25 Jahre Volkszählungsurteil:"Super-GAU des Datenschutzes"

Der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, hat eindringlich vor einer Überwachungsgesellschaft internationalen Ausmaßes gewarnt. Seine Sorge gilt allerdings nicht den staatlichen Eingriffen.

Helmut Kerscher

Der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, hat eindringlich vor einem "Super-GAU des Datenschutzes" gewarnt. Seine Sorge gelte weniger staatlichen Eingriffen in Grundrechte als den von Privaten "irgendwo auf der Welt gespeicherten Informationen", sagte er.

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Aus einmal gespeicherten Informationen lässt sich leicht ein Persönlichkeitsprofil einzelner Bürger erstellen.

(Foto: Foto: Photocase/yarik)

Daraus könne sehr leicht ein Persönlichkeitsprofil einzelner Bürger erstellt werden. Es bestehe die Gefahr, "dass wir uns zu einer privaten Überwachungsgesellschaft internationalen Ausmaßes verwandeln".

Angesichts fast wöchentlich auftretender Datendiebstahlsskandale müsse der Staat für ein angemessenes Schutzregime sorgen, forderte Papier zum 25. Jahrestag des Volkszählungsurteils bei einer Konferenz der Datenschutzbeauftragten in Karlsruhe.

Der Gerichtspräsident rief den Gesetzgeber zwar dazu auf, bei der Bekämpfung und Verhinderung von Kriminalität die Gewichte von Freiheit und Sicherheit nicht grundlegend zu verschieben. Vor allem aber müsse sich der Staat um die Gefahren der von Privaten gespeicherten Informationen kümmern, die viele auch noch weitgehend freiwillig preisgeben würden.

Zweckwidrige Verwendung der Daten

An konkreten Gefahren nannte er die Verwendung des Internets bei Bankgeschäften oder Einkäufen sowie die künftig digital gespeicherten Krankenakte. Wenn man noch berücksichtige, dass das Internet nichts vergesse, erscheine eine zweckwidrige Verwendung dieser Daten in Zukunft geradezu programmiert.

Die im Volkszählungsurteil beschworenen Gefahren für das Recht auf informationelle Selbstbestimmung hätten auf dem privaten Sektor neue Aktualität bekommen, sagte Papier, offenbar in Anspielung auf die jüngsten Datenskandale bei der Landesbank Berlin und bei der Telekom.

In seiner 25-Jahres-Bilanz hob Papier die Beiträge des Bundesverfassungsgerichts für einen wirksamen Datenschutz hervor. So habe das vom Gericht am 15. Dezember 1983 geschaffene "Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung" im Februar dieses Jahres eine "Schwester" bekommen.

Neues Computer-Grundrecht

Er meinte damit das bei der Entscheidung zur Online-Durchsuchung entwickelte Computer-Grundrecht, das offiziell "Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnisches Systeme" heißt.

Für die Durchsetzung dieser Grundrechte dürfe sich der Gesetzgeber nicht mit bloßen Selbstverpflichtungen Privater begnügen. Die geplanten Beschränkungen des Datenhandels sowie die Einführung eines Datenschutzauditverfahrens mit Gütesiegel erscheine nahezu geboten.

Eine Verwandlung des Staates in "einen Überwachungsstaat Orwell'scher Prägung" bezeichnete Papier als eine eher fernliegende Möglichkeit. Das Verfassungsgericht habe mehrere Sicherheitsgesetze korrigiert und damit alte wie neue grundrechtliche Grenzen gezogen.

Allerdings stelle der von Karlsruhe geforderte Schutz des "Kernbereichs privater Lebensgestaltung" die Praxis vor Probleme. Generell glaube er aber, dass "die derzeit maßgeblichen politischen Akteure" sich an diese Vorgaben halten wollten. Im Übrigen verfüge das Gemeinwesen über rechtsstaatliche und demokratische Kontrollmechanismen.

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