Kryptowährungen:Online-Magazin will Computer der Nutzer anzapfen

Screenshot Salon.com

Ein Klick auf "Supress Ads", und der Hinweis auf "coinhive" erscheint.

(Foto: Screenshot SZ)
  • Kryptowährungen können für Webseitenbetreiber eine alternative Einnahmequelle zu Werbeanzeigen sein.
  • Ein US-Magazin fordert jetzt seine Leser auf, Rechenleistung zur Verfügung zu stellen, damit die Betreiber damit Kryptomünzen schürfen können.

Von Bernd Graff

Eines der Hauptargumente für Kryptowährungen, die Bitcoin ist ja nur eine von ihnen, lautet, dass sie besonders sicher seien. Tatsächlich läuft die Erschaffung dieses Geldes, das "Mining", wie auch die Buchung von Transaktionen über dezentrale Computernetze ab. Um es ungebührlich kurz zu machen: Jeder Computer kann Mitglied eines solchen Netzes werden - oder heimlich dazu gemacht werden.

Für die Errechnung solcher Gelder ist unfassbar leistungsfähige Hardware nötigt. Handelsübliche Einzelrechner schürfen darum schon lange keine "Münzen" mehr. Anständiges Bitcoin-Mining, so nennt man das "Geldmachen", findet in Rechnerverbünden, sogenannten "Pools" statt. Und damit ist man bei der geradezu unanständigen Geld-Idee, auf die die Webseite Salon.com gekommen ist.

Salon.com bittet Nutzer, Rechenleistung zur Verfügung zu stellen

Weil immer mehr Nutzer sogenannte Ad-Blocker in ihren Browsern einsetzen, wird die Werbung, die auf den von ihnen besuchten Webseiten geschaltet ist, ausgeblendet. Werbung, die man nicht sieht, bedeutet für alle Nachrichtenseiten, nicht nur für Salon.com, ausgefallene Einnahmen. Viele Seiten klagen deshalb, dass es unfair, ja unethisch sei, Ad-Blocker einzusetzen, weil ihnen so die nahezu einzige Einnahmequelle für ihre Arbeit entgehe.

Seit zwei Tagen blendet Salon.com darum nun eine Tafel ein, wenn die Seite bemerkt, dass sie von einem Browser mit Ad-Blocker angesteuert wurde (siehe Screenshot). Darauf wird der Nutzer vor eine Wahl gestellt: Entweder er schaltet seinen Ad-Blocker ab (und lässt Werbung wieder zu) - oder er erlaubt den Zugriff auf seine "nicht genutzten Rechenkapazitäten".

Wer Salon.com den eigenen Rechner zur Verfügung stellt, übergibt der Webseite freie Kapazitäten seines Rechners zur Berechnung der Kryptowährung "Monero" (derzeit etwa 240 Dollar die Münze). "Wir weisen Ihren Computer lediglich an, Berechnungen zu erstellen", schreibt die Webseite und fügt beschwichtigend hinzu: "Das ist, als würden wir uns nur kurz Ihren Taschenrechner ausleihen. Wir kalkulieren damit ein bisschen und geben ihn natürlich sofort zurück, wenn Sie unsere Webseite wieder verlassen."

Die Strategie von Salon.com hat einen Punkt - die Methode ist aber fragwürdig

Nun ist es einerseits so, dass dieses Kapazitäten-Ausborgen tatsächlich schon von gemeinnützigen Organisationen genutzt wurde, um etwa Eiweiße im menschlichen Körper berechnen zu lassen oder herauszufinden, ob Außerirdische sich schon auf der Erde gemeldet haben. (Kein Scherz, siehe unter https://setiathome.berkeley.edu/) Und ja, es ist auch so, dass Computer nicht ihre volle Leistung benötigen, wenn lediglich Texte auf einer Webseite gelesen werden. Salon.com hat mit der Feststellung, hier lägen Ressourcen brach, durchaus eine Punkt.

Worauf allerdings das Technik-Magazin TechCrunch als erstes aufmerksam machte, ist der von Salon.com nur versteckt gezeigte Hinweis darauf, wen man gebeten hat, dieses Mining technisch zu realisieren: coinhive.com (etwa "Münz-Bienenhaus"). Dies ist ein Unternehmen, das bislang dadurch auffiel, dass dessen Software heimlich von Hackern installiert wurde, um für sie Digitalgeld zu schürfen. Wie der Guardian berichtet, hatten Cyberkriminelle schon Tausende von Internetseiten, darunter die Seite des britischen Gesundheitsdienstes, Piratebay und YouTube, mit dem Skript von "Coinhive" infiziert, man spricht vom "Cryptojacking".

Wer Salon.com nun gestattet, den eigenen Rechner zum Schürfidioten zu degradieren, sollte wissen, dass sein Gerät dabei wohl aufgrund der benötigten Kapazität in die Knie gehen wird. Auch nach Digitalgeld schürft man nur ganz tief. Da lässt man vielleicht besser die blöde Werbung zu.

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