Kaspersky-Interview:"Junge Hacker sind wie Hooligans"

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Erst kommt die Waffe und dann das Schild. Ein Interview mit dem russischen Antiviren-Forscher Eugene Kaspersky von den Kaspersky Labs.

Eugene Kaspersky beschäftigt sich schon seit 14 Jahren mit Computerviren. Den ersten digitalen Schädling analysierte er als promovierter Mathematiker für ein russisches Institut für Kryptografie. 1997 gründete er mit seiner Ex-Frau die Moskauer Kaspersky Labs. Mit dem Antiviren-Experten sprach Susanne Herda.

Eugene Kaspersky: "Die Polizei kann auch nicht an jede Kreuzung einen Polizisten schicken." (Foto: Foto: Kaspersky Labs)

sueddeutsche.de: Wer persönliche Daten auf einem Rechner speichert, der am Internet hängt, muss in Ihren Augen verrückt sein. Haben Sie den Mut dazu?

Kaspersky: Falls es wirklich erforderlich ist, speichere ich sie in verschlüsselter Form. Es spricht nichts dagegen wichtige Geschäftsdaten auf Computern abzulegen, die am Internet hängen. Natürlich nur, wenn für ausreichenden Schutz gegen Hacker und Spionageprogramme gesorgt wird. Zum Beispiel durch Verschlüsselung und Zugangskontrollen. Dateien, die besonders wichtig sind und keine Internet-Verbindung benötigen, speichere ich aber auf einem separaten PC.

sueddeutsche.de: Gibt es einen 100prozentigen Schutz gegen Hacker-Angriffe?

Kaspersky: Nein. Selbst Banken, die alle nur denkbaren Sicherheitsmaßnahmen ergreifen, werden gehackt. Auf Grund der unzähligen Schwachstellen in den verschiedenen Produkten gibt es derart viele Möglichkeiten einen Virus zu kreieren, dass es unmöglich ist, jeder nur denkbaren Attacke vorzubeugen. Das ist wie mit der Polizei. Sie kann auch nicht an jede Kreuzung einen Polizisten schicken. Es ist aber sehr wohl möglich für einen fast 100prozentigen Schutz zu sorgen.

sueddeutsche.de: Der letzte Übeltäter, der die PCs der Endanwender in großem Stil schädigen konnte, war der I Love you-Virus. Schützen sich die Verbraucher inzwischen besser oder haben die Virenschreiber ihre Angriffsziele einfach nur neu definiert?

Kaspersky: Der letzte Virus, der den Endanwendern am meisten Probleme gemacht hat und der wirklich zu einer globalen Viren-Epidemie führte, war Klez. Dieser Internet-Wurm richtete sich gegen alle Computer, die eine Lücke im Sicherheitssystem des Internet Explorers hatten. Sechs von zehn im Laufe des vergangenen Jahres gemeldeten Infizierungen sind von Klez hervorgerufen worden. Beim I Love you-Virus war vielleicht das Interesse von Seiten der Presse größer, da er der erste Virus war, der eine globale Epidemie verursachte.

Aber es stimmt, dass Endanwender inzwischen viel vorsichtiger sind. Sie schützen sich mit entsprechender Software und beobachten die Warnungen der Antiviren-Firmen sehr aufmerksam. Das Problem ist, dass die Anzahl der User ständig steigt und "Anfänger" sich nicht ausreichend gegen Malware schützen. Andererseits versuchen immer mehr Hacker, Unternehmensnetzwerke anzugreifen und vertrauliche Daten zu entwenden. Hinzu kommt, dass die Virenautoren ganz neue Technologien entwickeln. Zum Beispiel sind der Melissa-, der I Love You- und der Klez-Virus völlig verschieden. Der erste ist ein Word-Dokument, der zweite ein Script-Programm und der dritte eine ausführbare Datei. Die heutigen Betriebssysteme und Programme sind derart umfangreich, dass sie Virenschreibern sehr viele verschiedene Angriffsmöglichkeiten bieten.

sueddeutsche.de: In jüngster Zeit mehren sich die Meldungen über Viren, die gezielt die Infrastruktur des Internets angreifen. Zum Beispiel Code Red und Slammer. Sind das die Viren der Zukunft?

Kaspersky: Leider sieht es ganz danach aus. Es ist zwar schwer zu sagen, welcher Schädlingstyp zum Virus der Zukunft wird. Die Technologie, über die dateilose Würmer verschickt werden, bleibt aber sicherlich noch lange populär. Junge Hacker sind wie Hooligans. Sie denken, dass sie mit Viren zeigen können, dass sie das Zeug zu etwas haben. Und sich schnell ausbreitende Viren bieten sich für solche Selbstdarstellungen leider hervorragend an.

[Zum 2. Teil des Interviews]

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