25 Jahre Gameboy:Neuer Hype um olle Keksdose

Grau wie die Vorzeit: Der Game Boy war der Prototyp aller Handhelds

Ein Verbindungskabel, Tetris - und die berüchtigte "Keksdose": So kam der Gameboy vor 25 Jahren in die Läden.

(Foto: Nintendo/dpa/gms)

Vor einem Vierteljahrhundert brachte Nintendo den Gameboy heraus - jetzt kosten die Geräte mehr als damals. Nicht nur treue Fans haben erkannt, welche Bedeutung der kleine graue Kasten hatte.

Von Benjamin Romberg, Berlin

Der Kopf gesenkt, Augen fest auf den Bildschirm gerichtet: Auf den ersten Blick unterscheidet sich Wrampi nicht von den anderen Fahrgästen. Doch "viele Leute gucken erstmal doof, wenn ich in der Bahn sitze", sagt er. Das liegt an dem klobigen grauen Kasten in Wrampis Hand. Denn Wrampi checkt keine Mails auf seinem Smartphone, er chattet nicht per Whatsapp. Wrampi spielt mit seinem alten Gameboy. Sascha Wrampelmeier, 33, ist Teil einer kleinen, aber leidenschaftlichen Fangemeinschaft, die immer noch regelmäßig mit den alten Geräten von Nintendo zockt. In der Szene ist er als Wrampi bekannt und so will er auch genannt werden.

"Handy-Spiele interessieren mich nicht", sagt Wrampi. Was ihn interessiert, sind Spiele für den Gameboy. Mehr als 550 davon hat er inzwischen bei sich Zuhause im niedersächsischen Lemförde. Niemand in Europa habe mehr, sagt Wrampi, zumindest kenne er keinen. Und Wrampi kennt sich aus in der Szene. Er ist immer dabei, wenn sich die Retro-Fans in Deutschland treffen, um auf alten Konsolen zu spielen und über neue Entwicklungen zu sprechen. Fast jeder dort habe auch einen Gameboy, sagt er. Aber nicht jeder ist so ein Fan wie Wrampi.

Am 21. April 1989 ist das Gerät in Japan erschienen. Der Gameboy Classic, eine - nach heutigem Maßstab - ziemlich große und schwere Konsole für unterwegs, unter Fans als "Keksdose" bekannt. Mit fast 119 Millionen verkauften Geräten (Nachfolger wie den Gameboy Advance mit eingerechnet) war er lange die erfolgreichste portable Konsole aller Zeiten - erst der 2004 erschienene Nintendo DS löste ihn ab.

Urvater aller Smartphones

Der Gameboy war nicht nur für Nintendo wichtig. Für Andreas Lange, Direktor des Computerspielemuseums in Berlin, hat er eine kulturelle Bedeutung. Lange, schwarzes Sakko über T-Shirt mit Retro-Gaming-Motiv, steht vor einer Wand mit vielen hellgrünen Kästen, in denen die wichtigsten Konsolen der vergangenen Jahrzehnte in chronologischer Reihenfolge ausgestellt sind. Natürlich ist auch ein Gameboy dabei.

"Der Gameboy hat das mobile Spielen in die Öffentlichkeit gebracht", sagt Lange, er sei damit der "Urvater aller Smartphones". Der Gameboy hat es also salonfähig gemacht, in der Bahn auf einen kleinen Bildschirm zu glotzen. Ob das die Leute bedenken, die Wrampi schräg anschauen, um dann auf ihrem Smartphone Angry Birds zu spielen?

Es ist Mittwochnachmittag im Computerspielemuseum und dafür ziemlich voll. Kinder und Teenager daddeln auf kleinen und großen Bildschirmen, während die Eltern gelangweilt daneben stehen und mit ihrem Smartphone beschäftigt sind. Oder den Stadtplan studieren, um den kürzesten Weg zur nächsten Sehenswürdigkeit für Erwachsene zu finden. Viele, die als Kind einen Gameboy hatten, wissen, dass es auch anders sein kann. Dass sich Eltern und Nachwuchs gleichermaßen für Videospiele begeistern können. Nicht wenige Eltern hatten damals selbst einen Gameboy oder spielten mit dem Gerät der Kinder, nachdem sie diese ins Bett geschickt hatten.

Der Erfolg ist einerseits erstaunlich, findet Lange, habe es doch zeitgleich ähnliche Geräte von den Nintendo-Konkurrenten Atari und Sega gegeben, die technisch sogar leistungsstärker gewesen seien. So hatten diese etwa, anders als die ersten Gameboys, ein farbiges Display. Doch genau hierin lag der Vorteil für Nintendo, erklärt Lange: Während bei den Geräten der Konkurrenz ständig die Batterie leer war, hat der Schwarz-Weiß-Bildschirm des Gameboys nur wenig Energie verbraucht. "Der Gameboy war billiger und mobiler", sagt Lange.

Mit Tetris zum Durchbruch

Und er kennt noch einen zweiten, vielleicht sogar noch wichtigeren Grund für den Siegeszug des Gameboys: Tetris. Das vermutlich simpelste und zugleich berühmteste Spiel aller Zeiten.

Der Spieler muss herabfallende Bauklötze so zusammenstecken, dass möglichst keine Lücken entstehen. Tetris gab es schon vor dem Gameboy, ein sowjetischer Wissenschaftler hatte das Spiel programmiert. Relativ schnell wurde es auch im Westen populär und Spielehersteller aus Europa, Amerika und Asien begannen Lizenzverhandlungen mit der Sowjetunion. Es gab viel Streit, Gerichte mussten sich mit der Angelegenheit beschäftigen. "Eine abenteuerliche Geschichte", sagt Lange. Letztlich sicherte sich Nintendo aber die Rechte für die sogenannten Handheld-Plattformen wie den Gameboy. Fortan gab es das Gerät nur noch im Paket mit Tetris zu kaufen. "Das brachte den Durchbruch", sagt Lange.

An einer Wand im Museum hängt ein Foto von ihm und Steve Wozniak, Mitgründer von Apple. Der war im vergangenen Jahr zu Besuch und outete sich als Tetris-Fan. "Er reist nirgendwo hin ohne seinen Gameboy", sagt Lange, und auch seine Frau zocke gerne. Wichtig war also den Eheleuten Wozniak der Reiz, den eigenen Highscore immer wieder zu verbessern und mit anderen zu vergleichen.

Ein Reiz, der für Wrampi heute noch besteht. Erst im vergangenen Jahr sicherte er sich den Weltrekord in Tetris, Version 1.0. Die war nur in Japan erschienen und wurde später durch die allseits bekannte Variante mit der russischen Musik abgelöst. Auch in dieser, populäreren Version will Wrampi noch den Weltrekord erreichen. Wo der liegt, weiß er allerdings nicht so genau. Es gebe da ein Video im Internet, sagt er, in dem jemand mehr als 600 Linien geschafft habe. Wrampi ist sich aber sicher: "Das ist ein Fake." Dennoch ist das nun seine Zielmarke.

Trainieren kann Wrampi immer noch auf seinem ersten Gameboy, den er zu Weihnachten bekommen hat. 1993 war das. Hin und wieder hatte das Display schon mal einen Aussetzer. Aber das sei kein Problem, sagt Wrampi: "Einmal mit dem Föhn über die richtige Stelle und schon geht's wieder".

Classic, Color, Pocket, Advance

Für so einen Gameboy würde Michael Pavel, 47, vermutlich nicht mehr viel Geld bekommen. Pavel, kahle Stirn, große Brille, Bart, hat einen kleinen Spielzeugladen im Südosten Berlins. Zwei enge Räume, vollgestopft mit Playmobil, Eisenbahnen und jeder Menge Videospiele. Die meisten gebraucht. Pavel kauft, tauscht und verkauft die Sachen. Seit acht Jahren betreibt er das Geschäft.

Vor einiger Zeit hat er mal einen Flyer produziert, auf dem er sein Angebot präsentiert; an dem roten Stück Papier lässt sich jetzt erkennen, wie sich der Markt verändert. Pavel nimmt einen Stift und streicht die Sachen durch, die er nicht mehr verkauft. Figuren aus Überraschungseiern: "Die nehme ich nicht mal mehr geschenkt." PC-Spiele: "Der Markt ist tot." Panini-Klebebilder laufen auch nicht mehr. Was noch läuft, sind Gameboys.

Classic, Color, Pocket, Advance: Pavel hat sie alle. Ein Model nach dem anderen legt er auf die Glastheke und ordnet sie in chronologischer Reihenfolge. Es sei ein klarer Retro-Trend zu erkennen, sagt Pavel. Deshalb seien die Preise in den vergangenen Jahren auch rasant gestiegen. Bekam er etwa 2009 noch um die zehn Euro für einen alten Gameboy, so könne er jetzt zwischen 30 und 40 Euro für Geräte in gutem Zustand verlangen. Und das ist noch lange nicht die Spitze: Wer bei Ebay sucht, stößt auf Preise zwischen 50 und 100 Euro - also teilweise über dem Originalpreis.

Wer kauft sich heute noch einen alten Gameboy? Zu Pavels Kunden gehören Sammler, bei denen die Geräte gar nicht in Gebrauch sind. Es gibt DJs, die mit alten Konsolen elektronische 8-Bit-Musik machen. Und natürlich Zocker.

"Die Kinder kannst du heute damit verjagen", sagt Pavel, es seien vor allem die Älteren, die sich wieder einen alten Gameboy zulegten. Die 40-Jährigen, die damit in ihrer Jugend gespielt haben. "Leute, die sonst schon alles haben", sagt Pavel: "Die wollen in der Früh in der S-Bahn sitzen und einfach mal Tetris spielen." Damit könne man schließlich auch angeben. "Ein iPhone hat doch jeder", sagt Pavel.

Wrampi hat kein iPhone. Und er will auch nicht angeben, wenn er mit seinem Gameboy in der Bahn spielt. Dennoch freut er sich, wenn es mal wieder ganz schnell vorbei ist mit den doofen Blicken. Wenn er die Musik aufdreht beim Gameboy und die Leute sich erinnern, wie das damals war. Oft kämen sie dann zu ihm, sagt Wrampi, und fragten: "Darf ich auch mal?"

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