Löschungen kann es nicht geben"

Der Lösch-Beirat will bis Jahresende Empfehlungen erarbeiten, nach denen der Suchmaschinenbetreiber bei der Entscheidung von Anträgen abwägt, konkreten Einfluss kann die Gruppe aber nicht nehmen. "Das wird immer noch dazu führen, dass sich Google jeden Antrag auch mal anschauen muss. Pauschal einen Algorithmus zu entwickeln, der automatisch löscht, das kann es nicht geben", sagte Leutheusser-Schnarrenberger, die 1995 aus Protest gegen den Großen Lauschangriff als Bundesministerin zurücktrat.

Dass sie nun ihren Ruf in Dienst von Google stelle, weist sie zurück. "Ich bin auf keiner Payroll von Google, sondern Teil eines unabhängigen Beirats aus acht Experten, der nicht für seine Tätigkeit bezahlt wird, sondern wo nur Aufwandskosten übernommen werden. Ich bin vollkommen unabhängig." Zu dem Gremium gehören der UN-Sonderberichterstatter Frank La Rue und Medienrechtlerin Peggy Valcke, Datenschützer José Luis Piñar, Wikipedia-Gründer Jimmy Wales, Ethikspezialist Luciano Floridi, die frühere polnische Regierungsberaterin Lidia Kołucka-Żuk und die prominente Le-Monde-Journalistin Sylvie Kauffmann.

Das vollständige Interview lesen Sie in der Donnerstagsausgabe der Süddeutschen Zeitung und in der SZ-Digital-App auf iPhone, iPad, Android und Windows 8.

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